NAHER OSTEN: ISRAEL FORDERT ZIVILISTEN ZUM VERLASSEN VON RAFAH AUF

Die israelische Armee plant einen „begrenzten Einsatz“ in Rafah. Die Stadt ist mit Kriegsflüchtlingen überfüllt, die Bewohner sollen sich in „humanitäre Gebiete“ begeben.

Vor einem erwarteten Militäreinsatz hat Israels Armee am Montag die Einwohner der Stadt Rafah aufgefordert, die östlichen Teile der Stadt zu verlassen. Die Menschen in der mit Kriegsflüchtlingen überfüllten Stadt im südlichen Gazastreifen sollten sich in in das einige Kilometer nördlich gelegene Al-Mawasi-Lager am Mittelmeer begeben.

Betroffen sind schätzungsweise 100.000 Menschen, wie ein Militärsprecher sagte. Sie wurden demnach per SMS, Telefon sowie mit Flugblättern und über arabischsprachige Medien informiert.

Indirekte Verhandlungen Israels mit der islamistischen Terrororganisation Hamas in Kairo über eine neue Feuerpause im Gaza-Krieg und die Freilassung von Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge waren zuvor ohne Ergebnis geblieben. Der staatliche ägyptische Nachrichtensender Al-Kahera zitiert eine ungenannte hochrangige Quelle mit der Aussage, der Angriff der Hamas auf den Gaza-Grenzübergang Kerem-Schalom habe die Gespräche über eine Waffenruhe in eine Sackgasse geführt. Die ägyptischen Unterhändler würden der Quelle zufolge die Gespräche intensivieren, um die derzeitige Eskalation zwischen Israel und der Hamas einzudämmen.

Israels Verteidigungsminister: Rafah-Einsatz wegen gescheitertem Geisel-Abkommen nötig

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant sagte nach Angaben seines Büros bei einem Telefonat mit seinem US-Amtskollegen Lloyd Austin, die Hamas habe bei den Gesprächen alle Vorschläge abgelehnt. Daher sei eine Militäraktion in Rafah jetzt notwendig und ohne Alternative. „Der Staat Israel wird die fortwährende Präsenz von Terrorstrukturen an der Grenze zu seinen Ortschaften nicht dulden.“

Israels Verbündete warnen dagegen seit Monaten eindringlich vor einer solchen Offensive in Rafah, weil sich dort Hunderttausende palästinensische Binnenflüchtlinge drängen.

CIA-Chef William Burns will sich laut einem Medienbericht für einen Deal in letzter Minute zu einer Feuerpause im Gaza-Krieg einsetzen – trotz der Vorbereitungen der israelischen Armee für eine Bodenoffensive in Rafah. Bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu am Montagnachmittag wolle Burns „einen Weg finden, die Hoffnung für einen Deal am Leben zu halten“, berichtete die „Times of Israel“.

Ein hochrangiger Hamas-Funktionär kritisiert Israels Vorgehen in Rafah. Dies sei eine „gefährliche Eskalation, die Folgen haben wird“, sagt der Hamas-Funktionär Sami Abu Suhri der Nachrichtenagentur Reuters. Israel schädige damit allen Bemühungen, eine Waffenruhe im Gaza-Krieg zu erzielen, sagte Mahmud Merdawi, ein ranghohes Hamas-Mitglied, am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Der Schritt werde sich negativ auf die indirekten Verhandlungen auswirken und „katastrophale Auswirkungen“ auf die örtliche Bevölkerung haben, sagte er. Merdawi betonte, ein israelischer Militäreinsatz in Rafah im Süden des Gazastreifens nahe der ägyptischen Grenze werde den Druck auf die Hamas nicht erhöhen. Es werde Israel nicht gelingen, die Kriegsziele zu erreichen.

Der israelische Militärsprecher sagte, es handele sich um einen „begrenzten Einsatz“. Die Menschen sollten sich in eine „erweiterte humanitäre Zone“ im Bereich Al-Mawasi begeben. Dort gebe es Nahrungsmittel, Wasser und Medikamente. Die Armee ermögliche dort auch die Einrichtung von Feldkrankenhäusern. Er konnte nicht sagen, wie viel Zeit die Menschen für die Evakuierung haben.

UNRWA warnt vor verheerenden Folgen von Rafah-Offensive

Der Sprecher betonte, die Versorgung der Bevölkerung mit humanitären Hilfsgütern werde während des Räumungseinsatzes ungehindert weitergehen. Man könnte diese über verschiedene Routen in den Küstenstreifen bringen, etwa über den Hafen in Aschdod.

Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge warnte am Montag vor den verheerenden Folgen einer Offensive in Rafah. Das UNRWA teilte mit, es werde so lange wie möglich in der Stadt bleiben, um lebensrettende Hilfe zu leisten.

Israel will mit dem Militäreinsatz in Rafah die verbliebenen Bataillone der islamistischen Terrororganisation Hamas zerschlagen, die sie seit Oktober in dem Küstenstreifen bekämpft. Es werden auch Geiseln in der Stadt an der Grenze zu Ägypten vermutet.

Hamas griff Grenzübergang Kerem Schalom an

Der Militärsprecher sagte, Israel habe am Vortag eine „gewaltsame Erinnerung an die Präsenz und die operationalen Fähigkeiten der Hamas in Rafah erhalten“. Mitglieder des militärischen Hamas-Arms hatten am Sonntag Raketen auf den israelischen Grenzübergang Kerem Schalom gefeuert und dabei drei israelische Soldaten getötet. Kerem Schalom ist der wichtigste Grenzübergang für die Lieferung von Hilfsgütern aus Israel in den Gazastreifen. Die Armee schloss ihn nach dem Raketenangriff vorübergehend für humanitäre Transporte.

Das Militär bombardierte im Anschluss nach eigenen Angaben im Gazastreifen den Ort in der Nähe des Grenzübergangs Rafah zu Ägypten, von dem der Angriff ausgegangen war.

Vor Kampfeinsätzen in Rafah will Israel die Stadt nach eigenen Angaben zunächst evakuieren. Es wird erwartet, dass dies mehrere Wochen dauern könnte. Die Hamas habe ihre Kämpfer in Rafah auf den Einsatz gegen Israel vorbereitet und sie mit Proviant und Waffen versorgt, hieß es aus Israel dazu. Auch die Zahl der Wächter für die Geiseln ist nach Medienberichten verstärkt worden.

WSJ: Bodenoffensive in Rafah soll in Etappen erfolgen

Nach Informationen des „Wall Street Journal“ will Israel seine Bodenoffensive in Rafah in Etappen durchführen. Das Blatt schrieb von zwei bis drei Wochen Evakuierung und sechs Wochen Offensive.

Ranghohe israelische Geheimdienst- und Militärbeamte waren im vergangenen Monat in Kairo unter anderem mit dem ägyptischen Geheimdienstchef zusammengetroffen, um Israels geplanten Einsatz seiner Armee in Rafah zu besprechen. Zuvor hatte der Vorsitzende des ägyptischen Staatsinformationsdiensts SIS, Diaa Raschwan, noch erklärt, man führe keine Gespräche mit Israel über dessen mögliche Militäroffensive in Rafah. Ägypten lehne Pläne für solch eine Offensive entschieden ab und habe diese Position auch mehrfach klargestellt. Die Stadt im Süden gilt als die einzige in dem abgeriegelten Küstenstreifen, die noch vergleichsweise intakt ist.

Ägypten befürchtet unter anderem, es könnte bei einem Einsatz Israels in Rafah zu einem Ansturm von Palästinensern über die Grenze kommen. In Rafah liegt der Grenzübergang vom Gazastreifen nach Ägypten, es ist auch ein wichtiges Tor für humanitäre Hilfslieferungen in den abgeriegelten Küstenstreifen. Heftige Kämpfe in Rafah könnten die Lieferungen von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Treibstofff weiter erschweren.

Hamas: Israelische Luftangriffe auf Osten von Rafah – Palästinenser: Grenzübergang Rafah weiter geöffnet

Die Hamas wirft Israel Luftangriffe auf Rafah in der Nähe der von Evakuierungsaufrufen betroffen Gebieten vor. Israel greife östliche Teile der Grenzstadt aus der Luft an, in denen es die Einwohner zur Evakuierung aufgefordert habe, berichtet der zu der radikal-islamischen Palästinenser-Organisation gehörende Fernsehsender Al-Aksa TV.

Der Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten ist indes weiterhin geöffnet. Das teilte die Grenzbehörde auf palästinensischer Seite am Montag mit. So sei der Transitbereich auf ägyptischer Seite geöffnet worden für die Ausreise von Palästinensern nach Ägypten. Auch ägyptische Sicherheitskreise wiesen Berichte über eine Schließung zurück und erklärten, dass weiter Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern in das Küstengebiet einfahren. Am Montag hätten 40 solcher Lkw die Grenze überquert, 250 weitere würden für die Durchfahrt in den Gazastreifen vorbereitet.

2024-05-06T05:26:31Z dg43tfdfdgfd