STROMNETZE: BREITES BüNDNIS FORDERT STOPP VON TEUREN ERDKABEL-PROJEKTEN

Ein Zusammenschluss aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Bauern und Verbraucherschützern will die Erdverkabelung von drei Stromtrassen verhindern. So sollen Milliarden eingespart werden.

Ein breites Bündnis aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Verbraucherschützern und Bauern fordert von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), drei geplante Stromautobahnen als oberirdische Freileitungen zu bauen und auf die geplante Erdverkabelung zu verzichten.

Es sei geboten, die Erdverkabelungspflicht politisch neu zu bewerten, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), des Deutschen Bauernverbands (DBV), des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) und des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) an Habeck.

Das Schreiben liegt dem Handelsblatt vor. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, die Landesregierungen und Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, haben das Schreiben erhalten. Wichtigster Adressat ist Habeck, sein Haus ist für den Netzausbau zuständig.

Die Verfasser argumentieren, in kaum einem anderen Bereich der Energiewende könnten so leicht Kosten eingespart werden, ohne damit die Klimaziele zu beeinträchtigen.

Die Projekte, um die es den Initiatoren des Schreibens geht, befänden sich noch im Frühstadium der Planung. Es handelt sich um die Gleichstrom-Übertragungsleitungen Ostwestlink (DC 40), Nordwestlink (DC41) und Suedwestlink (DC 42), die große Mengen Strom aus dem Norden Deutschlands in den Süden und in die Mitte des Landes transportieren sollen. „Andere, weiter fortgeschrittene Projekte meint unser Vorschlag explizit nicht“, stellen die Verfasser klar.

Hauptargument von BDI, DGB, DBV und VZBV sind die möglichen Einsparungen durch Freileitungen: Unter Berufung auf die Netzbetreiber heißt es in dem Brief, bei den drei Vorhaben könnten die Kosten so um rund 20 Milliarden Euro reduziert werden. „Damit ergäbe sich ein signifikantes Potenzial zur Kostendämpfung bei den Strompreisen für Verbraucherinnen und Verbraucher und Industrie in Deutschland“, schreiben die Verfasser.

„Deutlich kürzere Bauzeit“ bei Freileitungen

Außerdem, so heißt es in dem Brief weiter, führe eine Umstellung auf Freileitungen zu Beschleunigungseffekten. Zwar würde eine Planänderung zunächst zusätzliche Zeit kosten, diese würde aber anschließend durch die deutlich kürzere Bauzeit von Freileitungen „mehr als ausgeglichen“.

Die drei Stromautobahnen haben eine Gesamtkapazität von zwölf Gigawatt (GW). Sie sollen bis 2037 fertiggestellt werden, der Bau hat noch nicht begonnen. Zuständig für den Bau der Leitungen sind die drei Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Tennet und Transnet BW. Die Unternehmen werben seit Wochen dafür, von der Erdverkabelung abzusehen und stattdessen auf Freileitungen zu setzen.

Allerdings sind aus der Wirtschaft auch andere Stimmen zu hören. So warnt der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) vor einem Kurswechsel und stellt das Einsparpotenzial von 20 Milliarden Euro infrage. Außerdem habe die Zulieferindustrie im Vertrauen auf die Beschlüsse der Politik in Produktionskapazitäten investiert, heißt es beim ZVEI.

Politik hat sich noch nicht festgelegt

Die Reaktionen der Politik auf die Vorschläge sind bislang zurückhaltend; so hat sich das Bundeswirtschaftsministerium in dieser Frage noch nicht festgelegt. Bei der Bundesnetzagentur hieß es zuletzt, man gehe bislang davon aus, dass die Vorhaben mit Erdkabeln realisiert würden. Einige Bundesländer wie etwa Schleswig-Holstein lehnen die Rückkehr zu Freileitungen für die Gleichstrom-Übertragungsleitungen ab.

Nach Überzeugung der Initiatoren des Briefs an Habeck werden die positiven Effekte der Erdverkabelung in Hinblick auf die Akzeptanz überbewertet. Die bisherigen Erfahrungen zeigten, „dass Erdkabel kein Allheilmittel sind“.

Der Gesetzgeber hatte 2015 einen Vorrang für die Erdverkabelung von Gleichstrom-Übertragungsleitungen beschlossen. Vorausgegangen waren massive Proteste gegen geplante Projekte – auch von verschiedenen Landesregierungen. Besonders hartnäckig hatte sich Bayern gegen sogenannte „Monstertrassen“ gestemmt und damit den Vorrang für die Erdverkabelung durchgesetzt.

Unumstritten ist die Erdverkabelung nicht. Einerseits ist sie erheblich teurer als der Bau von Freileitungen. Außerdem führt die Erdverkabelung zu erheblichen Eingriffen in die Natur. Auf diesen Punkt weisen auch die Verfasser des Briefes hin: „Bei Erdkabelvorhaben werden die Böden weit umfangreicher in Anspruch genommen als bei Freileitungen“, heißt es darin. „Im norddeutschen Tiefland, dem Schwerpunkt der drei Projekte DC 40 bis 42, gibt es großflächige Torf- und Moorböden, Kabelverlegungen würden zu erheblichen Umweltauswirkungen führen.“

Außerdem argumentieren die Verfasser des Briefes, durch die Freileitungen würden sich „erhebliche Vorteile bei Technik und Kosten auch im Betrieb“ ergeben. Bei Wartung, Instandhaltung und Betrieb seien Freileitungen „deutlich zuverlässiger als Erdkabel, die Suche und Behebung von Fehlern geht schneller, Ausfallzeiten und Betriebskosten sind geringer“.

Dem widerspricht der ZVEI. Erdkabel seien gegenüber äußeren Einflüssen deutlich weniger störanfällig. „Dies gilt neben Blitzeinschlag und Witterung auch für Gewalteinwirkung durch Sabotage, Terrorangriffe oder Kriege“, heißt es in einem Papier des Verbands.

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