FUßWASCHUNG IM GEFäNGNIS, URBI ET ORBI AUF DEM PETERSPLATZ: SCHAFFT DER ANGESCHLAGENE PAPST SEIN MAMMUTPROGRAMM ZU OSTERN?

Palmsonntag war er so erschöpft, dass er die Predigt nicht hielt: Der 87-jährige Franziskus ist angeschlagen. Noch aber sagt der Vatikan: Die Ostertermine wird er wahrnehmen.

Wie geht es dem Papst?

Der Papst leidet seit exakt einem Jahr schwer an Atembeschwerden, Ende März 2023 wurde er als Notfall mit einer schweren Lungenentzündung ins römische Gemelli-Krankenhaus eingeliefert. Im Sommer 2021 wurde ihm ein Teil des Dickdarms entfernt, auch im vergangenen Sommer musste er sich einer Oüeratopion unterziehen.

Es fällt Franziskus immer schwerer zu gehen, er bewegt sich mit sichtlicher Mühe mit einem Gehstock voran oder im Papamobil. Dennoch sagt Sergio Alfieri, der Arzt, der ihn beide Male operierte: „Ich weiß nichts von wirklich besorgniserregenden Situationen.”

Beim 87-jährigen Franziskus machten sich die Gebrechen des Alters bemerkbar, und anders als andere Menschen seines Alters könne er sich nicht ausreichend ausruhen, aber: „Dem Heiligen Vater geht es angesichts seines Alters und der Atemprobleme in der kalten Jahreszeit gut.” Sein Kopf sei sogar der eines 60-Jährigen, sagt Alfieri. „Er ist uns in vielem voraus.” 

Wie ist das Programm zu Ostern?

Die Osterwoche ist der Höhepunkt des Kirchenjahrs, eine Anstrengung schon für jeden Gemeindepfarrer, aber ein echtes Mammutprogramm für die Päpste – in der Regel betagte Männer. Karol Wojtyła, der 1978 als Johannes Paul II. Papst wurde, war mit seinen damals 58 Jahren eine jugendliche Ausnahme.

Der erste große Tag der Feiertage ist Gründonnerstag. Franziskus’ Programm sieht morgens eine Messe im Petersdom vor, am Nachmittag begibt er sich zur traditionellen Fußwaschung ins römische Gefängnis Rebibbia.

Die Tradition geht auf die Demutsgeste Jesu zurück, der beim letzten Abendmahl die Füße seiner Jünger wusch. Es wird damit gerechnet, dass Franziskus, dem diese Tradition besonders wichtig ist, sie vom Rollstuhl aus im Frauentrakt von Rebibbia vornimmt.

Heikel dürfte der Karfreitag werden.  Am Nachmittag hält der 87-Jährige erneute Messe im Petersdom, danach geht es auf den Kreuzweg im Kolosseum. Im vergangenen Jahr konnte Franziskus – gerade aus dem Krankenhaus zurück – daran nicht teilnehmen, diesmal will er sogar die Meditationen an den Kreuzwegsstationen selbst sprechen.

Fraglich ist, ob er das Vorhaben nicht in letzter Minute absagen muss. In Rom ist es dieser Tage kühl, stürmisch und regnerisch, eine Gefahr für einen alten Menschen, der seit langem mit Atemwegsproblemen zu kämpfen hat.

Am Ostersonnabend gehört die Osternachtsmesse zu den Pflichten des Papstes. Direkt am Morgen danach wird er auf dem Petersplatz die Ostermesse feiern und anschließend von der Loggia des Petersdoms den Segen „Urbi et orbi“ („der Stadt Rom und dem Erdkreis“) spenden.

Was, wenn er ausfällt?

Wenig spricht dafür, dass Franziskus bei der zentralen Ostermesse fehlen wird oder dass die Menge auf dem Petersplatz und die 1,4 Milliarden Katholiken in aller Welt auf seinen Segen „Urbi et orbi” verzichten müssen.

Diesen Segen kann nämlich nur der Papst selbst spenden, sagt Severina Bartonitschek, Vatikan-Korrespondentin für die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA). Sie erinnert an das Jahr 2005:

„Damals spielten sich dabei dramatische Szenen ab: minutenlang versuchte Johannes Paul II. die lateinische Segensformel zu sprechen, zu vernehmen war jedoch nur ein Stöhnen.“

Da der Wille dagewesen sei, habe man „dem stummen Segen anschließend Gültigkeit beschieden“. Wenige Tage später starb der gebürtige Pole. „An diesem Punkt“, sagt die Vatikankennerin, „ist Franziskus trotz Atem- und Sprechproblemen aber nicht.

Ralph Rotte, Fachmann für Internationale Beziehungen und Kenner der vatikanischen Politik, hält es für „zumindest denkbar, dass sich sein Pontifikat dem Ende zuneigt. Er hat ja auch einen Rücktritt nach dem Muster seines Vorgängers nie ausgeschlossen.“

Beobachter verweisen darauf, dass der Papst nach dem Verzicht auf die Predigt am Palmsonntag – das der Vatikan anschließend offiziell als bewusstes Innehalten interpretierte – gleich am Montag ohne weitere Probleme einen Vortrag vor der nigerianischen katholischen Gemeinde in Rom hielt und noch am Sonntag das Angelusgebet sprach.

Wie löst die Kirche den Ausfall eines Papstes?

Es wäre nicht das erste Mal, dass Papstpredigten, auch die von Franziskus’ Vorgängern, von anderen Priestern verlesen werden. Im dramatischeren Falle der so genannten Sedisvakanz – der Papst stirbt oder, seit dem Beispiel von Benedikt XVI. nicht mehr undenkbar, er dankt ab – hat die katholische Kirche in vielen Jahrhunderten effektive und recht schnelle Verfahren entwickelt.

Die Leitung der Kirche übernimmt dann das Kardinalskollegium. Das jüngste Beispiel: Vom Amtsverzicht Benedikts XVI. bis zur Wahl Franziskus dauerte es 2013 knappe zwei Wochen.

Das Konklave der nach Rom gereisten Kardinäle aus aller Welt wählte in fünf Wahlgängen am 12. und 13. März 2013 den Argentinier Jorge Mario Bergoglio zum Nachfolger des deutschen Papstes Joseph Ratzinger.

Hat ein Papst schon einmal die Ostermesse absagen müssen?

Im Rom, wo man ebenso unsentimental ist wie der Vatikan bei der Weitergabe der Schlüssel Petri, ist daraus ein Sprichwort geworden: „Wenn ein Papst tot ist, wählt man eben einen neuen.“

Dass ein Papst zur Ostermesse fehlte, das hat es seit Menschengedenken nicht gegeben. Die letzte Ostermesse des todkranken Johannes Paul II. zeigt zudem, wie elastisch die Kirchenhierarchie interpretiert, was man als „Absage“ sehen könnte.

Ein Verzicht wie der auf den Kreuzweg am Karfreitag 2023, so Ralph Rotte, wäre nichts Neues. Müsste Franziskus aber die Ostermesse absagen, „wäre das schon ein deutliches Zeichen dafür, dass es um seine Gesundheit nicht gut steht. Deshalb wird er sie wohl durchstehen und auch den Segen Urbi et Orbi erteilen.“

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