DIE WUT DER KLEINAKTIONäRE UND EINE KAMPFANSAGE VON SERGIO ERMOTTI IN RICHTUNG BERN: AN DER GENERALVERSAMMLUNG DER UBS ENTLäDT SICH SO EINIGES

Mehr als ein halbes Dutzend Sicherheitsleute postierten sich am Mittwochmorgen rund um die Rednertribüne in der Basler St.-Jakobs-Halle. Einer von ihnen ist mit einem schwarzen Schirm ausgerüstet, um allfällige Wurfgegenstände aus dem Publikum abzufangen. Die 1538 Kleinaktionäre im Saal sind zwar grösstenteils im Rentenalter. Doch an der Generalversammlung einer Grossbank wie der UBS ist alles möglich. Gerade in Zeiten wie diesen.

Nicht schützen können die Sicherheitskräfte die UBS-Führung vor den Voten der Kleinaktionäre. Es ist das erste Mal seit dem rechtlichen Vollzug der CS-Übernahme im Juni 2023, dass die UBS-Führung vor die Aktionäre tritt. Wenn man die Wortmeldungen als Gradmesser für den Ruf der UBS in der Bevölkerung gegenüber der Bank nimmt, lässt sich sagen: angeschlagen. Sollte die UBS in der breiten Bevölkerung nach der Rettung der CS im März 2023 einen Sympathiebonus gehabt haben, ist davon in der St.-Jakobs-Halle nicht mehr viel zu spüren.

14 Milliarden oder 14 Millionen Franken?

Der UBS-Chef Sergio Ermotti, der an diesem Tag vorne in der Mitte sitzt, nimmt die während Stunden andauernde Kritik an seinem Lohn weitgehend regungslos hin. Während ihn Kleinaktionäre wahlweise als «Abzocker» oder «verantwortungslosen Manager» bezeichnen, bleibt sein Blick nach unten auf das Pult gerichtet. Er scheint zu lesen. Als ein Aktionär von «14 Milliarden» statt 14 Millionen Franken Lohn für das Jahr 2023 spricht, muss er doch lächeln.

Die Voten der Kleinaktionäre kommen teils amüsant, teils wirr, teils emotional daher. Ein Mann mit alter SKA-Kappe erzählt ausführlich, wo er Englisch gelernt hat, bevor er auf das Thema des Tages zu sprechen kommt: den Lohn. Dann beginnt er, Wasser aus einer Flasche auf den Boden zu leeren, um ein Argument zu unterstreichen. Die Sicherheitsleute werden erstmals nervös.

Ein anderer Kleinaktionär singt ein Lied. Nur wenige Male verliert Colm Kelleher die Geduld. «Do you have a question?», unterbricht der Verwaltungsratspräsident der UBS einige Redner, die die fünfminütige Redebeschränkung überschreiten.

Klimaaktivisten von Greenpeace und anderen Organisationen, die schon beim Eingang der Halle protestierten, nutzen den Anlass, um von der UBS zum wiederholten Mal den Ausstieg aus Geschäften mit fossilem Energiebezug zu fordern. Der Juso-Präsident Nicola Siegrist, der offensichtlich auch UBS-Aktionär ist, erklärt am Rednerpult: «Ich habe keine Fragen. Die Antworten sind sowieso Management Speech.» Und überhaupt: Dass die Kleinaktionäre im Saal der UBS-Führung wichtig seien, sei «absoluter Bullshit». Der Saal quittiert seine Rede mit Applaus.

Verärgerte CS-Aktionäre, die im März 2023 viel Geld verloren haben, melden sich erstaunlich wenige zu Wort. Einer von ihnen ist ein älterer Herr mit Anzug, langen Haaren und Stirnband, ein geübter GV-Gänger. Er meint: «Ich als Schweizer und CS-Investor fühle mich schon etwas beschissen.» Schliesslich habe die Credit Suisse im März 2023 nur einen Engpass gehabt – daher sei es auch so einfach gewesen, die Lage der Bank im Nachgang zu stabilisieren.

Es sind Momente wie diese, die offenbaren, wo der UBS-Führung der Schuh wirklich drückt.

Die Kritik an der Vergütung nimmt Kelleher stoisch hin und belässt es bei dem Hinweis, dass man nie so viel bezahlen werde wie die amerikanischen Banken. Konsequent korrigiert der Ire aber alle Rednerinnen und Redner, sobald sie die UBS als «too big to fail» oder als Bank mit impliziter Staatsgarantie bezeichnen. Das sei schlichtweg falsch.

Kelleher: «Wir sind ernsthaft besorgt»

Die Zurechtweisungen haben einen Grund: Der Bundesrat hat am 10. April in seinem Bericht zur Grossbankenregulierung eine «substanzielle Erhöhung» der Eigenkapitalauflagen für die UBS in Aussicht gestellt. Die UBS hat am Tag der Veröffentlichung nicht auf die Vorschläge der Landesregierung reagiert. In den Eröffnungsreden Kellehers und Ermottis in Basel zwei Wochen später wird aber klar: Die UBS stellt sich auf einen langen politischen Kampf ein.

Beide wissen: Wenn die Politik zu dem Schluss kommt, dass die UBS über eine implizite Staatsgarantie verfügt – also bei einer Krise in jedem Fall vom Staat gerettet würde –, dann wird die UBS vermutlich einen hohen Preis in Form von mehr Eigenkapital bezahlen müssen.

Kelleher sagt am Mittwoch den Aktionären im Saal, die UBS unterstütze viele der Vorschläge des Bundesrates. Aber: «Wir sind ernsthaft besorgt über einige der Diskussionen im Zusammenhang mit zusätzlichen Kapitalanforderungen. Zusätzliches Kapital ist das falsche Mittel.» Zu wenig Eigenmittel seien nicht der Grund gewesen, der den Untergang der Credit Suisse herbeigeführt habe, sondern ein fehlerhaftes Geschäftsmodell. Es sind bekannte Argumente, die Kelleher nun aber mit mehr Dringlichkeit vorträgt.

Auch Ermotti betont, es sei faktisch unzutreffend, dass die UBS über eine implizite Staatsgarantie verfüge. Das lasse sich nur schon daran erkennen, dass die UBS um 2,5 Prozentpunkte höhere Finanzierungskosten habe als der Bund. Selbst die Rating-Agenturen würden der Bank keine Staatsgarantie attestieren. «Deshalb sind die Ratings, die UBS von Bewertungsagenturen erhält, tiefer als diejenigen von Banken, die eine implizite oder explizite Staatsgarantie geniessen.»

An der Generalversammlung bricht an diesem Mittwoch also nicht nur die Wut der Kleinaktionäre über hohe Bankerlöhne auf, sondern auch der Widerstand der UBS gegen schärfere Eigenkapitalauflagen.

Unter den Kleinaktionären ist letzteres aber kaum ein Thema. Sie sind gekommen, um ihrem Ärger über die Bankerboni Luft zu verschaffen. Mehr als ein Denkzettel in Form von 16 Prozent Nein-Stimmen bei der Abstimmung über den Vergütungsbericht bleibt von den wütenden Voten am Ende nicht übrig.

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