NACH ANGRIFFEN AUF POLITIKER – INNENMINISTER PRüFEN VERSCHäRFUNG VON STRAFRECHT

„Wir brauchen ein deutliches Stopp-Signal“: Bundesinnenministerin Faeser und ihre Kollegen in den Bundesländern wollen nach dem Angriff auf einen SPD-Politiker Wahlkämpfer besser schützen. Neben einer Verschärfung des Strafrechts ist auch eine Änderung des Melderechts im Gespräch.

Als Reaktion auf den gewaltsamen Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke in Dresden wollen die Innenminister von Bund und Ländern eine Verschärfung des Strafrechts überprüfen. Das ist das Ergebnis einer virtuellen Sondersitzung der Innenministerkonferenz (IMK) am Dienstag, wie Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Abend mitteilte.

Die Ressortchefs unterstützten nach seinen Angaben zwei Bundesratsinitiativen aus Bayern und Sachsen. Das bestehende Strafrecht bilde die Bedrohung für Amts- und Mandatsträger, aber auch für Ehrenamtliche „nicht mehr hinreichend ab“, sagte CDU-Politiker Stübgen.

Dabei gehe es vor allem um die Straftatbestände Körperverletzung und Nötigung, sagte er. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach von einer „äußerst brutalen Gewalttat“ gegen Ecke. Die Zahl der Angriffe auf Mandatsträger sei 2023 bereits im Vergleich zu 2022 um 53 Prozent gestiegen. „Wir brauchen deshalb ein ganz deutliches Stopp-Signal.“ Wenn das Strafrecht dazu weiter verschärft werden müsse, werde sie darüber mit Bundesjustizminister Marco Buschmann schnell beraten.

Die Innenminister warben auch für eine Bundesratsinitiative Sachsens, die das Kabinett erst am Dienstag beschlossen hatte. Im Kern geht es dabei um einen neuen Straftatbestand, der die Beeinflussung von Amts- und Mandatsträgern durch politisches Stalking ahnden soll. Damit sollen Entscheidungsträger gerade auch auf kommunaler Ebene vor bedrohlichen Übergriffen auf ihr Privatleben geschützt werden.

Hessens Innenminister will „Verrohung in unserer Gesellschaft“ entgegenwirken

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: „Wir erleben hier eine Eskalation antidemokratischer Gewalt.“ Die Polizei könne nicht überall sein. „Aber sie kann Schutzkonzepte anpassen.“

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) bezeichnete die kurzfristig einberufene Sonder-IMK als „starkes Signal“. Es sei wichtig, dass die Konferenz „die Bedeutung einer konsequente und zügigen Strafverfolgung hervorgehoben“ habe, die Härte des Rechtsstaats sei bei Übergriffen unverzichtbar. „Es ist auch richtig, Verschärfungen des Strafrechts im Hinblick auf die neue Lage kurzfristig zu prüfen. Der Schutz unserer Demokratie hat überragende Bedeutung. Ich halte es daher für konsequent, Angriffe, die sich auch gegen unsere demokratischen Grundwerte richten, schärfer zu ahnden und die den Taten zugrunde liegende verwerfliche Gesinnung in das Strafmaß einzubeziehen“, sagte er WELT.

Poseck begrüßt zwar, dass die Minister sich auf verstärkte und lageangepasste polizeiliche Schutzmaßnahmen verständigten. Klar sei aber auch, dass die Polizei nicht jeden, der sich politisch engagiert, und jeden Wahlkampfstand unter direkten Schutz stellen könne. „Deshalb ist für uns eine gesellschaftliche Umkehr unverzichtbar. Wir sind entschlossen, der Verrohung in unserer Gesellschaft und insbesondere Desinformationen entschlossen entgegenzuwirken“, sagte Poseck.

Deshalb habe die IMK den Bund aufgefordert, „die jüngste Entscheidung des EuGH zur Zulässigkeit der anlasslosen Speicherung von IP-Adressen aufzugreifen und diese auch zur Bekämpfung von politisch motivierten Gewalttaten und insbesondere auch zur Bekämpfung von Hass und Hetze einzusetzen“. Die Speicherung von IP-Adressen würde diesbezüglich „einen Quantensprung in der Kriminalitätsbekämpfung“ bedeuten, sagte er WELT.

Faeser kündigt Änderung des Melderechts an

Bundesinnenministerin Faeser kündigte an, die Regierungskoalition werde „in Kürze das Melderecht“ ändern, um Wohnadressen unter anderem von Kommunalpolitikern besser zu schützen. Schon im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Partner dazu beispielsweise vereinbart, dass die Beantragung von Auskunftssperren im Melderegister für von Extremismus und Gewalt bedrohten Menschen verbessert werden solle. Auf diese Weise sollen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, davor geschützt werden, an ihrem Wohnort aufgesucht und bedroht zu werden.

Der 41-jährige SPD-Politiker Ecke war am Freitagabend beim Plakatieren in Dresden von mehreren Personen angegriffen und so schwer verletzt worden, dass er operiert werden musste. Polizei und Staatsanwaltschaft beschuldigen vier junge Deutsche im Alter von 17 und 18 Jahren, den Angriff verübt zu haben. Ein 17-Jähriger soll Verbindungen in das rechtsextreme Milieu haben.

Kurz vor dem Angriff auf Ecke hatte laut Polizei mutmaßlich dieselbe Gruppe in der Nähe einen Grünen-Wahlkampfhelfer verletzt. Am Wochenende war auch ein AfD-Politiker im niedersächsischen Nordhorn angegriffen worden.

2024-05-07T19:03:46Z dg43tfdfdgfd