„INVESTITION IN RUSSISCHE ATOMWAFFEN“ - DEUTSCHLAND LIEFERT RADIOAKTIVES MATERIAL AN RUSSISCHE MILITäRFIRMA

Trotz des Ukrainekrieges sind offenbar weitere Transporte von radioaktivem Material zwischen Deutschland und Russland geplant. Dabei soll eine Firma beliefert werden, die mit dem russischen Militär in Verbindung steht.

Demnach sind „bis zu fünf“ Transporte von radioaktivem Material von der Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen an eine russische Firma von niederländischen Behörden genehmigt worden. Ziel der Lieferungen ist eine Firma, die enge Verbindungen zum russischen Militär haben soll. Das haben Recherchen des „SWR“ ergeben und die Genehmigungen liegen dem „SWR“ vor.

Hintergrund ist, dass diese Transporte über Rotterdam abgewickelt werden sollen. Zwei Frachtschiffe verkehren nach SWR-Informationen dafür zwischen Sankt Petersburg und Rotterdam oder Dünkirchen in Frankreich. Über diesen Weg wird auch regelmäßig Uran aus Russland nach Lingen geliefert.

Die russische Militärfirma „MSZ“

Das Unternehmen „MSZ“, das nun als Empfänger der Lieferungen aus Lingen ausgewiesen ist, arbeitet nach Recherchen des „SWR“ für das russische Militär. In den Fabrikhallen, rund 50 Kilometer östlich von Moskau, wird radioaktives Material wiederaufbereitet. In einem Firmenvideo erklärt ein leitender Mitarbeiter wörtlich: „Nach der Aufbereitung erhalten die Kerntechniker Uranoxid […]. Es dient dem Bau von Atombomben und als Brennstoff für Kernkraftwerke“. Das Werk soll zudem laut unbestätigten Berichten auch Brennstäbe für Atom-U-Boote produzieren.

Der Umweltaktivist und frühere Nawalny-Mitarbeiter Alexej Schwarz hat dazu recherchieret: „MSZ verfügt über eine Lizenz zur Nutzung von Atomenergie zu Verteidigungszwecken, zur Herstellung von nuklearen Waffen und nuklearen Energieanlagen für militärische Zwecke. Jede Verbindung mit Rosatom ist eine Investition in russische Atomwaffen. Offiziell! Deutschland sollte die Zusammenarbeit sofort einstellen.“

Zuständig für die Aufsicht über die Brennelemente-Fabrik Lingen ist unter anderem das niedersächsische Umweltministerium. Umweltminister Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen) erklärt, dass grenzübergreifende Uran-Transporte vom Bund beziehungsweise der EU geregelt würden.

Ihm seien daher die Hände gebunden, doch er kritisiert: „Gerade der Atombereich Russlands ist eng mit dem verbrecherischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der militärischen Nutzung für Atombomben verbunden. Statt Uran, radioaktives Material oder Kernbrennstäbe mit Russland auszutauschen, sollten auch der Nuklearsektor von der EU mit Sanktionen belegt werden, wie es Vizekanzler Robert Habeck mehrfach forderte.“  

Bisher keine EU-Sanktionen im Atom-Sektor

Der „SWR“ hat die zuständigen Bundesbehörden und -ministerien zu den Transporten von Lingen nach Russland um Stellungnahme gebeten. Im Kern verweisen alle auf die EU. Da es bisher keine EU-Sanktionen gegenüber Russland im Nuklearsektor gäbe, könnten Uran-Transporte nicht einfach verboten werden.

So schreibt unter anderem das Bundesumweltministerium: „Über die Fortentwicklung der Sanktionen gegen Russland entscheidet die Europäische Union. Generell ist es nach Auffassung des BMUV eine notwendige Konsequenz aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die europäische Abhängigkeit von und die Geschäftsbeziehungen mit Russland im zivil-nuklearen Bereich zu reduzieren bzw. abzubrechen.“ Laut Bundesumweltministerium habe es in der Vergangenheit bereits Lieferungen von Lingen an „MSZ“ in Russland gegeben.

Uran für russische Atomwaffen?

Anti-Atom-Organisationen und Umweltschützer in Lingen kritisieren die geplanten Transporte scharf. Julian Bothe von der Organisation „ausgestrahlt“: „Die Brennelemente-Fabrik in Lingen macht sich mit den geplanten Exporten zum Handlanger der russischen Rüstungsindustrie. Das Uran aus Lingen droht in russischen Atomwaffen und in Atom-U-Booten der russischen Marine eingesetzt zu werden. Die beantragten Uran-Exporte verstoßen deshalb klar gegen deutsche und europäische Sanktionsregeln.“ Alexander Vent protestiert seit Jahren mit der örtlichen Bürgerinitiative „AgiEL“ gegen die Brennelemente-Fabrik. „Schon jetzt gerät die Region Lingen wegen der Brennelementefabrik in den Fokus russischer Interessen. Dass jetzt noch militärische Verstrickungen hinzukommen sollen, verschärft die Situation zusätzlich. Die Bundesregierung muss diesem Treiben ein Ende machen und die Brennelementfabrik endlich schließen!“

Der Besitzer der Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen, der französische Konzern „Framatome“, bestreitet nicht, dass Exporte von Lingen nach Russland geplant seien. Der Zeitpunkt sei allerdings offen: „Framatome erfüllt die europäischen und staatlichen Anforderungen und hält alle internationalen Sanktionen ein.“ Man könne keine konkreten Transporttermine nennen, es sei „derzeit“ kein Urantransport von Lingen zu MSZ geplant. 

Der Uran-Handel geht weiter

Bei den genehmigten Exporten handelt es sich nach „SWR“-Informationen um „radioaktive Produktionsreste“, die in Russland wiederaufbereitet werden sollen. In Lingen werden aus russischem Uran Brennstäbe für Kernreaktoren hergestellt. Auf EU-Ebene wird schon länger gefordert, dass auch der Nuklear-Sektor in Russland sanktioniert werden müsse. Bisher scheiterte das stets am Veto aus Ungarn – aber auch Frankreich gilt, wegen seiner engen „Atom-Verbindungen“ mit dem russischen Staatskonzern „Rosatom“, als Gegner von Sanktionen. Das Unternehmen „MSZ“ in Elektrostal gehört einer Tochterfirma von Rosatom.     

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