EU-KOLUMNE: DESHALB MUSS URSULA VON DER LEYEN UM DIE MACHT KäMPFEN

Bekommt Ursula von der Leyen doch keine zweite Amtszeit? Die Gerüchte zeigen, dass sie manchen Regierungschef noch überzeugen muss.

Im Europawahlkampf beginnt die heiße Phase. Das zeigt sich daran, dass Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei (EVP), von allen Seiten angegangen wird. Erst rebellierten ihre eigenen Kommissare und brachten ihren Mittelstandsbeauftragten Markus Pieper zu Fall. Jetzt wird sogar über eine Alternative zu von der Leyen selbst spekuliert.

Dem Finanznachrichtendienst Bloomberg zufolge soll Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei anderen Regierungschefs ausgelotet haben, was sie vom ehemaligen Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, an der Spitze der Kommission hielten. Ausgerechnet Macron, der von der Leyen vor fünf Jahren überraschend ins Amt gehievt hatte, wird nun abtrünnig?

Das Onlineportal „Politico“ spielte sogleich eine ganze Reihe möglicher Ersatzkandidaten durch, darunter den rumänischen Präsidenten Klaus Johannis, den kroatischen Premier Andrej Plenkovic und die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola.

Das Geraune belegt, dass die CDU-Politikerin aus Niedersachsen ihre zweite Amtszeit nicht sicher hat. Ihr Kampf um die Macht beginnt sogar erst richtig, wenn alle Wahllokale am 9. Juni geschlossen sind.

Dann steht die Sitzverteilung im Europaparlament fest, und sie kann anfangen, eine Mehrheit zu suchen. Auch den 27 Regierungschefs wird sie noch das eine oder andere versprechen müssen, um sich deren Unterstützung zu sichern.

Ursula von der Leyen bleibt klare Favoritin

Allerdings bleibt von der Leyen die klare Favoritin. Vor allem zwei Faktoren sprechen für sie: Erstens wird ihre Partei die Europawahl den Umfragen zufolge klar gewinnen. Das würde den Anspruch der EVP-Spitzenkandidatin auf eine zweite Amtszeit unterstreichen.

Zweitens steht die Bundesregierung hinter der Kommissionschefin. Jemanden anders an der Kommissionsspitze zu installieren dürfte gegen Widerstand aus Deutschland schwer werden.

Von der Leyen hat sich im Rat zudem gezielt weitere einflussreiche Verbündete geschaffen. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, deren wichtigstes Anliegen die Migration ist, durfte zuletzt auf jede Reise mit, bei der neue Migrationsabkommen mit Mittelmeeranrainern vereinbart wurden.

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk darf sich über Fördermilliarden freuen, die Brüssel unter seinem Vorgänger zurückgehalten hatte, nun aber wieder freigab. Und auch Macron kann sich eigentlich nicht beklagen. Unter von der Leyen ist die EU sehr viel französischer geworden: mehr Staatsinterventionen, mehr Industriepolitik, mehr Protektionismus.

Die Draghi-Personalie ist daher wenig plausibel. Die Gedankenspiele dienen offenbar vor allem einem Zweck: Von der Leyen daran zu erinnern, dass sie eine Angestellte der Regierungschefs ist, deren Anweisungen sie auszuführen hat.

Nicht nur in Paris gibt es die Sorge, dass die Kommissionschefin zu eigenständig und zu mächtig geworden ist. Macron hat in seiner Rede an der Pariser Elite-Universität Sorbonne am Donnerstag jedenfalls schon eine lange Wunschliste für die kommende Legislaturperiode vorgelegt. Die Kommissionschefin wird sie genau studieren.

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