ZUM TOD VON HERMANN BOKELMANN: MACHER, MAHNER, MOTOR, MACHTMENSCH

Zum Tod von Hermann Bokelmann: Macher, Mahner, Motor, Machtmensch

Harpstedt – „An ihm kommen Sie nicht vorbei: Hermann Bokelmann, Sozialdemokrat von echtem Schrot und Korn.“ Diese „instruierenden“ Worte des früheren Chefredakteurs der Kreiszeitung, Hartmut Bigalke, klingen mir gerade in den Ohren. Anfang der 1990er-Jahre, als ich die Samtgemeinde Harpstedt als berufliches Wirkungsfeld anvertraut bekam, gehörte Bokelmann zu den ersten lokalen Prominenten, die sich mir vorstellten. Fast dreieinhalb Jahrzehnte hat er meine journalistische Arbeit kritisch begleitet, hinterfragt, aber auch mit Themen, Ratschlägen und Beiträgen unterstützt. Anstrengend war er nur in Wahlkampfzeiten. Am Mittwoch hörte sein Herz mit fast 95 Jahren auf zu schlagen. Einfach so.

Er hinterlässt nach meiner Überzeugung eine Lücke, die niemand wird schließen können. Ob die Harpstedter wissen, was er für sie getan hat? Freibad, Schulzentrum, Löschwesen, Kitas, Straßen und Wege, Neubaugebiete, Gemeindepartnerschaft mit Loué: Hermann Bokelmann, nicht nur „Mitreder“, sondern Macher, hatte seine Finger als Hans Dampf in allen Gassen auf allen kommunalen Politikfeldern im Spiel – 32 Jahre lang als Fleckenbürgermeister (von 42 Jahren im Rat), zehn Jahre als Landrat. Zum Samtgemeindebürgermeister hat er es trotz jahrzehntelanger Mitwirkung im Samtgemeinderat nie gebracht, was sich vor allem mit der konservativeren Wählerschaft in den Außengemeinden erklärt. Gleichwohl galt sein Wort in allen Gremien, in denen er wirkte, etwas. Er laberte nicht. Er argumentierte mit einer Leidenschaft, die ihresgleichen suchte. Kein anderer hat in meiner Wahrnehmung derart für seine Überzeugungen gekämpft wie Bokelmann. Zugleich war er in Taktik und Strategie mit allen Wassern gewaschen. Der frühere Landzusteller aus Dünsen wusste, wie er seine Anträge zu formulieren hatte, damit sie selbst bei aussichtslos anmutenden Mehrheitsverhältnissen ja vielleicht doch durchgingen.

Einmal griff er allerdings ins redensartliche Klo: Sein Versuch, der zweiköpfigen Fraktion „Leben auf dem Lande“ durch Bildung des dreiköpfigen SPD-Ablegers „Soziale Bürgervertretung Samtgemeinde Harpstedt“ einen Sitz im Samtgemeindeausschuss abspenstig zu machen, ging als Rohrkrepierer nach hinten los. Dieser Fauxpas kehrte eine Seite Bokelmanns nach außen, die er selbst nie wahrhaben wollte: Er strebte nach politischem Einfluss, sah sich aber nicht als Machtmensch.

Feindbild HBL

Im Kreistag entpuppte sich eine sozialliberale „Koalition“ mit ihm als Landrat als ausgesprochen handlungsfähig. Im Flecken avancierte die Harpstedter Bürgerliste (HBL), die der SPD-Dominanz ein Ende setzte, zu Bokelmanns persönlichem Feindbild. Dass es 1996 mit Alfred Pergande ein CDU-Mann ins Bürgermeisteramt schaffte, gehörte zu den wenigen schwer verdaulichen Niederlagen im politischen Leben des Hermann Bokelmann, die nachwirkten. Dieses Ereignis markierte letztlich den Anfang seines stufenweisen Rückzugs aus der aktiven Kommunalpolitik.

Auf Samtgemeindeebene endete die Ära der Zweigleisigkeit schon 1998, befördert von der SPD. Mit zeitlichem Abstand gestand sich Bokelmann ein, dass er den vormaligen Samtgemeindedirektor Dieter Claußen gern als Hauptverwaltungsbeamten behalten hätte. Er hatte viele Fähigkeiten. Ein Fehlereingeständnis aber kam ihm selten über Lippen. Gleichwohl haben Flecken, Samtgemeinde und Landkreis diesem Sozialdemokraten „von echtem Schrot und Korn“, der dem SPD-Ortsverein Harpstedt als Vorsitzender zu neuer Blüte verhalf, sich als „Mister 1000 Prozent“ in dessen Historie verewigte, in seinen letzten Lebensjahren aber oft genug mit der Linie „seiner“ Partei auf kommunaler Ebene haderte, unendlich viel zu verdanken.

Gedächtnis so präzise wie ein Uhrwerk

Und auch das gehört zur Wahrheit: Hermann Bokelmann hat etliche Harpstedt-Seiten der Kreiszeitung und Wildeshauser Zeitung als Zeitzeuge der Kriegs- und Nachkriegsjahre mit Gastbeiträgen gefüllt – und so geholfen, manches „Sommerloch“ zu „stopfen“. In der Oberschule trat er mit über 90 Jahren als Gastreferent mit reichem Erfahrungsschatz und Mahner für Frieden, Toleranz und Demokratie ein. Sein Gedächtnis funktionierte mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks. Und er war stets über jeden Zweifel an seiner Unbestechlichkeit erhaben.

Bokelmann, jahrzehntelang nicht nur mit seiner liebenden Frau Herta, sondern auch mit der Politik verheiratet, hat getreu der Devise „Tu Gutes und sprich darüber“ Heimatgeschichte mitgeschrieben und mitgeprägt. Ohne ihn, ohne sein beherztes Eintreten für seine Überzeugungen, seinen Kampfgeist, seine Anteilnahme und sein Wissen, wäre Harpstedt nicht, was es ist. Dieser Mann verdient die vielen Auszeichnungen, die er in seinem langen Leben bekommen hat.

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