BESETZUNGSAFFäRE UM GRüNEN MINISTER – „SYMPTOMATISCH FüR EINE TIEFGREIFENDE JUSTIZKRISE“

Eine Duzfreundin bekam den hohen Richterposten: Der grüne NRW-Justizminister Benjamin Limbach habe „immensen Schaden verursacht“, sagt die FDP-Opposition über diesen Skandal. Sie fordert als Konsequenz eine neue Besetzungspraxis. Auch Schwarz-Grün signalisiert dafür Offenheit.

Das Besetzungsverfahren für eines der höchsten Richterämter in Nordrhein-Westfalen ist längst zu einem politischen und juristischen Drama geworden. Seit fast drei Jahren ist der Präsidentenposten des Oberverwaltungsgerichts NRW, kurz OVG, in Münster unbesetzt.

Das Bundesverfassungsgericht muss letztinstanzlich prüfen, ob die Auswahl der Favoritin, einer Duzfreundin von NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne), die sich nachträglich beworben hatte, rechtmäßig abgelaufen ist. Ein Richter am Bundesverwaltungsgericht, der als Konkurrent unterlegen ist, bezweifelt das und wehrt sich.

Limbach sieht sich seit Monaten Vorwürfen der Manipulation und Befangenheit sowie Rücktrittsforderungen aus SPD, FDP und mithin der Neuen Richtervereinigung ausgesetzt. Sogar nach Ansicht des früheren langjährigen Präsidenten des NRW-Verfassungsgerichtshofs, Michael Bertrams, ist offensichtlich, dass es „von Beginn an nicht mit rechten Dingen zugegangen ist“.

Limbach hingegen beteuert, dass alles rechtmäßig abgelaufen sei, doch den Verdacht der Einflussnahme wird er nicht los. Sein fragwürdiges Vorgehen bei der Kandidatenfindung für den OVG-Führungsposten weckt nun grundsätzliche Zweifel an der bisherigen Auswahlpraxis, die eigentlich strikt nach dem Prinzip der Bestenauslese stattfinden soll. Die oppositionelle FDP-Landtagsfraktion sieht die verfahrene Situation jedenfalls als dringenden Anlass, das Besetzungsverfahren für hohe juristische Ämter im bevölkerungsreichsten Bundesland grundlegend zu ändern.

„Symptomatisch für eine tiefgreifende Justizkrise“

„Die Affäre um die Besetzung des Präsidentenamts am Oberverwaltungsgericht in Münster und die daraus resultierende Verfassungsbeschwerde sind symptomatisch für eine tiefgreifende Justizkrise in NRW“, erklärt FDP-Fraktionschef Henning Höne gegenüber WELT. „Der immense Schaden, den NRW-Justizminister Benjamin Limbach verursacht hat, offenbart nicht nur individuelle Fehler, sondern auch Schwächen im derzeitigen Besetzungsverfahren hochrangiger juristischer Ämter.“

Bisher leitet der NRW-Justizminister mit seinem Haus das Bewerbungsverfahren zur Besetzung von Präsidentenstellen und ernennt nach zustimmendem Kabinettsbeschluss in der Landesregierung die Präsidentin oder den Präsidenten der oberen Landgerichte, zu denen das OVG, drei Oberlandesgerichte, das Landessozialgericht, drei Finanzgerichte und drei Landesarbeitsgerichte gezählt werden.

In einem Antragsentwurf für den Landtag im Mai, der WELT vorliegt, fordern die Freidemokraten deshalb eine „ergebnisoffene Diskussion über die verschiedenen Modelle zur Kandidatenfindung“. Sie schlagen eine Kommission unter Beteiligung des Landtags vor, die mit einem Bericht die „Diskussions- und Entscheidungsgrundlage für eine Änderung des Bewerbungsprozesses“ in NRW liefert.

Andere Bundesländer etwa ernennen ihre Präsidenten der oberen Landgerichte durch ein einvernehmliches Votum des Landesjustizministers und eines Richterwahlausschusses, der mit Mitgliedern des Landtags, Vertretern der Justiz und Rechtsanwaltskammern besetzt ist.

Der FDP-Vorstoß könnte nicht nur bei der oppositionellen SPD, sondern auch bei den schwarz-grünen Regierungsfraktionen auf offene Ohren stoßen. Grünen-Fraktionsvizin Julia Höller etwa hat bereits im Landtag anklingen lassen, dass sie eine Verbesserung des Auswahlverfahrens für diskussionswürdig hält und die Opposition zu Vorschlägen ermuntert: „Schreiben Sie einen Gesetzentwurf, gehen Sie im Ausschuss in die Diskussion. Lassen Sie uns diskutieren, ob es bessere Möglichkeiten gibt.“

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