KALIFORNIEN: ÜBERFALL AUF DEM HIGHWAY

Es klingt wie im Film: Ein Juwelier wird mitten auf einer stark befahrenen Straße gestoppt und ausgeraubt. Er ist nicht das einzige Opfer. Die Polizei in Los Angeles spricht von "Räuber-Touristen".

Überfall auf dem Highway

Es klingt wie eine Szene aus einem eher schlechten Krimi: Ein Juwelier hat im Stadtzentrum von Los Angeles Uhren und Schmuck im Wert von etwa einer halben Million Dollar gekauft, nun fährt er über den stark befahrenen Highway 101 in Richtung Norden. Plötzlich verlangsamt das Auto vor ihm, es kommt zum Stillstand - auf dieser Straße, gerade zur Rush Hour, keine Seltenheit. Also hält der Juwelier, der Kunden wie Footballspieler Tom Brady oder Unternehmerin Caitlyn Jenner beliefert und seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, an. "Ich dachte, dass es vielleicht eine Panne sei", sagt er - doch dann geht alles ganz schnell: Der SUV fährt rückwärts und kracht in das Auto des Juweliers. Drei Männer springen heraus; einer zersticht ihm die Reifen, ein anderer schlägt die Scheiben ein, der dritte öffnet den Kofferraum und entwendet die Wertsachen - schon sind die Männer wieder weg; der Überfall hat keine fünf Minuten gedauert.

"Ich war völlig perplex", sagt der Juwelier, noch verblüffter sei er gewesen, als er erfuhr, dass er nicht das einzige Opfer ist. In den vergangenen Monaten gab es eine Serie von Raubüberfällen, am helllichten Tag, auf vollen Highways in und um Los Angeles. Die Taten sind offenbar derart gut geplant und ausgeführt, dass sowohl die Polizei von Los Angeles (LAPD) als auch die für Highways zuständige Behörde California Highway Patrol (CHP) seit knapp einem Jahr an der Aufklärung verzweifeln. "Es ist nicht eine Bande, die all die Überfälle ausführt", sagt Alan Hamilton, beim LAPD zuständig für die Ermittlungen. Es handle sich um ausgeklügelte Verbrechen, ausgeführt von, wie er sagt: "Räuber-Touristen". Heißt: geplant werden die Überfälle wohl von einer oder mehreren Banden in Kalifornien, die Ausführenden kommen nur für kurze Zeit ins Land.

Laut Hamilton gelangen die Täter aus Südamerika per Touristen-Visum in die USA; dann ist die Überprüfung nicht so intensiv wie bei anderen Visa. Das sei nicht neu, gerade im Süden der USA würden angebliche Touristen in Häuser einbrechen, die Beute an Komplizen in den USA liefern und das Land möglichst rasch wieder verlassen. Im März fasste die Polizei einen 17 Jahre alten Chilenen, der mit zwei Komplizen in die Villen einer Nobelgegend von Los Angeles eingebrochen war. Mit einem gefälschten Reisepass hatte er ein Bankkonto eröffnet und mehr als 23 000 Dollar in seine Heimat überwiesen. Im Dezember nahm die Polizei eine Bande in Beverly Hills fest, in ihrem Fahrzeug: Diebesbeute im Wert von mehr als einer Million Dollar. Hamilton nennt keine genauen Zahlen, er sagt nur, dass die Touristen-Einbrüche in Villen "immens" zugenommen hätten.

Was an den Highway-Überfällen neu sei: die genaue Planung. Die Organisatoren würden bekannte Juwelen-Umschlagplätze in und um Los Angeles, also zum Beispiel den sogenannten "Jewelry District" im Stadtzentrum, wochenlang erkunden, um herauszufinden: Wer kauft wann was, auf welcher Route werden die Wertsachen transportiert und wie sind sie gesichert? Aus dieser Recherche ergebe sich dann der perfekte Zeitpunkt für einen Überfall, dann kämen diejenigen, die das Verbrechen ausführen, in die USA.

Die Täter verfolgen ihre Opfer mittels eines Tracking-Gerätes, der Tatort wird vorher festgelegt

Der perfekte Ort: Highways, aus gleich mehreren Gründen. Die Täter befestigen ein Tracking-Gerät am Fahrzeug des Opfers und sind deshalb in der Lage, ihm unbemerkt zu folgen. Der genaue Tatort sei vorher festgelegt und so gewählt, dass zum einen keine Sicherheitskameras die Tat aufzeichnen und zum anderen CHP-Beamte möglichst lange brauchen, ihn nach dem Notruf zu erreichen. "Ich konnte die Räuber nicht mit vier zerstochenen Reifen verfolgen", sagt der Juwelier, der auf dem Highway 101 ausgeraubt worden ist.

Die Täter "verwenden keine Pistolen oder Gewehre, weil sie nicht wegen Waffenbesitz angeklagt werden wollen", sagt Polizist Hamilton. Die Opfer seien meist Händler, die Waren im niedrigen sechsstelligen Bereich transportieren - wertvoll genug, dass es sich für die Täter lohnt; jedoch nicht so wertvoll, dass Opfer gepanzerte Fahrzeugen verwenden würden oder selbst eine Schusswaffe dabeihätten.

Konkreter will sich die Polizei von Los Angeles nicht zu den laufenden Ermittlungen äußern; es heißt nur, dass es Hinweise gebe, die die Juwelenräuber auf den Highways mit Banden in Verbindung bringe, die Touristen-Einbrüche in Villen zu verantworten haben. Der Tipp des ausgeraubten Juweliers: An die eigene Ware ein Tracking-Gerät anbringen und die Daten, sollte man ausgeraubt werden, den Behörden zur Verfügung zu stellen. Auch das klingt freilich: wie im Film.

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