ISS: STIMMRECHTSBERATER WOLLEN AUFSICHTSRäTE BEI HANNOVER RüCK STOPPEN

Investoren schauen immer stärker auf mögliche Interessenkonflikte in den Kontrollgremien. Nach BASF und Munich Re gerät nun auch der Rückversicherer aus Hannover in den Fokus.

Die deutsche Praxis zur Besetzung von Aufsichtsratsvorsitzenden gerät immer stärker in die Kritik von Stimmrechtsberatern. Aktuell trifft es Hannover Rück. Der Stimmrechtsberater ISS empfiehlt den Aktionären, bei der Hauptversammlung des Rückversicherers im Mai nicht für die Wiederwahl des Aufsichtsratschefs Torsten Leue und seines Stellvertreters Herbert Haas zu stimmen.

Der Aktionärsdienstleister hat Zweifel an der Unabhängigkeit der Kontrolleure. Leue ist zugleich Vorstandschef der Muttergesellschaft Talanx, die 50,2 Prozent an Hannover Rück hält. Haas ist ehemaliger Talanx-Chef.

ISS gilt als einer der einflussreichsten Stimmrechtsberater. Nach seinen Empfehlungen richten sich zahlreiche kleinere Fonds und institutionelle Investoren aus den USA und Großbritannien.

Auch der Stimmrechtsberater Glass Lewis spricht sich gegen Leue aus sowie gegen den Unternehmensberater Harald Kayser, der bis 2022 für die Prüfungsfirma PwC tätig war und neu in den Aufsichtsrat einziehen soll. PwC ist Abschlussprüfer von Hannover Rück und Talanx.

Kritik äußert auch die Fondsgesellschaft Union Investment, die zu den größeren Investoren von Hannover Rück hinter Hauptaktionär Talanx zählt. Sie will bei der Hauptversammlung den Aufsichtsrat nicht entlasten, gegen den Vergütungsbericht sowie gegen die Wiederwahl von Leue und Haas stimmen.

Investoren und Stimmrechtsberater schauen inzwischen deutlich kritischer auf mögliche Interessenkonflikte von Kontrolleuren als noch vor ein paar Jahren. ISS hält beispielsweise die „Cooling-off“-Periode von zwei Jahren, nach der frühere Vorstandschefs erst Aufsichtsratsvorsitzende des gleichen Unternehmens werden dürfen, für zu kurz. Die Amerikaner fordern eine fünfjährige Auszeit.

Mitte der Woche war zudem bekannt geworden, dass ISS auch die Wiederwahl der Aufsichtsratsvorsitzenden von BASF und Munich Re ablehnt. Kurt Bock und Nikolaus von Bomhard sind ehemalige Vorstandschefs der jeweiligen Unternehmen. Die Firmen werben dagegen für ihre Aufsichtsratschefs, wie die „Börsenzeitung“ berichtete. Sie verweisen vor allem auf die Expertise und Erfahrung, die auf dieser Position notwendig sei.

Hannover Rück fällt hinter Konkurrenz zurück

Hannover Rück will sowohl die Einschätzungen der Stimmrechtsberater und Investoren als auch die Einstufung im Corporate-Governance-Ranking von Union Investment und Ivox Glass Lewis nicht kommentieren.

Auffällig war in dem am Donnerstag veröffentlichten Ranking, dass der Rückversicherer deutlich schlechter als die beiden anderen Versicherer im Dax, Allianz und Munich Re, abschnitt. Das Ranking basiert auf Fragen rund um Kapital, Vorstand, Aufsichtsrat, Vergütung, Abschlussprüfung und Transparenz.

Die Allianz schaffte es unter den 40 Dax-Konzernen auf Platz drei mit 85 von 100 möglichen Punkten. Munich Re lag mit 81 Punkten auf Rang sechs. Hannover Rück kam dagegen nur auf 61 Punkte. Schlechter schnitten nur Volkswagen, Sartorius und die beiden Porsche-Gesellschaften ab.

In Noten ausgedrückt bekamen Allianz und Munich Re eine „Zwei“ beziehungsweise „Zwei minus“, Hannover Rück eine „Vier plus“ – genauso wie die im MDax notierte Muttergesellschaft Talanx. Der Notenschnitt lag bei 2,7 im Dax und 3,3 im MDax.

Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Durchschnitte zwar verschlechtert, da die Ersteller die Anforderungen erhöht haben. Einige Unternehmen hätten sich aber auch in dem geänderten Rahmen verbessert, hieß es bei Union Investment. Grundsätzlich sieht die Fondsgesellschaft bei vielen Unternehmen Verbesserungsbedarf bei Ämterhäufung, Unabhängigkeit und Transparenz.

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