«ES HANDELT SICH UM EIN KRIEGSSZENARIO» – ZAHLREICHE TOTE DURCH ÜBERSCHWEMMUNGEN IN BRASILIEN

1,6 Millionen Menschen füllten am vergangenen Samstagabend den Copacabana-Strand in Rio de Janeiro. Der Pop-Star Madonna gab dort ein Konzert, gratis, als Abschluss ihrer Welttournee «The Celebration Tour».

Während die Besucher ausgelassen feierten, kämpfen weiter südlich im Gliedstaat Rio Grande do Sul die Menschen gegen die Wassermassen. Seit mehr als einer Woche regnet es heftig, grossflächige Überschwemmungen sowie Erdrutsche sind die Folge. Der Gouverneur Eduardo Leite sprach von einem «Kriegsszenario». Entsprechende Massnahmen seien gefordert. Rio Grande do Sul benötige einen Marshall-Plan, um sich von den Unwettern und ihren Folgen zu erholen.

Häuser und Brücken wurden beschädigt, zahlreiche Strassen wurden unpassierbar. Ein Staudamm war teilweise gebrochen. Weitere sechs Staudämme waren zeitweise akut vom Einsturz bedroht, wie die Lokalzeitung «O Sul» am Sonntag berichtete. Gegenmassnahmen seien eingeleitet worden. In Porto Alegre, der Hauptstadt des Gliedstaates, erreichte der Guaíba, ein Zusammenfluss mehrerer Flüsse, laut dem städtischen Zivilschutz am Freitagabend einen Rekordpegelstand von 4,77 Metern.

Am Donnerstag (9. 5.) ist die Zahl der Toten auf 107 gestiegen. Sie könnte sich noch deutlich erhöhen, da laut dem brasilianischen Zivilschutz noch mindestens 134 Personen vermisst werden. Zudem seien mindestens 754 Personen verletzt. Von dem Hochwasser seien mehr als 1,7 Millionen Menschen in 431 Ortschaften der Region betroffen. Mehr als 395 000 Einwohnerinnen und Einwohner mussten ihre Häuser verlassen, 400 000 Menschen waren am Sonntag ohne Elektrizität. Rund 840 000 haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Der Bürgermeister von Porto Alegre, Sebastião Melo, erklärte auf X, dass vier der sechs Aufbereitungsanlagen der Stadt ausgefallen seien. Das Trinkwasser müsse daher rationiert werden.

Den über 2000 Rettungskräften, die auch vom Militär unterstützt werden, läuft die Zeit davon, um Menschen zu retten, die von den Wassermassen eingeschlossen oder unter Schlammlawinen begraben sind. Mit Allradfahrzeugen und Jetski suchen sie nach Opfern. Brasiliens Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva reiste am Sonntag zum zweiten Mal in die betroffene Region. Zuvor teilte er in den sozialen Netzwerken ein Video, das zeigt, wie ein Helikopter einen Soldaten auf einem Hausdach absetzt. Der Soldat schlägt mit einem Ziegel ein Loch in das Dach und rettet ein Baby.

In einer Notunterkunft in Porto Alegre schilderte Kaeli Moraes gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, wie sie zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Kindern gerettet wurde, als das Wasser fast den zweiten Stock ihres Hauses erreicht hatte. «Es gab Überschwemmungen im September, dann im November und jetzt diese. Es wird nur noch schlimmer», sagte Moraes.

Auch Präsident Silva sprach von einer der grössten Überschwemmungen in der Geschichte des Landes. «Noch nie in der Geschichte Brasiliens hat es an einem Ort so viel Regen gegeben.»

Nicht nur mit den Wassermassen haben die Menschen zu kämpfen, sondern auch mit Fake News. In einem Kommentar des Portals «Gauchazh» heisst es, man verbringe mehr Zeit damit, Falschmeldungen zu entlarven, als neue Informationen zu liefern. Eine der Fake-News-Meldungen berichtet von Tausenden von Leichen, die im Städtchen Canoas treiben würden. Der Bürgermeister Jairo Jorge habe das dementiert und lediglich zwei Tote bestätigt. Auch versuchten Kriminelle zu profitieren, indem sie das Bild der Karte der Landesregierung benutzten und eine andere Telefonnummer darüber schrieben, um Geldspenden abzuzweigen. Zudem versuchten Kriminelle Boote und Motorräder von freiwilligen Helfern in Canoas zu stehlen.

Klimawandel könnte Wettermuster verschärft haben

Rio Grande do Sul befindet sich an einem geografischen Schnittpunkt zwischen tropischer und polarer Luft. Daher kommt es dort manchmal zu intensiven Regenfällen, doch dann wiederum zu Dürreperioden. Örtliche Wissenschafter glauben, dass sich dieses Muster aufgrund des Klimawandels verschärft hat. Teile der derzeit betroffenen Region hatten bereits im vergangenen September Unwetter und Überschwemmungen mit Dutzenden von Todesopfern erlebt.

Für den Montag wurde nur im äussersten Süden von Rio Grande do Sul Regen erwartet, was die Situation entspannen dürfte. In einigen Gebieten des Gliedstaates öffnen am Dienstag wieder die Schulen.

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