IRAN: AKTIVISTIN NIKA SHAKARAMI OFFENBAR DURCH SCHLäGE UND MISSHANDLUNG DURCH SICHERHEITSKRäFTE GETöTET

Irans Behörden versuchten lange, den Tod der 16-jährigen Nika Shakarami als Suizid darzustellen. Ein geheimer Bericht legt nun nahe, was bereits lange vermutet wurde: Die Aktivistin fiel offenbar dem Regime zum Opfer.

2022 wurde die 16-jährige Nika Shakarami tot in einer Teheraner Leichenhalle gefunden, Wangenknochen und Nase waren laut ihrer Familie gebrochen. Die offizielle Begründung lautete damals, Shakarami habe Suizid begangen. Nun erhärtet sich der Verdacht, dass sie offenbar von drei iranischen Sicherheitskräften sexuell missbraucht und getötet wurde. Das gehe aus einem geleakten Dokument hervor, das der BBC vorliegt.

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Laut BBC soll das besagte Dokument von den drei Männern erstellt worden sein. Mithilfe der Unterlagen sei es dem Nachrichtendienst möglich gewesen, die Geschehnisse nach dem Verschwinden Shakaramis zu rekonstruieren.

In der Nacht vom 20. auf den 21. September 2022 war Shakarami zunächst spurlos verschwunden. Ihre Leiche wurde neun Tage später gefunden. Während CNN-Recherchen eindeutige Hinweise dafür lieferten, dass Shakarami am 21. September von bewaffneten Kräften des Regimes verhaftet, misshandelt und umgebracht wurde, behaupteten die Behörden, sie habe Suizid begangen.

Ein damaliges Video, über das die BBC berichtete, hatte zudem den Verdacht erhärtet, dass Irans Regime die Täterschaft hinter dem Tod Shakaramis zu verschleiern suchte. Demnach sollen Shakaramis Angehörige zu Aussagen gezwungen worden sein, wonach der Tod der Jugendlichen auf einen Unfall zurückgehe.

Das geleakte Dokument scheint den Verdacht gegen das iranische Regime nun zu bestätigen. Die BBC konfrontierte die iranische Regierung und ihre Revolutionswächter mit den Vorwürfen des Berichts, zunächst jedoch ohne darauf eine Antwort zu erhalten.

Der als »streng vertraulich« gekennzeichnete Bericht fasst demnach eine Anhörung zu Shakaramis Fall zusammen, die vom Korps der islamischen Revolutionswächter abgehalten wurde. Er enthalte die Namen ihrer Mörder und der hochrangigen Kommandeure, die laut BBC dabei geholfen haben sollen, die Wahrheit zu verbergen.

Gefesselt, geschlagen, getötet

Dem Bericht zufolge haben die Sicherheitskräfte die junge Frau in einem Undercover-Van festgehalten, sie gefesselt, sich auf sie gesetzt und sexuell belästigt sowie mit Schlagstöcken geschlagen. Laut BBC habe sich Shakarami trotz Handschellen gegen die Männer gewehrt, um sich getreten und geflucht.

Angesichts der Vielzahl an gefälschten offiziellen iranischen Dokumente, die sich im Umlauf befänden, habe die BBC Monate mit der Verifizierung des Berichts zugebracht. »Unsere umfangreichen Nachforschungen deuten darauf hin, dass die Papiere, die wir erhalten haben, die letzten Bewegungen des Teenagers dokumentieren«, so die BBC.

Vor ihrem Verschwinden wurde Shakarami zuletzt auf einer Demonstration im Zentrum Teherans gesehen. Diese wurde offenbar von mehreren verdeckten Sicherheitseinheiten überwacht, heißt es in dem Bericht. Eines davon – Team 12 – soll die Teenagerin ins Visier genommen haben. Die 16-Jährige konnte zunächst fliehen, wurde demnach jedoch kurze Zeit später von den Sicherheitskräften festgenommen und in einen nicht gekennzeichneten Tiefkühlvan gebracht, wo sie schließlich von den Sicherheitskräften – Arash Kalhor, Sadegh Monjazy und Behrooz Sadeghy – ermordet worden sei.

Der angebliche Gruppenleiter Morteza Jalil, der den Wagen steuerte, habe laut Bericht beim Anblick der toten Teenagerin nicht versucht, herauszufinden, was passiert war. »Ich habe nur darüber nachgedacht, wie ich sie loswerden kann und niemandem Fragen gestellt. Ich fragte nur: ›Atmet sie?‹ Ich glaube, es war Behrooz Sadeghy, der antwortete: ›Nein, sie ist tot‹.«

Jalil habe danach Anweisungen bekommen, den leblosen Körper irgendwo auf der Straße zu entsorgen. Also habe er Shakaramis Leiche in einer ruhigen Straße unter einer Autobahn zurückgelassen.

Der Bericht kommt laut BBC zu dem Schluss, dass ein sexueller Übergriff die Schlägerei im hinteren Teil des Vans verursacht hat und dass Schläge von Team 12 Nikas Tod verursachten. »Es wurden drei Schlagstöcke und drei Taser eingesetzt. Es ist nicht klar, welcher der Schläge der tödliche war«, zitiert die BBC aus dem Dokument.

Der Bericht widerspricht der offiziellen Darstellung der Regierung über das, was mit der 16-Jährigen passiert sein soll. Fast einen Monat nach ihrer Beerdigung strahlte das Staatsfernsehen die Ergebnisse der offiziellen Untersuchung aus. Sie besagten, Nika sei von einem Gebäude in den Tod gesprungen.

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