DEVISENMARKT: HISTORISCHE YEN-SCHWäCHE SETZT FINANZMINISTERIUM UND NOTENBANK UNTER DRUCK

In Krisen steigt der Yen als Fluchtwährung meist im Wert. Doch nach dem Angriff des Irans auf Israel sackte er weiter ab. Das löst Wetten unter anderem auf eine frühe Zinsanhebung aus.

Bei globalen Krisen kaufen Anlegerinnen und Anleger gewöhnlich die japanische Währung Yen, weil sie in der Vergangenheit häufig im Wert stieg – trotz der unsicheren Zeiten. Doch auf diese Entwicklung können sich Investoren seit einiger Zeit nicht mehr verlassen. Der Yen blieb zuletzt auf schwachem Niveau.

Und nicht einmal die Verschärfung des Konflikts im Nahen Osten am Wochenende, der Angriff des Irans auf Israel, konnte Japans Rolle als Fluchtwährung wiederbeleben. Stattdessen setzte sich der Fall des Yens auf teilweise historische Tiefwerte fort.

Deswegen spekulieren Marktteilnehmer und Analysten nun über ein mögliches Eingreifen des Finanzministeriums am Devisenmarkt oder eine raschere Zinserhöhung der Notenbank. Zwar erhöhte die Bank of Japan (BoJ) im vergangenen Monat ihren Leitzins erstmals seit 2007 auf null bis 0,1 Prozent – doch der Dollar stieg im Vergleich zum Yen weiter an und übertraf diese Woche sogar erstmals seit 1990 die Marke von 154 Yen. Am Mittwoch lag das Verhältnis bei bis zu 154,74 Yen.

Der reale effektive Wechselkurs, der auch andere Währungen, Handelsströme und Inflation berücksichtigt, sackte sogar auf den tiefsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen 1970 ab.

Die Wechselkursstrategen der japanischen Investmentbank Nomura warnten daraufhin: „Das kurzfristige Augenmerk liegt auf möglichen Maßnahmen des Finanzministeriums.“ Die Überlegung: Das Ministerium könnte japanische Devisen kaufen und Dollar verkaufen, um so die eigene Währung zu stützen – so wie zuletzt im Herbst 2022.

Allerdings hatte diese Maßnahme vor eineinhalb Jahren laut dem bekannten Japanbeobachter aus den USA, Richard Katz, „keine erkennbaren Auswirkungen“. Auch dieses Mal erwarten Wechselkursexperten allenfalls eine kurze Kurskorrektur des Dollars unter 150 Yen und keine Yen-Wende.

Eine weitere Möglichkeit zur Kurskorrektur wäre ein höherer Leitzins. Naoki Kamiyama, Chefstratege des japanischen Vermögensverwalters Nikko Asset Management, sagte: „Die Bemühungen der BoJ, die höheren Importkosten in den Griff zu bekommen, könnten die nächste Zinserhöhung beschleunigen.“

Der Fall des Yens stellt Japan vor ein Dilemma

Damit steigen die Wetten am Markt, dass Japans Notenbank bereits auf ihrer Sitzung im Juli ein zweites Mal die Zinsen anheben könnte. Denn der starke Fall des Yens stellt die Regierung wie auch die BoJ vor ein Dilemma. Auf der einen Seite wollen sie die Zinswende nach vielen Jahren der Nullzinspolitik langsam einleiten, um die Wirtschaft nicht zu schocken und eine moderate Inflation zu erreichen.

Auf der anderen Seite droht der fortgesetzte Fall des Yens, die Preise zu sehr in die Höhe zu treiben. „Vorbei sind die Zeiten, in denen der schwache Yen begrüßt wurde“, urteilt Nikkos Chefstratege Kamiyama.

Zwar hat der lange Zeit niedrige Wert die Aktienkurse vieler japanischer Unternehmen auf Rekordniveau angehoben, weil ein schwächerer Yen bei der Umrechnung die Auslandsgewinne japanischer Exportkonzerne aufbläht. Aber die Politik konzentriere sich zunehmend auf die Nachteile des Wertverfalls für nicht exportorientierte Unternehmen, die immer mehr für Bauteile und Rohstoffe aus dem Ausland zahlen müssten, so Kamiyama.

Die Wetten auf eine weitere Yen-Schwäche steigen

Inzwischen korrigieren viele Analysten ihre Yen-Prognosen weiter nach unten. Beispielsweise hat Shusuke Yamada von der Bank of America in Tokio seine Prognose für das Jahresende von 142 auf 155 Yen angehoben. Zwischenzeitlich könnte der Yen seines Erachtens sogar auf 160 Yen zum Dollar abrutschen. Denn die starken Konjunkturdaten in den USA dämpfen die Erwartungen, dass die US-Notenbank die Zinsen senkt.

Yamada rechnet daher damit, dass sich der Kapitalfluss aus Japan und damit die Yen-Schwäche fortsetzen werden. „Es gibt keine Zeichen, dass die direkten Investitionen japanischer Unternehmen im Ausland nachlassen“, so der Analyst. Denn während in Japan die Bevölkerung immer stärker schrumpft, suchen viele Unternehmen im Ausland nach Wachstum.

In den vergangenen zwölf Monaten hätten die Unternehmen 25,4 Billionen Yen (155 Milliarden Euro) im Ausland investiert, während die Investitionen ausländischer Firmen in Japan nur 1,3 Billionen Yen (7,9 Milliarden Euro) ausmachten. Das bedeutet, dass in der Zeit mehr als 24 Billionen Yen (148 Milliarden Euro) aus Japan abgeflossen sind.

Zusätzlich nutzen nun auch japanische Privatpersonen höhere Steuerfreibeträge auf Aktienanlagen, um sich im Ausland einzukaufen – unter anderem in der Hoffnung auf Wechselkursgewinne durch einen fallenden Yen. Diese Yen-Verkäufe drücken daher die Landeswährung weiter.

Erstpublikation: 16.04.2024, 12:30 Uhr.

2024-04-17T14:00:53Z dg43tfdfdgfd