TIKTOK-RüCKKEHR: TAYLOR SWIFT ERWEIST UNIVERSAL UND MUSIKINDUSTRIE BäRENDIENST

Seit diesem Freitag ist Taylor Swifts neues (Doppel-)Album auf dem Markt. Es dürfte diverse Streamingrekorde einstellen, mehr als eine Million Mal auf Platte und in stattlicher Zahl auch auf CD verkauft werden, natürlich begleitet von viel Wirbel in den Sozialen Medien. All dies wäre normalerweise nicht der Rede wert. An Bestmarken der Sängerin ist man schließlich gewöhnt.

Doch die Rückkehr ihrer Musik auf Tiktok gut eine Woche vor Veröffentlichung des Albums ist eine Geschichte für sich – und womöglich eine mit weitreichenden Auswirkungen.

Seit Wochen liegt Swifts Label- und Verlagspartner, der weltgrößte Musikkonzern Universal Music, mit der populären Kurzvideo-App über Kreuz. Anfang Februar verschwanden so alle Songs von Universal-Interpreten von Tiktok. Es geht um die Höhe der Zahlungen, die Tiktok fürs Nutzen der Werke leistet, aber auch um den Umgang mit Künstlicher Intelligenz und Tiktoks Pläne auf dem Gebiet.

Eine Machtdemonstration von Swift

Grundsatzfragen also, die mit markigen Aussagen flankiert wurden. Auf dem „Rücken von Interpreten und Songwritern“ habe Tiktok eine der „größten und wertvollsten Social Media-Plattformen aufgebaut“, wolle aber keine marktüblichen Konditionen zahlen, hieß es von Universal. Tiktok warf dem Konzern „Gier“ vor, und dass er seinen Künstlern schade, indem er ihnen die große, kostenfreie Marketingplattform nehme.

Beide Seiten betonten zuletzt stoisch, der Streit habe das eigene Geschäft nicht geschwächt. Eine Einigung in dem Machtkampf steht noch aus. Trotzdem können die mehr als eine Milliarde Tiktok-Nutzer ihre Videos wieder mit Swifts Werken unterlegen.

Der Grund ist simpel: Swift hält die Rechte an ihren Aufnahmen, die sie im Rahmen ihres Vertrages mit Universal seit 2018 veröffentlicht hat. Details zu diesem Deal sind ein gut gehütetes Geheimnis. Aber offenkundig erlaubte er der Künstlerin und ihrem Team, die Tiktok-Rückkehr durchzusetzen – während die übrigen Stars aus dem Hause Universal auf der Plattform weiter nicht zu hören sind.

Viel Unterstützung für Haltung von Universal

Womöglich werden nun auch andere Stars unruhig. Zunächst untermauert der Schritt jedenfalls Swifts Status: Das Branchenmagazin Billboard kürte sie jüngst nicht zufällig zur mächtigsten Person der Musikindustrie. Swift folgte ausgerechnet auf Universal-Chef Lucian Grainge, der diese Liste jahrelang in Folge angeführt hatte.

Noch nie habe er sich so sehr über einen zweiten Platz gefreut, begann Grainge Anfang Februar seine Gratulation an Swift. Gut möglich, dass er das mittlerweile anders sieht. Swifts Katalog war wohl eines der größten Druckmittel von Universal in den Verhandlungen mit Tiktok.

Nun ist Swift in keiner Weise dazu verpflichtet, Universal in dem Kampf zu unterstützen. Genauso wenig ist sie für den Erfolg des Albums unbedingt auf Tiktok angewiesen. Womöglich erachtet sie den Nutzen der App, auf der gerade junge Fans oft Musik entdecken und sie in der Folge streamen oder kaufen, aber schlicht als zu reizvoll, um darauf zu verzichten. Vielleicht will sie auch bloß ihre Fans beglücken. Und natürlich hat Universal den Lizenzstreit nicht aus bloßer Selbstlosigkeit eskaliert.

Tiktok-Streit hat Vorgeschichte

Doch ist die Höhe der Zahlungen von Tiktok vielen in der Musikbranche schon lange ein Dorn im Auge. Wie viel Wert Musik einer Plattform selbst bringt und wie viel sie dafür zusätzlich zum Marketingeffekt zahlen soll, ist ein altbekannter Streitpunkt. Auch mit Youtube hat die Branche lange gerungen. Der Aufstieg von Tiktok hat längst Begehrlichkeiten geweckt.

So begrüßten diverse Verbände und Konkurrenten Universals Haltung. Selbst Rob Stringer, Chef von Universals ärgstem Verfolger Sony Music, kritisierte Tiktok kürzlich öffentlich im Gespräch mit der „Financial Times“. Wenn man so will, erweist Swift also nicht nur Universal, sondern der Branche an sich einen Bärendienst. Das muss sie nicht kümmern, verantwortlich ist sie nur für ihre eigene Karriere. Doch passt der Schritt so gar nicht zu der Art und Weise, wie sie sich zuvor gerne in Szene setzte: als Kämpferin für den Wert von Musik und andere Künstler.

Swift kontra Apple und Spotify

2014 ließ sie ihren Katalog aus Protest gegen die werbefinanzierte Gratis-Version von Spotify entfernen. 2015 protestierte sie öffentlich gegen Apples Plan, im für Nutzer kostenfreien Probezeitraum kein Geld für deren Streams an die Musikbranche auszuzahlen. Es gehe nicht um sie, den Star, sondern um kleinere Künstler oder Produzenten im Hintergrund, schrieb sie damals.

Eine Bedingung für den Wechsel zu Universal war ihr zufolge zudem, dass der Konzern die Einnahmen aus dem Verkauf seiner Spotify-Aktien mit seinen Künstlern teilt – ohne sie auf zu begleichende Vorschüsse anzurechnen. Davon werden viele profitieren, auch Swift. Für ihr Tiktok-Comeback gilt das mitnichten.

2024-04-19T12:47:14Z dg43tfdfdgfd