DIE NEUE ÖKO-ANGST DER US-KONZERNE

Das Zurschaustellen von sozialen und grünen Zielen würden Konzerne vor allem fürs eigene Image nutzen, kritisieren viele US-Republikaner. Inzwischen schweigen US-Firmen aber zunehmend über solche ESG-Standards. Denn im Falle eines Trump-Wahlsiegs drohen ihnen wohl harte Konsequenzen.

Es war eine kleine Änderung mit großer Signalwirkung, die Coca-Cola da gesendet hat. Um die Nachhaltigkeit im Unternehmen zu bewerben, veröffentlichte der Getränke-Gigant im Jahr 2022 seinen sogenannten „Business & ESG“-Report. Die drei Buchstaben stehen für „Environmental, Social and Corporate Governance“, auf Deutsch also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Doch im vergangenen Jahr war von ESG plötzlich nicht mehr die Rede. Die Neuauflage des Berichts nannte Coca-Cola kurzerhand nur noch „Business & Sustainability“-Report.

Amerikanische Unternehmen fürchten plötzlich den ESG-Begriff. Worunter vor wenigen Jahren noch öffentlichkeitswirksam positives Handeln angepriesen wurde, ist jetzt Teil des politischen Kulturkampfes geworden. Vor allem die Republikaner werfen den Konzernen vor, mit dem Zurschaustellen ihr Image aufpolieren zu wollen.

Davon ist besonders die Wall Street betroffen. Sollte Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl im November gewinnen, würden Finanzunternehmen bei ihren Geschäften wohl weitreichende Konsequenzen drohen – jedenfalls dann, wenn sie ESG-Standards weiterhin in den Mittelpunkt ihrer Investitionen stellen. Die Folge könnte ein ganz neuer Trend sein: sogenanntes Greenhushing.

Bereits jetzt lässt sich diese Zurückhaltung messen. Die Führungskräfteberatung Teneo hat im Dezember 2023 weltweit 260 Geschäftsführer großer Unternehmen befragt, wie sie mit der fortschreitenden Politisierung des ESG-Begriffs umgehen. Fast die Hälfte erklärte demnach, ihre Bemühungen beibehalten, aber eben seltener nach außen kommunizieren zu wollen. Acht Prozent der Befragten gaben hingegen an, wegen des sich verschärfenden Kulturkampfes ihre ESG-Bemühungen herunterzufahren.

Mit Donald Trump im Weißen Haus dürfte sich das noch verschärfen. Hunderte erzkonservative Republikaner haben bereits an einem detaillierten Konzept für seine mögliche Präsidentschaft gearbeitet. Im sogenannten „Project 2025“ haben sich mehr als 80 Organisationen unter der Leitung der Heritage Foundation zusammengeschlossen, einer nationalkonservativen Denkfabrik aus Washington. In dem Papier finden sich auch konkrete Ideen zum entschiedenen Vorgehen gegen die ESG-Standards.

Die nächste US-Regierung solle demnach den Kongress dazu aufrufen, die „ESG-Praktiken auf wettbewerbsfeindliche Aktivitäten und mögliche unfaire Handelspraktiken“ zu prüfen. Außerdem verlangen die Autoren, unter der US-Wettbewerbsbehörde FTC eine eigene Taskforce für ESG-Absprachen aufzubauen.

Diese Stelle soll dann untersuchen, ob Firmen „diese Praktiken als Mittel zur Erreichung von Zielen, zur Festsetzung von Preisen oder zur Verringerung der Produktion einsetzen“, wie es heißt.

Auch bei den Anlegern sinkt weltweit das Interesse an solchen Investments, wie eine aktuelle Studie von American Century Investments zeigt. Der Vermögensverwalter führt jährlich repräsentative Umfragen zum sogenannten Impact-Investing durch. Gemeint ist eine Anlagestrategie, die darauf abzielt, Renditen zu erwirtschaften und dabei gleichzeitig eine positive soziale oder ökologische Wirkung zu erzielen.

In Deutschland halten demnach nur noch 47 Prozent der Anleger dieses Konzept für attraktiv. Im Vorjahr lag der Wert noch bei 51 Prozent. Und auch in anderen Märkten sinkt die Beliebtheit des Impact-Investings, so etwa in Großbritannien, Asien und den USA.

Früher hätten Impact-Investoren nur niedrige Renditen erwartet, um dafür Wirkung erzielen zu können. Doch dieses Bild habe sich geändert, erklärt Sarah Bratton Hughes, Leiterin für nachhaltige Anlagen bei American Century Investments. „Impact-Investoren erwarten heutzutage wettbewerbsfähige Renditen.“

Tatsächlich sind laut der Umfrage weniger Anleger bereit, zugunsten einer positiven Wirkung auf Erträge zu verzichten als in den Jahren zuvor. In Deutschland sagen dies nur noch 31 Prozent statt wie im Vorjahr rund 35 Prozent. Einzig in den USA scheinen Anleger geduldiger zu sein: Hier sind aktuell sogar etwas mehr Menschen bereit, für einen guten Zweck auf Rendite zu verzichten, als noch im vergangenen Jahr.

Neben der Renditeerwartung nannten die befragten Anleger auch Greenwashing, oder aber jüngste Rückschritte bei den Nachhaltigkeitsbemühungen als Gründe für gesunkenes Interesse am Impact-Investing.

Die Reaktion der Unternehmen und Finanzmärkte könnte eine sein, die Experten als „Greenhushing“ bezeichnen. Gemeint ist, dass Akteure absichtlich nur noch wenig über ihre ESG-Bemühungen sprechen. Die Anti-ESG-Lobby habe Investoren „das Fürchten gelehrt“, sagte Mark Campanale, Direktor der Denkfabrik Carbon Tracker, zuletzt gegenüber der Nachrichtenagentur „Bloomberg“. „Institutionen werden sich weiterhin um Nachhaltigkeit bemühen, aber sie werden es tun, ohne sich dabei zur Schau zu stellen“, ist er überzeugt.

Wie das geht, macht Coca-Cola schon mal vor. Auch wenn im Titel des Berichts nicht mehr die drei Buchstaben ESG prangen – der Inhalt ist in etwa gleich geblieben.

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