AUFTAKT ZU PROZESS GEGEN ARZT AUS QUERDENKER-SZENE

Pandemie

Auftakt zu Prozess gegen Arzt aus Querdenker-Szene

Der Hamburger Mediziner Walter Weber soll zahlreiche falsche Atteste zur Befreiung der Maskenpflicht ausgestellt haben.

Seine Fans sind zu Dutzenden gekommen. Als Walter Weber das Gerichtsgebäude verlässt, wird er mit stürmischem Applaus, Johlen und „Walter, Walter“-Rufen empfangen. Wer es noch nicht gewusst haben sollte, kann es jetzt live erleben: Der Arzt aus dem eleganten Hamburger Stadtteil Winterhude ist ein Star der Corona-Leugnungs-Szene.

Seit Montag muss sich der Mitgründer der querdenkerischen Initiative „Ärzte für Aufklärung“ vor dem Landgericht der Hansestadt verantworten, weil er massenhaft falsche Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt haben soll. Der 80-Jährige soll Menschen ohne jede Untersuchung bescheinigt haben, keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen zu können.

Manchmal begründete er das laut Anklage mit „Panikattacken“ oder „Symptomen einer CO2-Vergiftung“ – obwohl ihm als Internist und Onkologe für eine solche Diagnose die nötige fachärztliche Expertise gefehlt haben dürfte. Bei den meisten der 57 Fälle, die Staatsanwältin Caroline Schimpeler beim Prozessauftakt auflistet, soll er sich gar nicht erst die Mühe gemacht haben, einen Befund oder eine konkrete Diagnose auf dem Attest einzutragen.

Weber war ein gefragter Redner bei Corona-Demos, verbreitete eifrig Verschwörungserzählungen. Auf der von ihm verantworteten Internetseite der „Ärzte für Aufklärung“ wird bis heute in immer neuen Beiträgen bestritten, dass es jemals eine Corona-Pandemie gegeben habe. Dass bei ihm ein Anruf reichte, um sich vermeintlich von der Maskenpflicht befreien zu können, war weit über Hamburg hinaus bekannt: Seine Kundschaft kam laut Staatsanwaltschaft aus dem ganzen Bundesgebiet.

Schon vor Corona auffällig

Im Gerichtssaal schweigt der Arzt zu den Vorwürfen. Er spricht lieber draußen zu seiner Gefolgschaft. „Ich habe mich an die Gesetze und an die Berufsordnung gehalten“, beteuert Weber und genießt den Jubel, den Applaus, die Umarmungen. „Ich bedanke mich für die emotionale, finanzielle, tatkräftige und spirituelle Unterstützung.“

Die Corona-Pandemie war nicht die erste Gelegenheit, bei der der Mediziner mit fragwürdigen Thesen auffiel. Als Onkologe richtet er seine Behandlung an der persönlichen Annahme aus, dass Krebs maßgeblich durch „psychosomatischen Stress“ und „ungelöste Konflikte“ verursacht werde. Dabei bezieht sich Weber auch auf den antisemitischen Verschwörungsideologen Ryke Geerd Hamer (1935-2017), dessen pseudomedizinische „Germanische Neue Medizin“ mehrere hundert Menschen das Leben gekostet haben soll.

Mit einem Attest sorgte Weber schon einmal für Schlagzeilen: Im Jahr 2000 sprang er einer wegen einer rassistischen Beleidigung angeklagten Rentnerin zur Seite, indem er ihr bescheinigte, in Gegenwart von Schwarzen Menschen „Angstzustände“ zu bekommen.

In seinem eigenen Prozess wollen Verteidiger Ivan Künnemann und Sven Lausen einen Freispruch erreichen. Ihr Mandant, erklären sie, habe „in keinem Fall ein unrichtiges Gesundheitszeugnis wider besseres Wissen ausgestellt“. Körperliche Untersuchungen seien für ein Attest nicht zwingend vorgeschrieben, Krankschreibungen per Telefon damals erwünscht gewesen und die Verordnungen zur Befreiung von der Maskenpflicht ohnehin verfassungswidrig.

Für den Prozess sind weitere 17 Verhandlungstage bis Ende September angesetzt. Bei einer Verurteilung drohen dem Querdenken-Idol bis zu zwei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.

2024-05-06T13:21:38Z dg43tfdfdgfd