HDI GLOBAL: EXTREMRISIKEN: DIESER VERSICHERER HäLT RUF NACH STAAT FüR FALSCH

Versicherer müssen sich verändern, um Unternehmen künftig den nötigen Schutz bieten zu können, fordert HDI-Global-Chef Edgar Puls. Den Staat um Hilfe zu bitten, hält er für falsch.

Immer höhere Schäden aus Naturkatastrophen, zunehmende Bedrohungen durch Cyberattacken und die grüne Transformation stellen die deutsche Wirtschaft vor eine enorme Herausforderung. Das gilt auch für die Versicherer, die über ihre Lobby bereits nach staatlicher Hilfe rufen, weil die Absicherung der Risiken die Branche allein überfordern würde. Edgar Puls, Chef des Industrieversicherers HDI Global und Vorstandsmitglied im Talanx-Konzern, hält das für falsch.

„Wir sollten für viele Risiken an einer bestmöglichen privatwirtschaftlichen Absicherung arbeiten“, betont der Manager im Gespräch mit dem Handelsblatt. Staatliche Hilfe bei Großschäden aus Naturkatastrophen oder Cybergefahren klinge erst einmal nach einer einfachen Lösung. Der Staat könne aber nicht unendlich Geld bereitstellen.

Das sehen der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und der Rückversicherer Munich Re etwas anders. Sie fordern von der Politik immer wieder öffentlich-private Partnerschaften, um besser mit Extremereignissen, die die Versicherer finanziell nicht allein tragen könnten, umgehen zu können.

Puls setzt dagegen auf die Zusammenarbeit von Unternehmen und Versicherern. Der Industrieversicherer HDI Global ist Teil des im MDax notierten Versicherungskonzerns Talanx, der auch die Mehrheit am Rückversicherer Hannover Rück hält.

Die Kritik von Unternehmen, die Versicherer würden sie zu wenig bei dem Prozess, nachhaltiger zu werden, begleiten, kann Puls nur in Teilen nachvollziehen. Im vergangenen Jahr hatten beispielsweise Vertreter des Gesamtverbands der versicherungsnehmenden Wirtschaft (GVNW) bemängelt, dass Versicherer den Schutz häufig beschränken oder aufheben, wenn Unternehmen in bestimmten Bereichen, wie etwa Kohle oder Bergbau, tätig sind. Der GVNW monierte, dass die Unternehmen häufig nur bestrafendes Verhalten der Versicherer und wenig positive Ansätze mit Mut zum Risiko sehen würden.

HDI-Global-Chef Puls hält dagegen: „So gehen wir nicht vor, sondern wir versuchen auf Basis einer individuellen Risikobetrachtung gemeinsam mit den Kunden, eine ausgewogene Balance aus Präventionsmaßnahmen, Selbstbehalten und Versicherungsprämien zu finden“, betont er.

Versicherer müssen sich verändern

Klar sei aber, dass es derzeit große technologische Umwälzungen gibt – etwa im Bereich Elektromobilität und Energieerzeugung. „Wir müssen uns daher auch als Versicherer verändern und genau anschauen, wie wir künftig noch versichern können“, so Puls. Man gehe hier mit den Kunden frühzeitig in den Dialog und diskutiere, welches Risiko sie selbst tragen und welches sie zu welchem Preis an den Versicherer transferieren können.

„Im Zuge der Energiewende haben wir bereits sehr früh gesagt, dass wir Onshore- und Offshore-Windparks versichern wollen“, erläutert Puls. Es dauere aber eine Zeit, das hierfür notwendige technologische Know-how aufzubauen. „Deshalb weiten wir auch die Versicherungskapazität erst nach und nach weiter aus.“ Ähnlich sei es bei neuen Technologien wie im Bereich Solar, Produktion und Nutzung von Wasserstoff, Ammoniak oder Batterien als Energiespeicher.

Durch Trends wie das autonome Fahren entstehen für Versicherer neue Risiken: „Wenn ein Sensor in vielen Tausend Autos verbaut wird und ein Schadensfall eintritt, betrifft es nicht nur einen Fahrzeughalter, sondern möglicherweise viele Hundert Autos, in denen der Sensor verbaut ist“, erklärt Puls. In dieser neuen Welt müssen sich Versicherer wie Unternehmen erst zurechtfinden. Puls appelliert daher an die Kunden, die Versicherer möglichst früh in ihre Projekte einzubinden. Nur so könne man passende Lösungen finden oder neue systemische Risiken erkennen.

Trendwende ist geschafft

Wie viele andere Industrieversicherer hatte HDI Global zwischen 2016 und 2018 Schwierigkeiten, profitabel zu arbeiten. Das Unternehmen benötigte frisches Kapital von der Muttergesellschaft Talanx. Inzwischen scheint die Trendwende geschafft: Das Prämienvolumen hat sich in etwa verdoppelt – laut Talanx-Geschäftsbericht lag der Versicherungsumsatz 2023 bei 9,1 Milliarden Euro – und die Eigenkapitalrendite liegt bei über zehn Prozent.

Angesichts der Herausforderungen bereitet Puls die Kunden darauf vor, dass die Zeit der Prämienerhöhungen noch nicht vorbei sein könnte: „Da die Schadensaufwände bei Naturkatastrophen seit Jahrzehnten ungebrochen steigen, zahlen wir alle auch an dieser Stelle den Preis für den Klimawandel.“ Ein Ende dieser Entwicklung sei nicht in Sicht. Deshalb richtet Puls doch noch eine Forderung an die Politik: Sie müsse vor allem in der Prävention die richtigen Impulse setzen, mahnt er.

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