GRESSEL ZUM US-UKRAINE-PAKET: EIN TRUMP-WUTANFALL AUF PUTIN UND DIE UKRAINE KANN GEWINNEN

Ein großes Militärpaket zu verabschieden, ist das eine - doch die Umsetzung, kostet zumeist viel Zeit. Warum es bei der US-Hilfe so schnell gehen wird und die Ukraine in Trumps Unberechenbarkeit auch eine Chance sieht, erklärt Sicherheitsexperte Gressel ntv.de.

Gustav Gressel: Das Weiße Haus hat den Ukrainern trotz der Querelen im Kongress seit November gesagt: Das dauert nicht mehr lang, in zwei Wochen ist das durch und dann liefern wir. Deshalb hat die US-Armee diese Lieferungen natürlich entsprechend vorbereitet, auch wenn das politische Go dann über Monate nicht kam. Das Militär hat also mitgedacht, dadurch sind tatsächlich Teile dieser Lieferung bereits in Deutschland und Polen stationiert. Auf los geht's los.

Man rechnet damit, dass die ersten Raketen 2030 ausgeliefert werden können.

Ich sage zwar immer, es wird ein langer Krieg für die Ukraine, aber 2030 könnte sogar für diesen Krieg zu spät sein. Zunächst muss die Fabrik gebaut werden, dann der Herstellungsprozess anlaufen und dann haben Fliegerabwehrraketen einen Produktionszyklus von etwa zwei Jahren pro Stück. Artilleriegranaten - zum Vergleich - haben einen Zyklus von nur sechs bis neun Monaten. Sie sind sozusagen die dümmste Klasse an Munition und entsprechend schneller herzustellen.

Ja, weil sie nun die notwendige Sicherheit haben, dass der Nachschub kommt. Bisher wussten die Ukrainer ja nie, wie lange sie mit den vorhandenen Beständen haushalten müssen - auch, weil sich die europäischen Lieferungen ebenso verzögert haben. Die EU hatte bis März, also bis letzten Monat, 200.000 weitere Artilleriegranaten versprochen. Davon kam nur die Hälfte in der Ukraine an. Im April dann nochmal 50.000. Das ist deutlich zu wenig und weit hinter dem, was wir in der Lieferplanung vorgesehen hatten.

Wir sind jetzt bei 180.000 Schuss, beginnend ab Juni. Das hat die ukrainischen Streitkräfte enorm unsicher gemacht - die USA fielen als Unterstützer komplett aus und die Europäer hinken dem, was sie versprechen, um Monate hinterher. Damit an der Front umzugehen, ist sehr schwierig.

"Für Putin gibt es keine roten Linien"

Der schnellste Weg zur Beschaffung ist der, Firmen, die derzeit dabei sind, für einen Exportauftrag Munition zu produzieren, aus ihrem Liefervertrag herauszukaufen. Das Rüstungsunternehmen soll also den jeweiligen Exportauftrag Exportauftrag sein lassen und die hergestellten Granaten sofort in die Ukraine liefern. Dann wird allerdings gegenüber dem Vertragspartner eine Konventionalstrafe fällig. Also muss man nicht nur den Preis für die Munition zahlen, sondern dazu die Strafe an den ursprünglichen Endkunden. Dadurch steigt natürlich der Preis pro Granate deutlich. Aber so läuft es eben, wenn ein Produkt zeitkritisch ist. Wie 2020 bei den Masken.

Nein, tatsächlich finanziert wurden nur Ankäufe von Munitionsproduzenten aus Nicht-EU-Staaten. Das Problem ist: Im Westen, und da nehme ich die USA nicht aus, wird sehr viel für die Meldung getan. Es soll alles gut ausschauen, wir wollen führend sein, kündigen vieles an, aber in der Umsetzung gibt es extrem viel schlechte Planung. Die Staaten informieren sich nicht gegenseitig, was sie vorhaben. Sie teilen sich nicht mit, was sie liefern. Die Folge: Man konkurriert bei denselben Herstellern im Ausland um dieselben Produkte und treibt sich gegenseitig die Preise in die Höhe.

Eine Lehre dieser ganzen Frühjahrs-Kampagne ist: Wir können die USA nicht ersetzen, sondern wir können sie höchstens ergänzen. Nach dem Ausgang der Wahlen im November wird sich entscheiden, ob der Krieg für die Ukraine verloren geht oder nicht. Keiner weiß derzeit wirklich, was Trump vorhat und was er nach einem Wahlsieg tun würde. Wenn er im richtigen Moment einen Wutanfall auf Putin hat, kann die Ukraine auch gewinnen.

Patriot wird das wichtigste Fliegerabwehrmittel bleiben, das die Ukraine hat. Die EU müsste versuchen, aus Japan weitere Patriot-Systeme zu kaufen und dazu mit den amerikanischen Munitionsherstellern Verträge abschließen. Aus denen kann sich Trump schwer rausreden, denn das sind ja Aufträge für die US-Wirtschaft. Das zweite wichtige Thema sind Schützenpanzer. Da steht in Europa kaum noch etwas zur Verfügung, man sollte versuchen, den Amerikanern Bradleys abzukaufen. Bei Kampfflugzeugen müssten die Europäer sich vermutlich auf eine Unterstützung mit Eurofightern einigen. Bei anderen Typen wüsste ich nicht, wie man die notwendigen Stückzahlen zusammenbekommt. Übrigens: Ukrainische Sicherheitskreise sind überhaupt nicht auf diesem "Mit Trump geht alles unter"-Trip. Die US-Wahlen sehen viele dort eher gelassen.

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