MäRKTE INSIGHT : DIE FED SOLLTE IHR ZWEI-PROZENT-ZIEL HINTERFRAGEN

Die Notenbank hat die Zinswende wegen der hartnäckigen Inflation verschoben. Die Umstände sollten sie auch an anderer Stelle zum Umdenken bewegen, meint Korrespondentin Astrid Dörner.

An der Wall Street gibt es derzeit eine Frage, die die Diskussionen der Investoren und Analysten dominiert: Wie lange bleiben die Leitzinsen oben?

Im Dezember hatte Jerome Powell, Präsident der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), noch in Aussicht gestellt, dass sie schon im März wieder sinken könnten. Das entfachte eine Rally an den Aktien- und Kryptomärkten. Doch angesichts leicht steigender Inflationsraten in den vergangenen drei Monaten musste Powell seine Strategie wieder einkassieren.

Investoren gehen nun mehrheitlich davon aus, dass die Fed die Zinsen erst im September zum ersten Mal senken könnte, nachdem sie den Leitzins im Rekordtempo auf die Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent angehoben hatte. Im März stieg die Inflationsrate auf 3,5 Prozent und entfernte sich damit weiter von der Zwei-Prozent-Marke, die Powell anvisiert.

Doch im Zuge der Diskussionen um die weitere Zinsstrategie der Fed drängt sich in diesen Tagen noch eine weitere Frage in den Vordergrund: Muss die mächtigste Notenbank der Welt überhaupt an ihrem Zwei-Prozent-Ziel festhalten?

Der Preis ist einfach zu hoch.

Fed-Chef Powell hatte sich 2020 bereits etwas mehr Flexibilität eingeräumt. Damals erklärte die mächtigste Notenbank der Welt, dass die Inflation im Durchschnitt bei zwei Prozent liegen sollte. Es war eine Zeit, in der die Teuerungsrate deutlich darunterlag. Eine Reihe von Ökonomen fordern nun, dass sich die Fed erneut mehr Freiraum verschafft – in die andere Richtung.

Der Kapitalmarktexperte Mohamed El-Erian schlägt folgende Strategie vor: Die Fed sollte die Marke von zwei Prozent als „längerfristiges Inflationsziel“ deklarieren und sich vorerst mit einer Inflationsrate von drei Prozent zufriedengeben. Damit wäre die Fed also schon fast am Ziel.

El-Erian, der unter anderem die Allianz berät, verweist auf Trends, die über die nächsten Jahre Druck auf die Inflation ausüben werden. Dazu gehören hohe Rüstungsausgaben und steigende Kosten im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Klimawandels. Der Preis, um die US-Wirtschaft mit aller Macht zurück zu einer Inflation von zwei Prozent zu bringen, „ist einfach zu hoch“, glaubt der renommierte Fed-Kritiker.

Wenn die Zinsen für eine längere Zeit auf hohem Niveau bleiben, steigt schließlich das Rezessionsrisiko. Die US-Wirtschaft wächst zwar nach wie vor deutlich stärker als viele andere große Volkswirtschaften. Doch erste Schwächesignale zeigen sich längst.

Der krisengeschüttelte Markt für Büroimmobilien etwa würde sich mit niedrigeren Leitzinsen zumindest etwas beruhigen. Die Kreditkartenschulden der Amerikaner sind so hoch wie nie und die Ausfallraten bei Krediten steigen.

Verunsicherung an den Märkten

Auch an den Märkten steigt die Unsicherheit über die Frage, wie stark die US-Wirtschaft tatsächlich noch ist. Der breit gefasste S&P 500 lag am Donnerstag zum Börsenstart in New York leicht im Minus und hat in dieser Woche bereits über zwei Prozent verloren. Auch die technologielastige Nasdaq startete am Donnerstag tiefer in den Handel. Der Leitindex Dow Jones notierte zunächst fester.

Der Dax bewegte sich am Donnerstag in einer geringen Handelsspanne und beendete den Handel schließlich 0,4 Prozent im Plus bei 17.837 Punkten.

Sicher, es ist nicht einfach, sich von dem Prinzip zu verabschieden, an dem die Notenbanker so lange festgehalten haben. Es geht schließlich auch um die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik, die angesichts der rapide gestiegenen Inflation nach der Pandemie ohnehin schon leidet.

Doch nun ist der richtige Zeitpunkt für Powell und andere Währungshüter, um darüber öffentlich zu diskutieren. Das wäre auch gut für die Glaubwürdigkeit der Fed.

2024-04-18T17:46:31Z dg43tfdfdgfd