REPUBLIKANISCHER WAHLKAMPF: NICHT ALLES HAT TRUMP UNTER KONTROLLE

Im Strafprozess gegen Donald Trump in New York ist die Auswahl der Geschworenen schneller vorangekommen als erwartet. Am Dienstag wurden sieben der zwölf Sitze im Gerichtssaal in Manhattan besetzt. Richter Juan Merchan musste einmal eingreifen, als der Angeklagte ungefragt etwas in Richtung Jury äußerte. An Verteidiger Todd Blanche gewandt, sagte Merchan, er dulde ein solches Verhalten nicht. In seinem Gerichtssaal würden keine Geschworenen eingeschüchtert. So lief Tag zwei des ersten Strafprozesses gegen einen früheren Präsidenten. Der republikanische Kandidat für die Wahl im November hat wegen des Gerichtsverfahrens seinen Sitz kurzzeitig von Mar-a-Lago in Florida zurück in seine alte Heimat verlegt. Nach den Prozesstagen residiert er wieder, wie vor seiner Amtszeit in Washington, im Trump-Tower an der Fifth Avenue in Manhattan.

Die Demokraten versuchen derweil, ihre Botschaft zu verbreiten: Während Trump sich im ersten von vier Strafprozessen verantworten muss, regiere Joe Biden das Land, vertrete die Interessen der Amerikaner und widme sich dem Wahlkampf. Er flog am Dienstag nach Scranton in Pennsylvania. Der Bundesstaat ist nicht nur seine erste Heimat, sondern auch einer der zentralen Swing States, die im November hoch umkämpft sein werden. Trump freilich nutzt den Gerichtssaal in New York als Wahlkampfbühne. Vor und nach den Prozesstagen klagt er über „politische Strafverfolgung“ und „Wahleinmischung“, dann bittet er um Spenden für seine Kampagne. Zudem bestimmt er auch ohne seine Präsenz die Dinge in Washington. Egal ob im Senat, im Repräsentantenhaus oder im Supreme Court. Immer geht es auch um Trump.

Der Oberste Gerichtshof etwa befasste sich am Dienstag in einer An­hörung mit der Frage, ob es rechtens war, dass Hunderte Randalierer, die am 6. Januar das Kapitol erstürmten, unter anderem angeklagt wurden, weil sie ein „offizielles Verfahren behindert“ haben. Die Justiz hatte dies 350 Randalierern vorgeworfen, 100 sind auf dieser Grundlage schon verurteilt worden. Andere Anklagepunkte reichten von Hausfriedensbruch bis hin zu schwerer Körperverletzung.

Verschleppungstaktik des Supreme Court

Die Anklage wegen „Behinderung ei­nes offiziellen Verfahrens“ stützt sich auf ein Gesetz aus dem Jahre 2002. Damals verabschiedete der Kongress vor dem Hintergrund des Enron-Skandals, in dessen Zuge nicht nur der Energiekonzern pleiteging, sondern auch Wirtschaftsprüfer Dokumente vernich­te­ten, den Sarbanes-Oxley-Act. Dieses Gesetz schloss ein Schlupfloch, indem es den Straftatbestand der Beweismittelvernichtung ausweitete. An einer Stelle des Gesetzes heißt es, auch „anderweitige“ Versuche, offizielle Verfahren zu behindern, seien strafbewehrt.

Die Obersten Richter müssen nun klären, ob der Versuch, die Beglaubigung des Wahlsieges Joe Bidens zu behindern, die am 6. Januar 2021 in einer gemeinsamen Sitzung beider Kongresskammern – nach mehrstündiger Unterbrechung – erfolgte, darunter fällt. Einige Verfassungsrichter, darunter die Konservativen Neil Gorsuch und Samuel Alito, äußerten Bedenken und schienen nahezulegen, diese Auslegung könnte den Strafverfolgern zu viel Macht geben. Letztlich könnten dann auch Demonstranten, die eine Kongressausschusssitzung störten, auf dieser Grundlage verurteilt werden.

Mit einem Urteil des Supreme Court wird Ende Juni gerechnet. Sollte der Oberste Gerichtshof den Klägern recht geben, wäre auch der Strafprozess ge­gen Trump in Washington davon betroffen, da auch Sonderermittler Jack Smith Trump unter anderem auf dieser Grundlage angeklagt hat. Der Prozess in Washington lässt auf sich warten, weil der Supreme Court vorher entscheiden muss, ob ehemalige Präsidenten eine Immunität für Amtshandlungen genießen. Einige Beobachter bewerten den Umstand, dass sich die Verfassungsrichter erst mit der Klage gegen die Anwendung des Sarbanes-Oxley-Gesetzes beschäftigen, als bewusste Verschleppungstaktik.

Auch im Kongress dreht sich derzeit – in der ein oder anderen Form – alles um Trump. Nach Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas überbrachten die Republikaner im Repräsentantenhaus am Dienstag die Anklagepunkte dem Senat. Dieser ist nun aufgefordert, Bidens Minister den Prozess zu machen. Es ist das erste Amtsenthebungsverfahren gegen ein Kabinettsmitglied seit 150 Jahren. Die Republikaner werfen ihm eine „absichtliche und systematische Weigerung“ vor, die Gesetze zur Grenzsicherung anzuwenden. Im Senat wird damit gerechnet, dass die Demokraten die Vorwürfe schnell zurückweisen und zur Tagesordnung zurückkehren.

Sprecher Johnson droht die Absetzung

Trump hatte schon vor Wochen die Linie vorgegeben, die Migrationskrise ins Zentrum seines Wahlkampfs zu stellen. Deshalb hatte er auch die Republikaner im Kongress aufgefordert, ei­nen bereits ausgehandelten fraktionsübergreifenden Kompromiss zur Verschärfung der Grenzsicherung im Gegenzug für die Ukrainehilfe scheitern zu lassen. Es ist aber nicht so, als hätte Trump alles unter Kontrolle. Das zeigt die Causa Mike Johnson. Dem Sprecher des Repräsentantenhauses, der selbst ein Vertreter des rechten Fraktionsflügels ist, droht die Absetzung – weil er es wagt, Kompromisse zu suchen. Es fing mit einem Haushaltsdeal an. Dann ließ der Republikaner eine Abstimmung über die abermalige Mandatierung eines Gesetzes zur Geheimdienstüberwachung zu. Nun will er über die strittige Militärhilfe für die Ukraine abstimmen lassen. Auch dabei ist er von den Stimmen der Demokraten abhängig, da sein rechter Fraktionsflügel sich versperrt.

Ihm droht nun das Schicksal seines Vorgängers Kevin McCarthy, der im Herbst vergangenen Jahres abgesetzt wurde, weil auch er sich mit den Demokraten darauf verständigt hatte, einen Shutdown der Verwaltung zu verhindern. Marjorie Taylor Greene, die schrillste Stimme des Trumpismus am Potomac, hatte schon vor Wochen gedroht, einen Antrag auf Absetzung des Sprechers ins Plenum einzubringen. Nun wird sie von einem zweiten Ab­geordneten unterstützt. Einige Demokraten signalisieren, Johnson zu stützen und eine Absetzung zu verhindern. Schließlich habe er das Richtige getan, als er angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse in der Kammer Kompromisse mit Demokraten suchte.

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