BOSCH EBIKE CONNECT: DAS MERKWüRDIGE RADEL-VERBOT FüR BEAMTE

Wer im öffentlichen Dienst arbeitet, muss auf eine App zur Fahrradnavigation verzichten, behauptet Bosch. Was steckt hinter der Meldung?

Wer in den vergangenen Wochen das E-Bike aus der Winterruhe geholt hat und erste Frühlingstouren planen wollte, kam mitunter ins Stutzen. Die Bosch-App eBike Connect blendete Nutzern eine merkwürdige Nachricht ein. »Der Zugriff oder die Nutzung der Adressensuchfunktion von eBike Connect durch US-Beamte oder Nutzer, die im Auftrag von US-Behörden handeln, ist untersagt.«

In juristisch verquaster Sprache ging es weiter. Neben US-Beamten sollten auch »Personen, die im Auftrag einer Behörde, eines Ministeriums oder einer Körperschaft öffentlichen Rechts auf Bundes-, Landes-, Kommunalebene usw. eines anderen Staates als der USA handeln« auf die Adressensuche verzichten. Also fast jeder im öffentlichen Dienst jedes Landes.

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Die App ist für Pedelecs mit dem Bosch eBike-System 2 wichtig. Bosch stattet die Modelle von vielen Fahrradherstellern mit Motoren und der notwendigen Steuerungselektronik aus. Die Besitzer benötigen die App etwa, um aktuelles Kartenmaterial auf den vormontierten Fahrradcomputer aufzuspielen, ihre Smartwatch mit dem System zu koppeln oder Daten mit Fitness-Apps auszutauschen. Allein für Android-Smartphones wurde die App laut Google mehr als 500.000 Mal heruntergeladen.

Warum sollte man das nicht mehr problemlos dürfen, wenn man für irgendeine öffentliche Stelle arbeitet – von den US-Geheimdiensten bis hin zum lokalen Schwimmbad einer deutschen Kleinstadt?

Verantwortung wird weitergereicht

Auf Nachfrage erklärt Bosch, dass man nicht selbst hinter der merkwürdigen Einblendung stecke. »Grund hierfür sind Auflagen des Drittanbieters Mapbox, der für die eBike Connect App seit diesem Update die Adressensuchfunktion zur Verfügung stellt«, erklärt ein Unternehmenssprecher. »Das US-amerikanische Unternehmen ist rechtlich dazu verpflichtet, den in dem Pop-up enthaltenen Hinweis zur Nutzung seiner Dienste zu geben.«

Der Anbieter Mapbox wird den meisten Nutzerinnen und Nutzern seiner Dienste kein Begriff sein, obwohl die Firma nach eigenen Angaben weltweit Hunderte von Millionen Menschen mit Daten beliefert. Vereinfacht gesagt handelt es sich um einen Konkurrenten von Google Maps. Warum sollte der Anbieter der seine Adresssuche so fundamental beschränken?

»Weder darum gebeten, noch erwartet«

Eine Nachfrage in der Firmenzentrale in San Francisco zeigt: Auch Mapbox kann sich das Pop-up nicht erklären. Nach Rücksprache mit den Fachabteilungen erklärte ein Firmensprecher: »Dieser Hinweis scheint das Resultat eines Missverständnisses zu sein. Mapbox hat weder darum gebeten, noch erwartet, dass dieser Hinweis in die App aufgenommen wird.«

Zwar hat das Unternehmen auf seiner Website separate Vertragsbedingungen für Mitarbeiter der US-Regierung aufgeführt. Diese gälten aber nur für Verträge, bei denen Produkte und Dienstleistungen explizit an Regierungsstellen verkauft würden. Nötig sind solche Sonderregelungen, weil Mapbox nicht nur Kartendienste anbietet, sondern auch Bewegungsdaten systematisch auswertet und kommerziell verwertet. Da die Firma ihre Dienste in viele Produkte, von der E-Bike-App bis hin zum Bordcomputer von Autos, integriert, ist die Datensammlung beeindruckend groß. Das macht Mapbox etwa deutlich, indem es die Reisebewegungen in den USA zur Sonnenfinsternis visualisiert.

Solche Daten sind mitunter brisant, selbst wenn sie anonymisiert werden. Dies musste etwa der Fitness-Anbieter Strava feststellen, als öffentlich sichtbare Joggingrouten auf der Plattform geheime US-Militärstützpunkte verrieten. Mittlerweile reagieren Behörden auf Datensammlungen empfindlich, im Februar hat US-Präsident Joe Biden den Handel mit solchen Daten per Regierungsdekret beschränkt.

Einwilligung präventiv abgefragt

Mapbox bestreitet, dass diese Entwicklungen zum Pop-up in Boschs eBike-App geführt hätten. Mehr noch: Mit der Antwort von Mapbox konfrontiert, kann auch Bosch nicht mehr erklären, warum sie den merkwürdigen Dialog integriert haben. Das Pop-up könne daher voraussichtlich in der nächsten Version der App entfallen, heißt es vom Unternehmen.

Für Frederick Richter, Vorstand der Stiftung Datenschutz, sind solche Missverständnisse nichts Ungewöhnliches. »Bei Verantwortlichen herrscht leider immer noch die verbreitete Meinung, lieber ›für alle Fälle‹ eine Einwilligung einzuholen«, erklärt der Experte dem SPIEGEL.

Aber auch unter dieser Prämisse ergebe der Text des Pop-ups wenig Sinn. Öffentlich Bediensteten die Nutzung eines Dienstes zu verbieten, entbinde einen Anbieter nicht davon, gesetzliche Vorschriften zu beachten. »Man stelle sich vor, Club-Besitzer untersagen den Zutritt von Polizeibeamten«, sagt der Datenschutz-Experte.

2024-04-25T05:15:02Z dg43tfdfdgfd