MäRKTE INSIGHT: DIE AKTIENMäRKTE HABEN DREI PROBLEME

Neben der Krise in Nahost und zuletzt enttäuschten Zinssenkungs-Hoffnungen in den USA belastet eine weitere Unsicherheit den Dax, weiß Ulf Sommer.

Rund 700 Punkte hat der Dax seit seinem Ende März erreichten Rekordhoch verloren. Das sind vier Prozent. Dafür werden vor allem zwei Gründe genannt: Enttäuschte Zinssenkungs-Hoffnungen in den USA wegen zuletzt stagnierender und nicht mehr sinkender Inflationsraten. Darüber hinaus belastet der Nahostkonflikt, seitdem die Atommacht Iran Israel angegriffen hat.

Doch es gibt ein weiteres Problem, das Unsicherheit schürt: Möglicherweise sind die Erwartungen an die Unternehmensgewinne überzogen.

Bevor in der Nacht zum Dienstag mit SAP das wertvollste deutsche Unternehmen seine Bilanz für das erste Quartal 2024 präsentiert, rechnen Analysten damit, dass die 40 Dax-Konzerne in diesem Jahr so viel verdienen werden wie noch nie. Durchschnittlich werden 124 Milliarden Euro Nettogewinn prognostiziert. Das wären knapp zwölf Prozent mehr als im vergangenen Jahr.

Das ist eine ambitionierte Schätzung, angesichts des schwachen Wachstums in Europa und damit der wichtigsten Absatzregion für die Dax-Konzerne. Ganz zu schweigen vom Fast-Stillstand der Konjunktur im deutschen Heimatmarkt.

Die bisherigen Quartalsergebnisse und Vorabberichte der Dax-Konzerne bestätigen den Optimismus bislang nicht. Bei Sartorius sank in den ersten drei Monaten der Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen um knapp 14 Prozent. Der Nettogewinn brach um 40 Prozent auf 70 Millionen Euro ein. Der Biotechnologie-Zulieferer verfehlte die Erwartungen der Analysten deutlich.

Bei Continental lag der Umsatz um gut fünf Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Die Analystenschätzungen wurden ebenfalls verfehlt. Das gilt auch für die Umsatzrendite vor Steuern und Zinsen.

Doch es gab auch zwei Hoffnungsschimmer. Adidas hob seine Jahresprognose an. Beim Betriebsergebnis rechnet der Sportartikelhersteller mit 700 Millionen Euro. Bisher hatte der Sportkonzern 500 Millionen Euro angepeilt. Grund dafür ist ein unerwartet starkes erstes Quartal, in dem das Betriebsergebnis von 60 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum auf 336 Millionen Euro zulegte.

Bei Beiersdorf macht die boomende Konsumsparte Schwächen in der kleineren Klebstoffsparte mehr als wett. Die Marke Nivea wächst kräftig, und mit hochpreisigen Cremes gegen Pigmentflecken gelingt es Beiersdorf gut, höhere Produktionskosten an die Kundschaft weiterzureichen.

Mit 2,6 Milliarden Euro hat der Konzern in den ersten drei Monaten knapp siebeneinhalb Prozent mehr umgesetzt als im Vorjahreszeitraum. Gewinne veröffentlicht der familiengeführte Konzern im ersten Quartal allerdings traditionell nicht. Deshalb steht der Optimismus unter Vorbehalt.

Finanzvorstände werden zuversichtlicher

Abseits der 40 Dax-Konzerne machte am Montag eine Meldung vage Hoffnung: Knapp 200 von der Unternehmensberatung Deloitte befragte Finanzvorstände deutscher Unternehmen äußerten sich optimistischer zu ihren Geschäftsaussichten als in der Vergangenheit.

Die Differenz aus positiven und negativen Einschätzungen stieg von minus 30 auf plus neun Punkte. Fast ein Drittel der befragten Vorstände schätzen die Aussichten positiver ein als noch drei Monate zuvor. Überraschend positiv äußerten sich die Finanzchefs der Chemieindustrie, nachdem diese Branche in den vergangenen Befragungen immer am pessimistischsten geurteilt hatte.

„Die konjunkturelle Talfahrt scheint gestoppt, die Lage stabilisiert sich, aber ein dynamischer Aufschwung ist noch nicht in Sicht“, kommentierte Deloitte-Chefökonom Alexander Börsch die aktuelle Befragung.

Fazit: Für großen Optimismus, was die Gewinnerwartungen in diesem Jahr angeht, besteht ebenso wenig Grund wie für großen Pessimismus. Vielleicht muss sich der Dax in diesem Jahr mit dem Mittelmaß anfreunden. So in etwa wie es der Zugewinn von sechs Prozent seit Jahresbeginn widerspiegelt.

2024-04-22T14:38:44Z dg43tfdfdgfd