„DIE KORVETTENFAHRER BRAUCHEN DIESE NEUEN EINHEITEN DRINGEND“

Marineinspekteur Jan Christian Kaack geht davon aus, dass Russlands Streitkräfte binnen fünf Jahren wieder erstarken – auch die Baltische Flotte in der Ostsee. Bei der Taufe der Korvette „Karlsruhe“ fordert er schnelle Entscheidungen für zusätzliche Kampfschiffe.

Es seien „glückliche Tage für einen Inspekteur“, sagt Vizeadmiral Jan Christian Kaack, der Inspekteur der Deutschen Marine, bei strahlendem Sonnenschein am Dienstagmittag auf der Werft Blohm+Voss in Hamburg. Am Sonntag war die Fregatte „Hessen“ nach einem hochgefährlichen Einsatz zum Schutz von Handelsschiffen vor Angriffen der Huthi-Rebellen wohlbehalten aus dem Roten Meer nach Wilhelmshaven zurückgekehrt. Am Dienstagmorgen hat Kaack den Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ in Wilhelmshaven als Teil eines deutschen Flottenverbandes zu einer Fahrt in den Indopazifik verabschiedet. Vom spanischen Rota aus wird die Fregatte „Baden-Württemberg“ dazustoßen, die ebenfalls am Dienstag auslief. Und kurz nach Kaacks Rede in Hamburg tauft die Erste Bürgermeisterin von Karls ruhe, Gabriele Luczak-Schwarz, die neue, 89 Meter lange Korvette mit der Kennung F267 auf den Namen „Karlsruhe“.

Die Marine hat viel zu tun, erst recht, seit nach Russlands Überfall auf die Ukraine Ende Februar 2022 auch in Europa wieder Krieg herrscht. Doch obwohl eine Reihe von Großaufträgen laufen, haben die deutschen Seestreitkräfte viel zu wenig Schiffe, sagt Kaack: „Das Korvettengeschwader in Rostock-Warnemünde zählt die Tage, bis die ,Karlsruhe’ zum ersten Mal in Hohe Düne festmacht. Die Korvettenfahrer brauchen diese neuen Einheiten dringend.“

Die Deutsche Marine hat von der Aufrüstung der Bundeswehr, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Februar 2022 „Zeitenwende“ nannte, bislang nicht nennenswert profitiert – anders als das Heer und die Luftwaffe. Die „Karlsruhe“ ist die dritte Korvette einer zweiten Kleinserie – des sogenannten „zweiten Loses“ – von fünf Booten. Ausgelöst worden war der Auftrag lange vor dem Beginn des Ukrainekrieges.

Das gilt auch für den Bau von vier Fregatten des Typs F126, der im vergangenen Jahr begonnen hat, und ebenso für die Fertigung von sechs U-Booten des Typs 212CD – vier für die Norwegische, zwei für die Deutsche Marine –, die im September gestartet worden war. Auch die Ersatzbedarfe für zwei neue Marinetanker und drei „Flottendienstboote“ – Spionageschiffe mit hochkomplexen Abhöranlagen – die bereits im Bau sind oder deren Produktion dieses Jahr startet, gehen auf die Zeit vor dem Krieg zurück.

Ein deutliches Signal an die Deutsche Marine wäre es, wenn der Bund eine Option für den Bau zweier weiterer Fregatten F126 zöge. Generalunternehmer für die Fregatten, die jeweils etwa 1,3 Milliarden Euro kosten, ist das niederländische Unternehmen Damen Naval. Gebaut werden die Fregatten auf verschiedenen deutschen Marinewerften, die Endmontage findet bei Blohm+Voss statt. Die letzte Hamburger Großwerft gehört zum Bremer Unternehmen Naval Vessels Lürssen (NVL). „Ich halte es für realistisch, dass der Bund die Option für zwei weitere F126 zieht“, sagte Kaack der WELT, „denn jetzt bekämen wir sie noch zu einem Preis, den wir selbst in der Hand haben. Auch angesichts der allgemeinen Kostensteigerungen in den vergangenen Jahren wiegt dieses Argument schwer.“

Rein militärisch geht es darum, die Kampfkraft der Deutschen Marine weiter zu erhöhen, besonders in der Ostsee, der Nordsee und im Nordatlantik. Haupt-Einsatzgebiet der deutschen Korvetten ist die Ostsee. „Wir rechnen damit, dass sich die russischen Streitkräfte innerhalb von fünf Jahren von den bisherigen Folgen des Ukrainekrieges erholen. Auch die Baltische Flotte, der die Seestreitkräfte der Nato in der Ostsee gegenüberstehen, wird nicht wesentlich geschwächt aus diesem Krieg hervorgehen“, sagte Kaack. „Die Zeitenwende ist disruptiv, sie erfordert sofortiges Handeln. Uns fehlt einfach die Zeit.“

Erhebliche Verzögerungen hatte es – wie bei vielen großen Beschaffungsprojekten der Bundeswehr – auch bei der Ablieferung der neuen Korvetten an die Deutsche Marine gegeben. Hauptgrund dafür war, dass die digitalen Sicherheitssysteme der Kriegsschiffe nach dem Beginn des Ukrainekrieges aufwendig nachgerüstet werden mussten. „Wir sind zuversichtlich, dass wir bis Ende 2026 alle fünf K130 des zweiten Loses fertig ausgerüstet abgeliefert haben“, sagte NVL-Geschäftsführer Tim Wagner. NVL baut die Korvetten gemeinsam mit ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und German Naval Yards in Wolgast und Kiel. Endmontage, Ausrüstung und Erprobungsfahrten laufen bei Blohm+Voss in Hamburg und von dort aus.

Das nächste Großprogramm für die Deutsche Marine ist der Bau der nächsten Fregattengeneration F127. Nach der Vergabe des Generalauftrages für die F126 an Damen Naval hatte die deutsche Marinerüstungsbranche beim Bund erheblichen Druck aufgebaut. Die damalige Bundesregierung aus CDU und SPD erklärte daraufhin auch Überwasser-Marineschiffe – so wie generell auch U-Boote aus deutscher Fertigung – zur „Schlüsseltechnologie“. Dies verringert die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass ein solcher Großauftrag abermals ins Ausland vergeben wird. „Die Vergabeart für die F127 ist vom Deutschen Bundestag noch nicht bestätigt“, sagte Wagner. „Ich gehe aber von einer deutschen Vergabe aus.“

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