KEIN NEUES DIESELFAHRVERBOT: MüNCHEN BESCHLIEßT TEMPO 30 AUF DEM MITTLEREN RING

Statt eines strengeren Dieselfahrverbots entscheidet sich der Stadtrat für eine Geschwindigkeitsbeschränkung für alle Fahrzeuge. Auf welchem Abschnitt das Tempolimit gelten soll - und wie Umweltschützer den Beschluss kippen wollen.

München beschließt Tempo 30 auf dem Mittleren Ring

Anstelle eines neuen Dieselfahrverbots will der Münchner Stadtrat auf einem Abschnitt des Mittleren Rings Tempo 30 einführen. Das hat am Mittwoch eine knappe Mehrheit von SPD und CSU/Freie Wähler beschlossen. Das neue Tempolimit soll zwischen der Dachauer Straße (Parkharfe Olympiapark) und der Arnulfstraße (Donnersbergerbrücke) gelten. Mit der Geschwindigkeitsbegrenzung soll die Abgasbelastung an der Landshuter Allee so verringert werden, dass der seit Jahren überschrittene Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO₂) eingehalten wird. Wann das Tempolimit kommt, ist noch offen.

Der Stadtrat reagiert damit auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH), der die Stadt zur Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid verpflichtet. Der liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresdurchschnitt, betrug an der Landshuter Allee aber 45 Mikrogramm.

Die SPD stimmte damit gegen ihren Koalitionspartner, die Grünen, die sich für eine Ausweitung des bestehenden zonalen Fahrverbots auf Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 aussprachen und so der Vorlage von Umweltreferentin Christine Kugler folgten, die jedoch keine Mehrheit fand.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) schränkte den Beschluss zu Tempo 30 mit dem Zusatz "sofern dies rechtlich möglich ist" allerdings ein. Er hat angekündigt, sich informell bei der Rechtsaufsicht der Regierung von Oberbayern zu erkundigen.

Denn sowohl Umweltreferentin Kugler als auch Mobilitätsreferent Georg Dunkel hatten darauf hingewiesen, dass es für die Anordnung von Tempo 30 auf einer sogenannten Magistrale wie dem Mittleren Ring eine klare Begründung brauche. Das wäre etwa der Nachweis, dass Tempo 30 tatsächlich eine Reduzierung der Abgasbelastung mit sich bringt. Doch das ist nach Ansicht von Kugler nicht gegeben, da Studien das Gegenteil ergeben hätten. Man könne nicht einfach etwas ausprobieren, ohne zu wissen, ob die Maßnahme geeignet sei.

Allerdings musste sich Kugler zuvor schon von CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl Kritik anhören. Bereits 2022 sei das Umweltreferat per Stadtratsbeschluss dazu aufgefordert worden, die Auswirkungen von Tempobeschränkungen auf die Schadstoffwerte zu prüfen. Passiert sei aber nichts. Pretzl verwies erneut darauf, dass die Studienlage unklar sei und sich ein Tempolimit laut mancher Studien durchaus positiv auf die Stickoxid-Belastung auswirke.

Die beiden Referenten warnten davor, dass sich die Stadt mit dem Beschluss für Tempo 30 auf rechtlich dünnes Eis begebe. Im Urteil des BayVGH stehe explizit, dass die Stadt neue Fahrverbote erlassen müsse, sagte Kugler. Dabei ließ das Gericht offen, ob nun ein zonales Fahrverbot, das in der gesamten Umweltzone inklusive des Mittleren Rings gelten würde, oder ein streckenbezogenes eingeführt werden soll. "Das Urteil ist bindend", mahnte Kugler. Und ein Tempolimit sei eben kein Fahrverbot.

Weil das Urteil des BayVGH erst am 16. Mai rechtskräftig wird, sah sich Reiter daran auch nicht gebunden. Er erklärte, die Verweigerung einer Revision sei aus seiner Sicht nicht schlüssig begründet. Sollte die Beschwerde der Stadt vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig abgewiesen werden, werde man sich wieder mit dem Fahrverbot befassen. Aktuell ist es aber vom Tisch.

Ob Tempo 30 tatsächlich wirkt, wird sich erst nach ein paar Monaten zeigen. Vielmehr hängt dies von den lokalen Gegebenheiten ab. Für den Mittleren Ring im Bereich der Landshuter Allee kam das Umweltreferat zu dem Schluss, dass sich Tempo 30 sogar negativ auf die Messwerte auswirken werde, da an dieser Stelle besonders viel Schwerlastverkehr unterwegs sei. Und der bläst bei Tempo 30 Studien zufolge mehr Abgase in die Umwelt als bei Tempo 50.

Zudem wirke sich das Tempolimit nur dann positiv auf die Abgaswerte aus, wenn der Verkehr fließe. Doch das ist laut Kugler nur bei drei Prozent der Verkehrsmenge an der Landshuter Allee der Fall. 60 Prozent des Verkehrs verliefen dagegen im Stop-and-Go-Modus. Einen Vergleich mit Berliner Erfolgen mit Tempo 30 ließ Kugler nicht gelten. Die dortigen Messungen seien auf Straßen mit deutlich weniger Verkehr erfolgt.

Neben Tempo 30 auf dem Mittleren Ring hat der Stadtrat auch beschlossen, gegen einen Punkt des Urteils des BayVGH vorzugehen. Der hatte nicht nur auf neue Fahrverbote bestanden, sondern auch eine Revision ausgeschlossen. Gegen diese Nicht-Zulassung der Revision soll die Stadt nun Beschwerde einlegen. Dafür sehe sie aber nur mäßige Chancen, sagte Kugler. Die bestünden etwa nur dann, wenn es Verfahrensmängel gegeben hätte oder das Urteil des BayVGH der höchstrichterlichen Rechtsprechung widerspräche. Beides sei nicht der Fall.

Nach dem Beschluss meldeten sich auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) zu Wort. Sie hatten gegen die Stadt auf Einhaltung der Grenzwerte geklagt. Nun werfen sie dem Stadtrat eine Verzögerungstaktik vor. Sobald die Stadt ihre Beschwerde eingelegt habe, werde man deren Zurückweisung beantragen, teilt DUH-Anwalt Remo Klinger mit. Zudem werde man den Landesrechnungshof einschalten. Es grenze an den strafrechtlich relevanten Tatbestand der Haushaltsuntreue, öffentliche Gelder für ein Verfahren auszugeben, das man "allein zum Zweck der Verfahrensverschleppung und zur weiteren Nichteinhaltung von Gesundheitsgrenzwerten" betreibt.

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