ONLINEBROKER: FLATEXDEGIRO TRENNT SICH VON VORSTANDSCHEF FRANK NIEHAGE

Der Konzernchef stritt sich zuletzt öffentlich mit Anteilseigner Bernd Förtsch über die Situation bei dem Onlinebroker. Der Großaktionär erwartet derweil auch den Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden.

Der öffentliche Streit bei Flatexdegiro hat eine erste Konsequenz: Der Onlinebroker trennt sich von Vorstandschef Frank Niehage. Das teilte das im SDax notierte Unternehmen am Montagmorgen mit. Niehage wird demnach sein Amt zu Ende April abgeben.

Die Gründe dafür seien „unterschiedliche Auffassungen zur strategischen Entwicklung und zum Wohle des Unternehmens“, heißt es in der Mitteilung des Konzerns.

Zwischen Niehage und dem größten Einzelaktionär und Flatex-Gründer Bernd Förtsch war es kürzlich zum öffentlichen Streit gekommen. Förtsch, der knapp 20 Prozent aller Aktien hält, hatte Ende März im Interview mit der „Wirtschaftswoche“ die „operative, strategische und auch aufsichtsratstechnische“ Entwicklung des Unternehmens bemängelt. Zu seinen Kritikpunkten zählen die schwache Entwicklung des Börsenkurses in den vergangenen Jahren sowie der Mangel an Initiativen, die das Kerngeschäft des Brokers voranbringen würden.

Für die Hauptversammlung Anfang Juni kündigte Förtsch deshalb an, gegen die Entlastung Niehages und des Aufsichtsratsvorsitzenden Martin Korbmacher zu stimmen. Die Entlastung zu verweigern stellt ein Misstrauensvotum dar.

Niehage wehrte sich im Handelsblatt-Interview gegen die Kritik. „Alle wichtigen Entscheidungen in den letzten zwölf bis 18 Monaten, welche Themen wir zuerst abarbeiten und wo wir die Prioritäten setzen, sind sowohl im Aufsichtsrat als auch im Vorstand einstimmig getroffen worden“, betonte er.

Er blickte zudem zuversichtlich auf das diesjährige Aktionärstreffen. „Die von Herrn Förtsch geäußerten Meinungen repräsentieren nicht die Mehrheit unserer Gesellschafter“, sagte er.

Frank Niehage verlässt Flatexdegiro „mit gemischten Gefühlen“

Doch nun gibt es bereits im Vorfeld der Hauptversammlung die erste Konsequenz. In einer internen Mail an die Belegschaft, die dem Handelsblatt vorliegt, verabschiedete sich Niehage „mit gemischten Gefühlen“. Mit seinem Rücktritt hoffe er, „weiteren Schaden für den Ruf des Unternehmens zu vermeiden und die Spannungen mit dem unzufriedenen Großaktionär vor der kommenden Hauptversammlung“ zu lösen, wird der Vorstandschef darin zitiert.

Förtsch zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung von Niehage: „Ich begrüße den Rücktritt“, sagte er dem Handelsblatt. Er zeigte sich allerdings überrascht über den Zeitpunkt der Entscheidung, „nachdem sich Herr Niehage noch jüngst in einem Interview gegen meine Kritik verteidigt hatte“.

Der größte Einzelaktionär des Unternehmens kritisiert indes weiterhin den Aufsichtsratsvorsitzenden. „Ich bin verwundert, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Martin Korbmacher noch nicht zurückgetreten ist“, sagte Förtsch.

Korbmacher habe ohnehin nur noch einen Vertrag bis 2025. „Dass er im kommenden Jahr wiedergewählt wird, ist aus meiner Sicht sowieso unwahrscheinlich“, so Förtsch.

Flatexdegiro reagierte auf eine Anfrage des Handelsblatts zur Zukunft von Korbmacher zunächst nicht.

Flatex: Bereits in der Vergangenheit deutliche Kritik am Vorstand

Niehage war fast zehn Jahre auf dem Chefposten bei Flatexdegiro. 2014 kam er von der US-Investmentbank Goldman Sachs zu Flatex. Unter seiner Führung kaufte Flatex den niederländischen Konkurrenten Degiro.

Bereits bei der vergangenen Hauptversammlung hatte es deutliche Kritik an Vorstand und Aufsichtsrat gegeben. So stimmten 33,22 Prozent der Anwesenden gegen die Entlastung des Vorstands, 31,95 Prozent gegen die Entlastung des Aufsichtsrats. Im Mittelpunkt der Kritik standen im vergangenen Jahr nach Angaben Niehages vor allem die Bafin-Feststellungen sowie die Vergütungsstrategie.

Im Februar schickte die Behörde einen Sonderprüfer zum Frankfurter Broker. Die Maßnahme ging auf eine Sonderprüfung bei der Flatexdegiro Bank, einem hundertprozentigen Tochterunternehmen von Flatexdegiro, im vergangenen Jahr zurück, bei der schwerwiegende Mängel „im internen Kontrollsystem, im aufsichtlichen Meldewesen und in der Geldwäscheprävention“ festgestellt wurden. Niehage betonte zuletzt, dass das Unternehmen bei der Abarbeitung der Bafin-Feststellungen „sehr gute“ Fortschritte mache.

Auch bei der Vergütungsstrategie wollte der Vorstandschef nachbessern. Es wird veröffentlicht, wie viel die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder erhalten. „Ebenso wollen wir den Aktionären einen reduzierten Höchstbetrag der Vorstandsgehälter vorschlagen“, kündigte Niehage zuletzt an.

Schwierigkeiten auf dem Heimatmarkt

Flatexdegiro zählt mit 2,81 Millionen Kundenaccounts zu den größten deutschen Brokern. Das Unternehmen kommt derzeit auf einen Börsenwert von etwa 1,14 Milliarden Euro.

Die Entwicklungen des Konzerns lasteten in den vergangenen Jahren auf dem Aktienkurs. Von ihrem Höchststand im Sommer 2021 ist die Aktie mehr als 60 Prozent entfernt.

Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen einen Gewinn von 72 Millionen Euro erzielt, der Gewinn pro Aktie betrug 0,65 Euro. Für das laufende Jahr erwartet Flatexdegiro einen Vorsteuergewinn in der Spanne von 120 bis 150 Millionen Euro.

Das Unternehmen sprach in seiner Mitteilung vom Montag von einer „Phase herausragenden organischen und anorganischen Wachstums“. Unter Niehages Leitung habe man in den vergangenen Jahren die Kundenbasis verzwanzigfacht und das verwaltete Vermögen von vier auf 58 Milliarden Euro gesteigert.

Der Aufsichtsrat wolle die Suche nach einem Nachfolger für Niehage „kurzfristig abschließen“, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens. Interimsmäßig werden der bisherige Finanzvorstand Benon Janos sowie Technologievorstand Stephan Simmang als Co-CEOs das Unternehmen leiten. Ihre bisherigen Aufgaben werden sie weiterhin ausüben. Anteilseigner Förtsch unterstützt nach eigenen Angaben die beiden Interimschefs.

Der Großaktionär könnte sich derweil selbst einen Posten im Aufsichtsrat vorstellen. „Es wäre unseriös, wenn ich mir nicht überlegen würde, mich stärker bei Flatexdegiro zu engagieren“, sagte er. „Wenn, dann aber auch nur über ein Mandat im Aufsichtsrat. Das wird aber die Zukunft zeigen“, so Förtsch.

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