DOPPELKRISE IM FAHRRADMARKT

Der Versuch, ein bestimmtes Fahrrad zu bestellen, kann zu ernüchternden Erkenntnissen führen. Wochenlange Lieferzeit oder für diese Saison schon ausverkauft, ist oft die Antwort des Händlers. Andererseits schreckt der große amerikanische Hersteller Specialized mit einer Nachricht auf: Von sofort an werden Teile des Sortiments kräftig rabattiert, auf diverse Räder beträgt der Nachlass bis zu 50 Prozent, Ausrüstung wird bis zu 65 Prozent günstiger verkauft als bisher.

Im Markt prallen zwei Wellen aufeinander, beide offenbar eine Spätfolge der Corona-Pandemie, in der Lieferketten, Angebot und Nachfrage durcheinandergeraten sind. Als Reisen eingeschränkt waren, kaufte die Kundschaft die Fahrradhändler leer. Die orderten, was sie bekommen konnten. Die Lieferungen, zumeist aus Asien, aus China und Taiwan im Speziellen, kamen aber mit erheblicher Verspätung hierzulande an. Nun scheint die Nachfrage gesättigt, oftmals sind Lager voll, und die steigenden Zinsen drücken auf die Kalkulation. Specialized gibt das unumwunden zu, der Abverkauf geschehe, „um gemeinsam mit den Partnern den Durchverkauf von Ware anzukurbeln“. Freilich gilt die Aktion insbesondere für Räder aus dem Bestand und dort für Modelle, die nach Angaben aus dem Handel ohnehin nicht besonders gut laufen. Betroffen sind etwa das Mountainbike Epic Pro LTD, das für 4500 Euro statt für 9000 Euro angeboten wird, das Turbo E-Bike Tero X 4.0, das von 4200 Euro auf 2100 Euro rabattiert ist, oder das Road Bike Aethos Pro, dessen Preis von 8000 Euro auf 6000 Euro reduziert wird. „Was ich wirklich von Specialized bräuchte, wären die Modelle Levo oder Vado, aber die sind nicht lieferbar. Ich weiß derzeit gar nicht, was ich verkaufen soll“, moniert ein Händler. Bestellungen bestimmter Räder müssten mittlerweile drei Jahre im Voraus getätigt werden, eingeübte Verfahren seien pulverisiert.

Mehrere Zehntausend Räder auf Lager

Der Branchendienst PDF spricht davon, in der Fahrradbranche werde der Spruch herumgereicht, „unser Corona kommt jetzt“. Manches Unternehmen habe die während der Pandemie erreichten Wachstumsraten von 30 bis 40 Prozent fortgeschrieben. Risikokapitalgeber seien eingestiegen und forderten Rendite, die nicht zu erreichen sei. Mit der Insolvenz der Signa-Holding seien Absatzkanäle weggefallen. Es sei von Herstellern in Deutschland die Rede, die mehrere Zehntausend Räder auf Lager und aufgrund der Finanzierungskosten große Sorgen hätten. Der Zuliefermarkt aus China sei durch Firmenübergänge oder Werksschließungen beeinträchtigt.

Gleichwohl kann ein bestimmtes Modell lange Lieferzeit haben. Wer ein Rennrad bei dem Bocholter Familienunternehmen Rose ordert, muss darauf 11 Wochen warten. Es kann eben sein, dass ein Bauteil fehlt, denn „die Herstellung von Komponenten findet zum großen Teil in Asien statt. Die Abhängigkeit der ganzen Fahrradbranche ist enorm hoch“, wie Geschäftsführer Thorsten Heckrath-Rose mahnt. Rose-Bikes unternehme einige Anstrengung, um eine Veränderung herbeizuführen, soll heißen, Produktion nach Deutschland und Europa zurückzuholen.

Derweil läuft der Bereich des Dienstfahrradleasings über den Arbeitgeber offenbar noch gut, allerdings wird der Kuchen mit harten Bandagen verteilt. Das ruft das Unternehmen ­Bikeleasing auf den Plan, das neben dem Marktführer Jobrad zu den Großen der Branche zählt. Bikeleasing nimmt 10 Millionen Euro in die Hand, um Händler zu Neuabschlüssen zu animieren. Je vermitteltem Kunden, der mindestens drei Fahrräder abnimmt, erhält der Händler 1000 Euro Bonus. Die Aktion gilt zunächst bis Jahresende, sie sei „nicht dem angespannten Marktumfeld geschuldet, sondern als Belohnung für aktive Händler gedacht“, sagt Geschäftsführer Bastian Krause.

Der Branchendienst PDF wundert sich über gar nichts mehr. In der Tat sei die Praxis, dass im Herbst auf der Messe die Ware für das kommende Frühjahr geordert werde, außer Kraft gesetzt. Bestellungen müssten bei einzelnen Marken viel früher getätigt werden. Wer sich verkalkuliere, sitze dann auf teurem Bestand.

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