WIRTSCHAFTSPRüFUNG: WIRECARD-KLäGER WERFEN EY „TRICKS“ VOR UND VERLANGEN SICHERHEITEN

Der Umbau von EY Deutschland bringt die Kläger im Wirecard-Skandal auf. Sie fordern von dem Wirtschaftsprüfer Sicherheiten für möglichen Schadenersatz.

Die rechtliche Neuordnung von EY Deutschland sorgt für weiteren Wirbel. Vertreter von Klägern im Fall Wirecard werfen der Gesellschaft vor, sich mit dem Umbau möglichen Haftungsansprüchen entziehen zu wollen, was EY bestreitet. Nun wollen sie EY dazu zwingen, Sicherheiten für mögliche künftige Schadenersatzzahlungen zu hinterlegen.

Einen solchen Vorstoß kündigt nun die Berliner Kanzlei Schirp & Partner dem Handelsblatt an. Die Fachanwälte für Kapitalmarktrecht vertreten 1500 frühere Aktionäre von Wirecard. Sie wollen von EY Schadenersatz wegen möglicher Prüfungsfehler gerichtlich erstreiten.

EY war mehr als ein Jahrzehnt lang Abschlussprüfer bei dem 2020 zusammengebrochenen Zahlungsdienstleiser und hatte die Bilanzen bis 2018 uneingeschränkt testiert. Das brachte EY und einzelne Berufsträger in den Verdacht, nachlässig kontrolliert zu haben. Insgesamt liegen mittlerweile mehr als 4000 Klagen gegen EY am Landgericht München vor. Die Ansprüche gehen in Milliardenhöhe.

///EY hat Deutschlandgeschäft neu strukturiert // .

„Wir werden für die von uns vertretenen Kläger Sicherheiten verlangen, und ich hoffe sehr, dass die anderen großen Klägervertreter genauso vorgehen“, sagt Klägeranwalt Wolfgang Schirp. Er wirft EY „Tricksereien“ vor, die man aber mit „einem gemeinsamen Vorstoß“ noch stoppen könne. Doch eine Durchsetzung eines solchen Verlangens könnte aus Sicht von Rechtsexperten schwierig werden.

Grund für den Unmut ist die in den vergangenen Wochen weitgehend unbemerkt vollzogene Neuorganisation von EY in Deutschland. Beklagte im Fall Wirecard ist die jahrzehntelang bestehende Ernst & Young GmbH, die mit ihrem vollen Vermögen für mögliche Rechtsansprüche geradestehen muss. Dazu zählen in der Gesellschaft zusammengefasste Geschäfte von EY mit Prüfung, Steuerberatung und Managementberatung.

Anfang Februar jedoch hat EY diese GmbH in eine Kommanditgesellschaft (KG) gewandelt. Diese erbt zwar alle rechtlichen Risiken ihrer Vorgängerin, also auch die Wirecard-Klagen. Doch die Haftungen sind mit dem Wechsel neu geregelt. Die vier operativ eigenständigen Firmensparten, die EY zunächst als Kommanditisten eingesetzt hat, haften nur begrenzt mit niedrigen Summen.

///Unternehmen bestreitet Auswirkungen auf die Haftung // .

Direkt mit der Umwandlung haben drei dieser Gesellschafter die KG schon wieder verlassen: die Steuerberater, die Strategieberater und die Managementberater von EY. Sie haben ihre Vermögenswerte mitgenommen und haften jetzt nur noch für weitere fünf Jahre mit begrenzten Summen. Für möglichen Schadenersatz an Wirecard-Kläger müssten sie danach überhaupt nicht mehr geradestehen.

Übrig bleiben in der KG als Haftungsmasse die Versicherung von EY und das Vermögen der Wirtschaftsprüfung. Das Unternehmen begründet den Umbau mit der Anpassung an die Struktur der internationalen EY-Organisation und mit der stärkeren Trennung von Prüfung und Beratung. Der Weg über die KG-Umwandlung erfolge aus steuerlichen Gründen.

„Die vorgenommenen gesellschaftsrechtlichen Veränderungen haben keinerlei Auswirkungen auf die Haftungsrisiken für bestehende und abgeschlossene Mandate oder auf laufende Zivilverfahren“, schreibt EY mit Bezug auf den Wirecard-Fall.

Das bewertet Anwalt Schirp anders. Er befürchtet, dass Kläger, selbst wenn sie gewinnen, am Ende mit leeren Händen dastehen könnten, weil nicht ausreichend Haftungsmasse vorliegt.

„Wir sind überzeugt, dass es EY in erster Linie darum geht, die Haftung für den Wirecard-Skandal einzugrenzen und die drei flüchtenden Service Lines, also die Steuerberatung, die Strategieberatung und das Consulting, aus der Haftung herauszubekommen“, sagt Schirp.

///Kläger fordern Sicherheitsleistungen // .

Nun will die Klägerseite den Druck auf EY erhöhen. Schirp plant, dazu eine Regelung im deutschen Umwandlungsgesetz zu nutzen, die auch für den Formwechsel von EY in eine KG gilt. Demnach können Gläubiger binnen sechs Monaten ihre Ansprüche gegenüber EY geltend machen. Sie müssen aber glaubhaft machen, dass durch den Schritt die Erfüllung ihrer Forderungen gefährdet ist.

Praktisch bedeutet dies: EY soll eine Sicherheitsleistung in Form einer Bürgschaft oder Hinterlegung tätigen, die den Schadenersatzforderungen der Kläger entspricht. Die Kanzlei will dabei nicht nur die neu gegründete und geschrumpfte KG in Anspruch nehmen, sondern auch die drei ausgetretenen und eigenständigen Beratungseinheiten.

EY wies die Forderung nach Sicherheiten als haltlos zurück. „Die vermeintlichen Ansprüche der Wirecard-Anleger gegen EY sind bereits fällig und in Milliardenhöhe eingeklagt. Ein Anspruch auf Sicherheitsleistung scheidet daher aus“, teilte die Gesellschaft auf Anfrage mit.

Tatsächlich könnte es für die Gläubiger schwierig werden, ein solches Sicherheitsverlangen im Fall Wirecard durchzusetzen. Mögliche Schadenersatz-Zahlungen von EY an frühere Wirecard-Aktionäre sind noch gar nicht absehbar. Bisherige Prozesse gingen zugunsten von EY aus.

///Musterprozess könnte sich noch Jahre hinziehen // .

Ohnehin müssen die Kläger Geduld mitbringen: Der Großteil der Verfahren ist mit Blick auf ein vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht geführtes Musterverfahren zunächst ausgesetzt. Durch das Verfahren soll eine Entscheidung stellvertretend für Tausende andere Klagen herbeigeführt werden. Bis zum Abschluss des Musterprozesses dürften allerdings noch mehrere Jahre vergehen.

Bisher ist nur ein Verfahren für EY in Sachen Wirecard abgeschlossen: das der deutschen Prüferaufsicht Apas. Die Behörde hat sich die Arbeit der Abschlussprüfer von EY bei Wirecard im Detail abgeschaut und zahlreiche Pflichtverletzungen festgestellt.

Am Dienstag hatte EY Deutschland den Bescheid der Apas und die verhängte Strafe akzeptiert. Die Gesellschaft muss nun eine halbe Million Euro Strafe zahlen und darf zwei Jahre lang keine neuen Prüfungsmandate ausführen.

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