DESINFORMATION: RUSSISCHE EINFLUSSOPERATION ALARMIERT EU-KOMMISSION

In Europa ist eine große Einflussoperation Russlands aufgedeckt worden. Die EU-Kommission kündigt Konsequenzen an. Bundesinnenministerin Faeser erhebt Vorwürfe gegen die AfD.

Die EU-Kommission hat mit Besorgnis auf die Enttarnung eines prorussischen Netzwerks in Europa reagiert. „Die Nachrichten über das russische Beeinflussungs-Netzwerk, das die tschechischen Geheimdienste aufdecken konnten, sind sehr beunruhigend“, sagte Vera Jourová, Vizepräsidentin der EU-Kommission, dem Handelsblatt.

Dies bestätige, was man schon immer vermutet habe. „Der Kreml nutzt zwielichtige Stellen, die sich als Medien ausgeben, er nutzt Geld, um verdeckten Einfluss zu kaufen, um die öffentliche Meinung in der EU zu beeinflussen und sich in Wahlen einzumischen.“

Am Mittwoch hatte die tschechische Regierung die in Prag registrierte Betreiberfirma der Internetseite „Voice of Europe“ auf ihre gegen Russland gerichtete nationale Sanktionsliste gesetzt. Die Internetseite sei Teil einer russischen Einflussoperation, deren Ziel es sei, die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Freiheit der Ukraine infrage zu stellen, teilte das Außenministerium mit. „Voice of Europe“ ist auch in sozialen Netzwerken wie Facebook und auf der Plattform X aktiv, wo sie mehr als 180.000 Follower hat.

Das Medienunternehmen soll auch zur verdeckten Finanzierung von Kandidaten zur Europawahl in mehreren EU-Staaten gedient haben. Auf der Internetseite waren unter anderem Interviews mit dem AfD-Europa-Spitzenkandidaten Maximilian Krah sowie dem auf Listenplatz zwei stehenden AfD-Politiker Petr Bystron zu finden. Beide Politiker bestreiten die Vorwürfe. Die Seite ist inzwischen nicht mehr aburufbar.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) übte scharfe Kritik an der AfD. „Dass selbst führende AfD-Politiker immer wieder auf dem Desinformationsportal auftauchten, zeigt: Die Putin-Freunde der AfD lassen sich hier immer wieder einspannen und zum Teil des russischen Propaganda-Apparats machen“, sagte Faeser dem „Spiegel“.

Putin-Vertrauter soll Teil des Propaganda-Netzwerks sein

In Polen gab es im Zusammenhang mit der Enttarnung des Netzwerks Durchsuchungen. Wie der Inlandsgeheimdienst ABW am Donnerstag mitteilte, wurden bei der Aktion am Vortag in Warschau und der schlesischen Stadt Tychy 48.500 Euro und 36.000 Dollar (33.303 Euro) sichergestellt. Es gehe um Aktivitäten zur Organisation prorussischer Initiativen und Medienkampagnen in EU-Ländern. Zweck dieser Kampagne war es demnach, die außenpolitischen Ziele des Kremls umzusetzen.

Laut den tschechischen Behörden steht hinter der Webseite „Voice of Europe“ unter anderem der Oligarch Wiktor Medwedtschuk, der in der Ukraine wegen Hochverrats angeklagt wurde, aber im Zuge eines Gefangenenaustauschs im September 2022 nach Russland gelangte.

Medwedtschuk, der als Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt, wurde nach Angaben des tschechischen Außenministeriums auch persönlich auf die Sanktionsliste gesetzt. Die Entscheidung trage zum Schutz der demokratischen Prozesse vor den Wahlen zum Europaparlament im Juni bei, betonte das Ministerium.

Jourova, die in der Kommission für Werte und Transparenz zuständig ist, warnte davor, die russischen Desinformationskampagnen zu unterschätzen. Man könne es sich nicht leisten, auch nur einen Schritt hinter der „Propaganda-Armee“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin zurückzubleiben. „Wir müssen uns ständig vor Augen halten, dass er Desinformation und Einflussnahme als Waffe einsetzen wird, um Europa zu spalten.“ Aus diesem Grund wolle die Kommission die verdeckte Einflussnahme aus dem Ausland stärker ins Visier nehmen. Das Hauptziel sei, die Wahlen stärker vor russischer Propaganda zu schützen.

Faeser sprach mit Blick auf das Vorgehen der Behörden von einem „wichtigen Schlag gegen den russischen Propaganda-Apparat“. „Wieder sehen wir das massive Ausmaß der Lügen und der Desinformation, mit dem Putins Regime das Vertrauen in unsere Demokratie erschüttern, Wut schüren und die öffentliche Meinung manipulieren will“, sagte die Ministerin. Es sei „wichtig, dass diese Einflussoperation vor der Europawahl aufgedeckt wurde“.

Sechs europäische Geheimdienste an Enttarnung des Netzwerks beteiligt

An der Enttarnung der „Einflussoperation“ war nach laut „Spiegel“ ein halbes Dutzend europäischer Geheimdienste beteiligt, darunter das Bundesamt für Verfassungsschutz. Federführend war der tschechische Sicherheitsinformationsdienst BIS.

Die Zeitung „Denik N“ berichtete unter Berufung auf Geheimdienstkreise, über das Netzwerk seien bei Besuchen in Prag auch Gelder in bar an Politiker übergeben worden. Es habe sich um Politiker aus Deutschland, Frankreich, Polen, Belgien, den Niederlanden und Ungarn gehandelt. Dafür und für den Betrieb des Portals sei ein sechsstelliger Eurobetrag aufgewendet worden.

Offiziell gab es dazu keine näheren Angaben. Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala betonte, tschechische Politiker oder Bürger seien nach seinen Informationen nicht involviert gewesen. „Wir haben Informationen, dass es das Ziel (der Gruppe) war, in EU-Ländern zu wirken und Einfluss im EU-Parlament zu gewinnen“, sagte der liberalkonservative Politiker.

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Daniel Caspary, sagte zu möglichen mögliche Zahlungen aus Russland an rechte Politiker dem Handelsblatt: „Sollten diese Enthüllungen stimmen muss auch dem letzten klar sein, dass die AfD mit ihren Putin-Vasallen eine Deutschland gegenüber offen feindlich gesinnte Partei ist.“ Krah und andere machten Politik für Russland, statt für Deutschland. „Wer bei der Europawahl AfD wählt, wählt mehr russischen Einfluss. Das ist enorm gefährlich.“

Der AfD-Politiker Krah teilte dem „Spiegel“ mit, er habe „Voice of Europe“ zwei Interviews gegeben, eines davon in Prag. „Geld habe ich dafür selbstverständlich keines bekommen, weder für mich, noch für die Partei.“ Auch das Hotel habe er selbst bezahlt.

Bystron antwortete auf konkrete Fragen der Nachrichtenagentur dpa zu seinem Interview auf dem Portal nicht. Er schrieb jedoch in einer E-Mail: „Der Angriff auf Voice of Europe ist ein Angriff auf die Pressefreiheit, den ich verurteile. Eine regierungskritische Stimme soll zum Schweigen gebracht werden. Im aufziehenden EU-Wahlkampf sollen Politiker, die gegen die Fortsetzung des Ukraine-Krieges sind, sowie Journalisten als Agenten Moskaus diffamiert werden.“

Am Freitag erklärte Bystron auf der Plattform X: „Jeder, der gegen den Krieg in der Ukraine auftritt, ist ein von Moskau bezahlter Agent. Wie absurd.“ Mit Blick auf die Zeitung „Denik N“ wies er zudem die „verleumderischen Vorwürfe“ der Vorteilsnahme zurück. „Ich werde sowohl gegen den verantwortlichen Verfasser wie auch gegen die Plattform selbst in der Tschechischen Republik rechtlich vorgehen.“

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