KROATIENS WIDERSPRüCHLICHER RECHTSRUCK: EINE SCHLECHTE NACHRICHT FüR EUROPA

Leitartikel

Kroatiens widersprüchlicher Rechtsruck: eine schlechte Nachricht für Europa

Viele gehen in Kroatien wählen – die Sehnsucht nach Wandel ist groß. Doch sollten Rechtsnationale den Konservativen die Mehrheit sichern, würde sich ein gefährlicher Trend fortsetzen. Der Leitartikel.

Selten haben Kroatiens Wählerinnen und Wähler in den vergangenen Jahren in so großer Zahl ihren Willen zum Wechsel demonstriert wie bei der Parlamentswahl in dieser Woche. Doch obwohl die von unzähligen Korruptionsskandalen geschüttelte HDZ längst überreif für eine Besinnungspause auf der Oppositionsbank scheint, wird Kroatiens konservative „Systempartei“ mit etwas mehr als einem Drittel der Stimmen auch künftig die Karten im Adriastaat austeilen: Statt der von vielen ersehnten Erneuerung steht der Küstenstaat nach einem ungekannt harten Wahlkampf vor einem paradoxen Rechtsruck.

Mit dem sich abzeichnenden Erstarken nationalistischer Kräfte im Kabinett liegt Kroatien einerseits im EU-Trend, mit dem Wahlergebnis andererseits aber auch nicht. Im Gegensatz zu vielen EU-Staaten haben die linksliberalen Kräfte bei den Parlamentswahlen selbst leicht zugelegt.

Die Rechnung des linkspopulistischen Staatschefs Zoran Milanovic, mit seiner vom Verfassungsgericht verbotenen Selbstkandidatur die abgewanderte Wählerschaft der sozialdemokratischen SDP zu reaktivieren, ging indes nur zum Teil auf: Der polarisierende Politsolist trieb mit seinem von ihm inszenierten Alphatier-Duell gegen Premier Andrej Plenkovic nicht nur vermehrt SDP-, sondern auch HDZ-Fans an die Urnen.

Da die HDZ fünf ihrer bisher 66 Mandate eingebüßt hat, kann sie künftig allerdings nicht mehr mit den handzahmen Minderheiten regieren, sondern ist auf einen „echten“ Koalitionspartner angewiesen. Die nationalistische „Heimatbewegung“ (DP) könnte künftig für die HDZ zum Steigbügelhalter werden.

Von rechts bis links hatten alle der bisherigen Oppositionsparteien im Stimmenstreit eine Koalition mit der als völlig diskreditiert kritisierten HDZ einhellig abgelehnt. Doch schon in der Wahlnacht signalisierte die DP als drittstärkste Kraft, ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit – und zum Gang an die von der HDZ verwalteten Haushaltstöpfe.

Die sich bisher hart beharkenden HDZ und DP sind sich zumindest vertraut. Der Großteil der 2020 gegründeten und vor allem in der ostkroatischen Region Slawonien stark verwurzelten DP rekrutiert sich aus früheren Rechtsauslegern der HDZ, die von Plenkovic weitgehend verdrängt worden waren.

Doch sicher ist die neue, sich abzeichnende Mehrheit noch keineswegs. Ein Regierungseinstieg der Nationalisten könnte nicht nur auf Kosten der drei serbischen, sondern aller acht Minderheitenabgeordneten gehen: In der Regel pflegen die Minderheiten gemeinsam zu agieren.

Unklar ist auch noch, wie viele Abgeordnete der DP-Fraktion den sich abzeichnenden Kurswechsel der Parteiführung auch mittragen werden: Offener Widerspruch gegen eine Koalition mit der HDZ wurde bereits auf der DP-Wahlparty laut.

Doch wäre Plenkovic überhaupt fähig, eine Regierung mit der von ihm jahrelang verhöhnten DP zu führen? Den Preis, den die DP für den Einstieg in die Koaltion fordern dürfte, könnte auch ein Premier-Wechsel sein.

Ein von den Medien bereits gehandelter Nachfolgekandidat ist der HDZ-Verteidigungsminister Ivan Anušic, der als strammer Parteirechter aus Slawonien auch für die DP akzeptabel wäre. Der frühere Europaparlamentarier Plenkovic könnte derweil nach der Europawahl im Juni auf einen hochrangigen EU-Posten zurück nach Brüssel „befördert“ werden, so die Spekulationen.

Doch egal ob „Plenki“ zum dritten Mal die Regierungsgeschäfte übernimmt oder von einem rechten Konkurrenten abgelöst wird: Einer verstärkt im nationalistischen Fahrwasser segelnden Regierung ohne Vertreter der nationalen Minderheiten dürfte es noch schwerer fallen als bisher, mit den Nachbarn und früheren Kriegsgegnern eine gemeinsame Sprache zu finden. Vermehrte Spannungen in der an Problemen keineswegs armen Region wären bei dem Regierungseintritt der Nationalisten absehbar – und für Europa sicherlich keine gute Nachricht.

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