TRANSFORMATION: ZEMENTHERSTELLER DYCKERHOFF WILL CO2-FREIES WERK BAUEN

Ab 2029 soll das Zementwerk im thüringischen Deuna kein Kohlendioxid mehr emittieren. Dyckerhoff gehört damit zu den Pionieren in Deutschland. Die Politik ist aber noch nicht weit genug.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) lobte das Unternehmen Dyckerhoff bei einem Werkbesuch im thüringischen Deuna. Dyckerhoff gehe „wegweisend voran“ und zeige mit seinem Projekt für ein CO2-freies Zementwerk die Ambition und den Willen, in der Zementindustrie Maßstäbe zu setzen.

Der Zement- und Baustoffhersteller Dyckerhoff plant, in seinem Werk in Deuna 350 Millionen Euro in eine CO2-Abscheideanlage zu investieren. Das bei der Zementherstellung freigesetzte CO2 wird eingefangen, verflüssigt und dauerhaft unterirdisch gespeichert. Das Verfahren nennt sich Carbon Capture and Storage, kurz CCS. Die Anlage soll 2029 in Betrieb gehen. Der Baubeginn ist für Ende 2025 geplant.

Dyckerhoff-Geschäftsführer Patrick Klein sagte dem Handelsblatt, Deuna sei ein Leuchtturmprojekt innerhalb des Konzerns. „Wir erwarten, dass das Vorhaben in den ersten Jahren ohne Förderung nicht wirtschaftlich sein wird. Dennoch ist die Investition wichtig, um uns einen Technologievorsprung zu erarbeiten, der uns mittelfristig helfen wird, unsere Marktposition weiter zu verbessern“, sagte Klein.

Der CO2-Einspareffekt durch die neue Anlage ist beträchtlich: Nach Angaben des Unternehmens werden die CO2-Emissionen des Zementwerks Deuna jährlich um rund 620.000 Tonnen reduziert. Damit verringern sich die CO2-Emissionen des Landes Thüringen in den Sektoren Industrie, Gewerbe und Energie um mehr als 20 Prozent.

Auch Heidelberg Materials und Holcim haben CO2-freie Zementwerke angekündigt

Dyckerhoff gehört damit zu den Vorreitern in Deutschland. Das Unternehmen mit Sitz in Wiesbaden betreibt in Deutschland sieben Zementwerke und gehört zur italienischen Buzzi-Gruppe. Neben Dyckerhoff treiben Heidelberg Materials und Holcim ähnliche Projekte voran. Erst Ende April startete der Holcim-Konzern den Bau für die Umstellung auf eine CO2-freie Zementherstellung in seinem Werk im schleswig-holsteinischen Lägerdorf.

Heidelberg Materials will in seinem Werk im nordrhein-westfälischen Geseke ab 2029 ebenfalls CO2-freien Zement herstellen. Im norwegischen Brevik ist Heidelberg Materials schon einen Schritt weiter: Dort errichtet das Unternehmen die weltweit erste Anlage zur CO2-Abscheidung und -Speicherung im industriellen Maßstab in einem Zementwerk.

Die Anlage soll noch in diesem Jahr in Betrieb gehen. Norwegen ist einer der Vorreiter beim CCS-Verfahren, der Aufbau einer kompletten Infrastruktur geht dort in hohem Tempo voran.

Rund acht Prozent der globalen Emissionen entstehen laut dem Verband der deutschen Zementindustrie durch die Zementherstellung. In Deutschland steht sie auf Platz drei der industriellen CO2-Verursacher. Nur die CO2-Emissionen der Stahlwerke und der Raffinerien sind hierzulande noch höher.

Deswegen stehen die Zementhersteller vor großen Umwälzungen. Bei der Herstellung des Baustoffs lassen sich CO2-Emmissionen nicht komplett vermeiden, da sie beim Brennen von Kalkstein entstehen. Darum bleibt nur die Möglichkeit, das CO2 abzuscheiden und zu speichern oder es weiterzuverwenden. Zwar entsteht das klimaschädliche Gas, durch eine Speicherung gilt in der Industrie die Produktion dennoch als CO2-frei.

Ähnlich verhält es sich bei der Kalkindustrie und bei der Abfallverbrennung. Das unterscheidet die drei Branchen von anderen Industriebranchen, die auf komplett CO2-freie Verfahren umstellen können, indem sie Strom aus erneuerbaren Quellen oder klimaneutralen Wasserstoff einsetzen.

Bundesregierung sieht Handlungsbedarf, arbeitet aber noch an einer Lösung

Die Bundesregierung hat erkannt, dass sie für die Branchen mit unvermeidbaren CO2-Emissionen einen Rechtsrahmen schaffen muss, der die Anwendung des CCS-Verfahrens ermöglicht. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte Ende Februar die Eckpunkte für eine Carbon-Management-Strategie (CMS) sowie einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) vorgelegt.

Habeck hatte bei der Präsentation seiner Pläne damit überrascht, dass er eine CO2-Speicherung im deutschen Teil der Nordsee nicht ausschließt. Auch den Einsatz der CCS-Technologie in Kombination mit Gaskraftwerken will Habeck zulassen.

Doch die Umsetzung lässt auf sich warten. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium heißt es, aktuell befänden sich die CMS-Eckpunkte sowie der Gesetzentwurf zur Änderung des KSpG in der Ressortabstimmung. In Regierungskreisen heißt es, das Kabinett wolle sich noch im Mai damit befassen.

Danach entscheiden die Bundestagsfraktionen. Hier könnte Widerstand aus den eigenen Reihen Habecks kommen. Bei den Grünen ist das Thema CCS nicht sonderlich beliebt. Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte dem Handelsblatt: „CCS kann nur bei unvermeidbaren Emissionen sinnvoll sein und darf keine fossilen Geschäftsmodelle verlängern. Entsprechend halte ich den Einsatz an fossilen Gaskraftwerken, aber auch in der Stahlproduktion, nicht für zielführend. Über einen Ausschluss solcher Prozesse werden wir sprechen müssen.“

Entscheidend bei der Speicherfrage seien „der strikte Ausschluss von Schutzgebieten und klare ökologische Kriterien“, so Badum weiter. Inwiefern das auf die Speicherung im deutschen Teil der Nordsee zutreffe, müsse man im Gesetzgebungsverfahren klären.

CO2 aus Deuna soll zunächst per Zug abtransportiert werden

Dyckerhoff will bei seinem Projekt in Deuna das CO2 außerhalb Deutschlands speichern. Geplant ist, das verflüssigte CO2 mit Güterzügen abzutransportieren. „Wir können das CO2 per Kesselwagen abtransportieren und müssen nicht warten, bis das Werk an ein CO2-Pipelinenetz angebunden ist“, erklärte Dyckerhoff-Geschäftsführer Klein.

Die deutsche Zementbranche hat kürzlich Vorschläge für ein CO2-Pipelinenetz vorgestellt und drängt darauf, möglichst schnell mit der Umsetzung zu beginnen. Doch es dürften noch Jahre vergehen, ehe das Netz fertiggestellt ist. „Perspektivisch ist die Anbindung an ein CO2-Pipelinenetz sinnvoll. Bis dahin können wir auf die Bahnlogistik zurückgreifen“, sagte Klein.

Per Bahn soll das CO2 bis nach Wilhelmshaven transportiert werden, dort soll es über den geplanten „Green Energy Hub“ des Unternehmens TES zunächst per Schiff, später per Pipeline weitertransportiert und schließlich im norwegischen Teil der Nordsee gespeichert werden.

Auch hier bestehen im Moment noch Hürden: Unternehmen dürfen CO2 bisher nicht aus Deutschland heraustransportieren, um es etwa in Norwegen, Dänemark oder den Niederlanden unter dem Meeresgrund zu speichern. Geregelt ist dies im Londoner Protokoll, einem internationalen Abkommen, das dem Meeresschutz dient.

Die Vertragspartner haben sich zwar darauf verständigt, diese Bestimmung zu ändern; Deutschland muss die Änderung aber erst ratifizieren. Das soll nun passieren, heißt es in einem Papier aus dem Wirtschaftsministerium.

Zuständig ist dafür allerdings das Umweltministerium, das die seit vielen Jahren diskutierte Ratifizierung nur zurückhaltend betreibt. Bis zur Verabschiedung der Eckpunkte der Carbon-Management-Strategie und der gemeinsamen Klärung offener Fragen werde das Umweltministerium keine eigenen Schritte einleiten, sagte eine Sprecherin von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Donnerstag.

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