INDUSTRIE : DEUTZ STELLT SEIN ZUKUNFTSGESCHäFT NEU AUF

Eine neue Einheit soll die Zukunftssparte klarer vom klassischen Kerngeschäft mit Dieselmotoren trennen. Am Verbrenner hält das Management noch für Jahrzehnte fest.

Der Motorenhersteller Deutz sortiert sein Zukunftsgeschäft neu: Auf der Hauptversammlung an diesem Mittwoch wird Unternehmenschef Sebastian Schulte ankündigen, das Geschäft mit der Entwicklung von Wasserstoff-Verbrennungsmotoren und anderen grünen Lösungen auszukoppeln. Das sagte Schulte dem Handelsblatt im Vorfeld der Aktionärsversammlung. Perspektivisch könnte der Traditionskonzern dabei sein Engagement in der Elektromobilität zurückfahren.

„Wir müssen im grünen Geschäft klarer werden und uns stärker auf Technologien fokussieren, in denen wir mit unserem Know-how einen Vorsprung haben“, sagt Schulte. Das sei vor allem bei Wasserstoff-Verbrennungsmotoren der Fall. „Hier haben wir den Anspruch, Pionier zu sein.“

Die neue Einheit soll nach den Angaben Schultes einen eigenen Chef bekommen und mehr als 100 Vollzeitstellen umfassen. Wie sie rechtlich organisiert sein wird, ließ Schulte offen. Insgesamt arbeiten etwa 5200 Menschen für Deutz

Im zweiten Halbjahr soll die Strategie für die Einheit ausformuliert werden, heißt es. Dann dürfte auch klarer werden, welche Rolle künftig noch batterieelektrische Lösungen in dem Kölner Traditionsunternehmen spielen werden.

Deutz verdient sein Geld hauptsächlich mit dem Verkauf großer Diesel- und Benzinmotoren für Baumaschinen und Traktoren.

Deutz-Anleger hinterfragen Investition in grüne Technik

Aktuell entfallen 99 Prozent der Konzernumsätze auf dieses Kerngeschäft. Allerdings investieren die Kölner jährlich auch rund 35 Millionen Euro – knapp ein Drittel des gesamten Forschungs- und Entwicklungsetats – in neue Technologien wie Wasserstoffmotoren und batterieelektrische Antriebe.

Einige Anleger kritisieren die Ausgaben, weil sie keinen nennenswerten Ertrag bringen und es nur wenig Synergien zum Kerngeschäft gibt.

So hatte Deutz 2017 noch unter Schultes Vorgänger Frank Hiller den E-Bootsmotoren-Hersteller Torqeedo aus der Nähe von München für fast 80 Millionen Euro gekauft, die Einheit aber wegen fehlender Anknüpfungspunkte Anfang 2024 wieder abgestoßen und für „einen hohen zweistelligen Millionenbetrag“ an den japanischen Mischkonzern Yamaha verkauft.

„Wir müssen keine Batteriezellen oder E-Motoren selbst herstellen, sondern bestehende Systeme für unsere Kunden sinnvoll integrieren“, sagt Schulte, der im Batteriebereich künftig mehr auf Partnerschaften setzen möchte. Dabei dürfte der Aachener Batteriesystemspezialist Futavis, der ebenfalls Deutz gehört, in der neuen Zukunftseinheit weiter eine Rolle spielen.

Deutlich erfolgreicher als im Elektrobereich läuft für Deutz das Geschäft mit Wasserstoffmotoren, in dem das Management um Schulte klar größere Potenziale als in der Elektromobilität sieht. Mehr als 100 H2-Stromerzeugungsaggregate hatte ein Unternehmen aus China vergangenes Jahr bei Deutz geordert, die ersten Wasserstoffmotoren liefen vor Kurzem in Köln vom Band.

Da es sich um wasserstoffbetriebene Verbrennungsmotoren handelt, ist die Schnittmenge zum Kerngeschäft größer als in der Elektromobilität. Dennoch dürfte es auch hier dauern, bis Deutz Rendite sieht. Im ersten Quartal schaffte der Konzern 6,1 Prozent Ebit-Marge. Das ist der Anteil des operativen Gewinns am Umsatz. Ziel sind acht Prozent nach 2025.

Erst bei „mittleren bis großen Serien“ würden für die neuen Einheiten „perspektivisch die gleichen Maßstäbe wie für das klassische Verbrennergeschäft“ gelten, sagt Schulte. Davon ist Deutz aber noch weit entfernt.

Die Priorität auf Wasserstoff gegenüber batterieelektrischen Lösungen sehen Experten als sinnvoll an – zumindest in dem Bereich, in dem Deutz unterwegs ist.

Industrie-Finanzanalyst Tore Fangmann sagt: „Aus Nutzerperspektive sind die langen Ladezeiten, gerade im Agrarbereich, zurzeit noch ein großes Hindernis.“ Dennoch setze der stärkere Fokus auf Wasserstoff eine verbesserte Infrastruktur für die Technik voraus, bemerkt der Branchenspezialist. „Und wirklich grün wird die Lösung auch dann nur mit grünem Wasserstoff.“

Deutz-Chef Schulte: „Wieder mehr Rationalität“ bei Verbrenner-Debatte

Schulte setzt strategisch auf einen Doppelpfad aus Verbrenner und alternativen Antrieben, flankiert durch das Servicegeschäft – bei Deutz „Dual+“ genannt. Dass die Transformation zum grünen Geschäft schnell vonstattengeht, sieht der Manager nicht. „Wir haben Prognosen, die uns Anwendungsfälle für unsere klassischen Verbrenner bis in die 2040er- und teilweise sogar in die 2050er-Jahre aufzeigen.“

Dass im Deutz-fernen Pkw-Bereich nochmals das Verbrenner-Aus 2035 zur Diskussion gestellt wird, bewertet Schulte erst einmal positiv. „Jetzt zieht wieder mehr Rationalität in die Debatte ein“, sagt der 45-Jährige. Die Menschen würden sich überlegen, ob und wie sich die neue Technik rechne. „Das machen Nutzer von Nutzfahrzeugen mit mindestens genauso spitzem Bleistift gerade.“

Deutz hat ein durchwachsenes erstes Quartal hinter sich. Die schwächelnde Konjunktur ließ die Nachfrage bei dem Motorenhersteller absacken. So ging das Volumen im Auftragseingang um fast ein Fünftel auf 419,2 Millionen Euro zurück.

Im Verlauf des zweiten Halbjahrs rechnet Schulte damit, dass die Nachfrage in ersten Sektoren wieder etwas anziehen wird. „Wir gehen schon davon aus, dass wir irgendwann in den nächsten Monaten Zinssenkungen beobachten werden. Davon wird die Baubranche profitieren.“

Erstpublikation: 07.05.2024, 15:43 Uhr.

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