GASTBEITRAG VON GABOR STEINGART - WEIL CHINA DEN GOLDMARKT LEER KAUFT, BEGINNT GERADE EIN NEUER GOLDRAUSCH

Der Goldpreis erreicht Rekorde trotz steigender Zinsen. Tiefgreifende Veränderungen, vor allem aus China, treiben die Nachfrage. Anleger können das jetzt nutzen.

in der Theorie ist alles klar: Gold ist die einzige Wertanlage ohne Zins. Man besitzt den Barren Gold oder man besitzt ihn nicht. Aber niemand zahlt auf diesen Besitz einen Zinsaufschlag.

Sobald diese zinslose Wertanlage in Konkurrenz tritt mit anderen hoch verzinsten Produkten, der Anleihe, der Aktie (Dividende) und dem Festgeldkonto, kann das Gold nur verlieren. Der Goldpreis fällt, wenn die Zentralbank-Zinsen steigen. Das besagt die sogenannte Kapitalmarkttheorie.

Von der Theorie zur Praxis: Diese Theorie wird in der Wirklichkeit dieser Tage widerlegt. Die Zinsen der amerikanischen Zentralbank wurden seit 2022 elfmal angehoben und sind auf dem höchsten Niveau seit über 20 Jahren und der Goldpreis geht dennoch durch die Decke.

Goldrausch: Seit 2019 stieg der Goldpreis in US-Dollar um 77 Prozent und liegt heute bei 2.330 US-Dollar pro Feinunze. Einige ziehen Parallelen zum historischen Goldrausch in Alaska Ende des 19. Jahrhunderts.

Die niederländische Bank ABN Amro erwartete Ende 2021, dass angesichts des Zinsanstiegs der Goldpreis Ende 2023 bei 1.300 US-Dollar liegen würde. Ende 2022 lag der Goldpreis bei 1.870 US-Dollar, Ende 2023 waren es 2.050 US-Dollar.

Diese Entkopplung von Zins- und Goldpreis hat politische Gründe, die in keiner Theorie je reflektiert wurden.

 

1. Nachfrage der Schwellenländer

Es sind vor allem die Zentralbanken, die derzeit im großen Stil ihre Goldbestände aufstocken. Im Jahr 2022 summierten sich die Käufe der Zentralbanken auf 1.081 Tonnen, 2023 waren es 1.037 Tonnen.

Länder wie Singapur, Indien oder Libyen stocken ihre Goldreserven auf, um sich gegen ökonomische und geopolitische Entwicklungen zu wappnen.

In Europa stechen Polen und Tschechien mit starken Goldkäufen hervor. Hier spiegelt sich die Verunsicherung gegenüber dem militärischen Aggressor Russland wider.

Grafik: Der internationale Goldrausch. Jährliche Goldkäufe und -verkäufe ausgewählter Länder 2023, in Tonnen

 

2. China entzieht sich den USA

China erhöhte im vergangenen Jahr den Goldanteil seiner Zentralbankreserven auf etwa vier Prozent. Gold wird von Peking als geostrategisches Sicherheitsinvestment genutzt. Man strebt danach, die Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten und damit auch von der amerikanischen Staatsanleihe zu minimieren, die bisher die bevorzugte Geldanlage der chinesischen Notenbank war.

Das Einfrieren der russischen Devisenreserven und der geplante Transfer der Zinsen aus diesen Devisen an die Ukraine haben dazu geführt, dass die Notenbank in China für ihre Devisenreserven Gold amerikanischen Staatsanleihen (wie in der Vergangenheit üblich) vorzieht. Derzeit hält die Volksrepublik China amerikanische Staatsanleihen im Wert von 775 Milliarden US-Dollar – Tendenz sinkend – und 161 Milliarden US-Dollar in Gold – Tendenz steigend.

Grafik: China: Goldbestände hoch, US-Staatsanleihen runter. Chinas Goldreserven im Vergleich zu Chinas US-Staatsanleihen, in Milliarden US-Dollar

 

3. Noch nie war es so einfach

Doch es sind nicht nur Zentralbanken, die in Gold investieren. Auch Privatanleger schätzen das Edelmetall. Und für die wird es immer leichter, in Gold zu investieren. So bietet der US-Einzelhändler Costco etwa seit August 2023 Goldbarren in seinem Onlineshop an. Es ist eine ungewöhnliche, aber bezeichnende Bewegung, die zeigt, dass Gold nicht nur bei traditionellen Investoren, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit Anklang findet.

Doch man muss nicht in einen Onlineshop gehen, um Gold mit einem Klick zu kaufen. Auch über Gold-ETFs können Anleger das Edelmetall einfach erwerben. Das Anlegerportal justETF listet allein zwanzig Gold-ETFs auf, die deutsche Anleger handeln können.

4. USA: Die Goldparty beginnt erst jetzt

Während die zweitgrößte Volkswirtschaft, China, verstanden hat, sich zu diversifizieren, scheinen die USA noch müde vom Goldrausch im 19. Jahrhundert. In den Staaten setzt man lieber auf KI und die Magnificent 7 – Nvidia, Apple, Meta, Alphabet, Microsoft, Amazon und Tesla – als auf das Edelmetall. So sind die Goldbestände der US-Gold-ETFs in etwa auf den Stand von 2020 gesunken, obwohl der Preis des Edelmetalls durch die Decke gegangen ist.

Grafik: Gold-ETFs: Auf Niveau von 2020. Anteil von Gold an US-Gold-ETFs (in Millionen Unzen, linke Achse) im Vergleich zum Goldpreis pro Unze, in US-Dollar.

 

Dabei spielt der Handel an der New Yorker Terminbörse Comex eine entscheidende Rolle für den steigenden Goldpreis. Und hier vollzieht sich gerade die Wachablöse: Analysten beobachten, dass es vermutlich zu einem Aufbau von sogenannten Long-Positionen gekommen ist – Wetten auf steigende Preise –, während Short-Positionen, also Wetten auf fallende Preise, abgenommen haben. Diese Entwicklung reflektiert eine zunehmende Marktzuversicht in den Wert von Gold.

Weiterhin zeigen Daten der Commodity Futures Trading Commission (CFTC), dass Geldverwalter ihre Long-Positionen im März um 35 Prozent im Vergleich zum Vormonat gesteigert haben. Diese signifikante Zunahme der optimistischen Marktstimmung trägt dazu bei, den Goldpreis auf hohem Niveau zu stabilisieren.

5. Optimistischer Ausblick

Tatsächlich liegen die inflationsbereinigten Preise für Gold noch immer deutlich unter ihren historischen Spitzenwerten. Und in diversifizierten Portfolios ist das Edelmetall mit weniger als fünf Prozent vertreten.

Historisch betrachtet führen sinkende Zinsen bei Gold zu einem Preisanstieg von rund zehn Prozent. Addiert man die geopolitischen Risiken hinzu, sind Kursziele von 2.700 US-Dollar je Unze, so wie sie Goldman Sachs derzeit ausruft, plausibel. Das entspricht einem weiteren Kurspotenzial von 17 Prozent.

Hinzu kommt, dass in Amerika der Goldboom bislang noch keine große Beachtung fand. Die amerikanischen Anleger sind erst jetzt dabei, in diese Entwicklung einzusteigen.

Ronald-Peter Stöferle von der Investmentbank Incrementum AG kommentiert auf LinkedIn: “Seems that we are still lightyears away from bubble territory. The bullmarket is just getting started!“

Fazit: Eine Weltwirtschaft unter Stress produziert auch Gewinner – das Gold im Allgemeinen und die Deutsche Bundesbank im Besonderen gehören dazu. Zum Ende letzten Jahres lag der Wert des Bundesbank-Goldes von etwa 3.360 Tonnen bei rund 201 Milliarden Euro. Das ist fast das Achtfache dessen, was für das Haushaltsjahr 2025 noch fehlt. Die chronisch klammen Parteien der Ampel, man ahnt es schon, könnten bald sinnlich werden.

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