NEUBURG AN DER DONAU: EIN SCHULNAME WIRD ZUR BELASTUNG

Vor zehn Jahren bewertete das bayerische Kultusministerium den Namen der Paul-Winter-Realschule in Neuburg als unproblematisch. Seit die NS-Verstrickung des Komponisten bekannt ist, stellt sich die Frage: Wurde nicht richtig hingesehen?

Ein Schulname wird zur Belastung

Nach den Enthüllungen über die hochrangige NS-Vergangenheit des Komponisten Paul Winter wird in dessen Geburtsstadt Neuburg an der Donau über Konsequenzen diskutiert. Am Dienstag kündigte Oberbürgermeister Bernhard Gmehling (CSU) im Stadtrat an, die Biografie Winters zunächst noch mal durch einen Historiker durchleuchten lassen zu wollen. Zuvor hatte der Ortsverband der Grünen "eine Neubewertung seiner Ehrenbürgerschaft und der Straßenbenennung sowie der Benennung der Paul-Winter-Realschule" gefordert. Auch die CSU wollte den Umgang mit Winter überdenken, der in Neuburg bislang in vielfältiger Form geehrt wurde.

Vergangene Woche waren Forschungen des langjährigen Kreisheimatpflegers Manfred Veit öffentlich geworden, die Winter eine zentrale Stellung als General im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) nachweisen. "Bei ihm erhielten die von Hitler gewünschten Befehle und Weisungen die letzte redaktionelle Bearbeitung", schreibt Veit. Winter soll als Chef des OKW-Zentralamts auch an der Ausarbeitung verbrecherischer Befehle wie dem "Kommissarbefehl" beteiligt gewesen sein, der die völkerrechtswidrige Ermordung sowjetischer Offiziere vorgab. Er soll zudem die "rechte Hand" von OKW-Chef Wilhelm Keitel gewesen sein, der als einer von 24 NS-Hauptkriegsverbrechern hingerichtet wurde. Keitel lobte Winters Verdienste in einer Beurteilung von 1944 nachdrücklich: "Unbeirrbarer Nationalsozialist."

Nach den Berichten über Winters NS-Verstrickung kündigten Neuburgs Oberbürgermeister Gmehling und Landrat Peter von der Grün (parteilos) eine Aufarbeitung der gravierenden Vorwürfe an. Stadtrat und Kreistag sollen sich mit dem Fall befassen. Über Jahrzehnte galt der 1894 im oberbayerischen Neuburg geborene Komponist als "großer Sohn" der Stadt und wurde mit Ehrenbürgerschaft, Straßenbenennung, Schulnamen und Gedenktafeln geehrt. Ersten Hinweisen zu Winters Rolle als Wehrmachtsgeneral und NS-Musikpropagandist - zum Beispiel als Schöpfer der Olympia-Fanfare von 1936 - hatte im Jahr 2016 niemand Beachtung geschenkt.

Eigene Forschungen zum Namensgeber fanden im Ministerium nicht statt

Die Kommunalpolitiker kündigten zudem einen Brief an Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) an. Schließlich hatte das Ministerium den Namen der Paul-Winter-Schule im Rahmen einer systematischen Prüfung aller bayerischen Schulnamen vor zehn Jahren als "nicht NS-belastet" eingestuft und daher keine Umbenennung empfohlen. Auf SZ-Anfrage teilt das Kultusministerium mit, dass diese Einschätzung "auf der Grundlage des damaligen Kenntnisstandes" basierte. Eigene Archivrecherchen zum Namensgeber fanden im Ministerium nicht statt. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, "dass neue Erkenntnisse eine neue Bewertung auslösen könnten", teilt eine Sprecherin mit.

Auch als kritische Hinweise über Winters NS-Stellung längst öffentlich verfügbar waren, antwortete das Kultusministerium im vergangenen Jahr auf eine Bürgeranfrage, "dass der Namensgeber Paul Winter zwar eine affirmative Grundhaltung gegenüber dem Nationalsozialismus während der Jahre des NS-Regimes einnahm, aber eine Verwicklung in NS-Verbrechen nicht erkennbar ist". Stattdessen wies das Ministerium "auf die erkennbar positive Rolle Paul Winters in der Nachkriegszeit" hin.

Ob das Kultusministerium seine Einschätzung nun revidiert und eine Umbenennung der Neuburger Realschule empfiehlt? Man wolle der Debatte nicht vorgreifen, heißt es zurückhaltend. Man befürworte einen demokratischen Diskurs vor Ort, "aus dem dann gegebenenfalls ein Antrag auf Aberkennung des Schulnamens hervorgehen kann".

Schulleiter Christian Aschenbrenner teilte auf SZ-Anfrage vergangene Woche mit, dass man die neuen Erkenntnisse derzeit intensiv diskutiere. "Es finden viele Gespräche statt." Ob er eine Umbenennung für nötig hält, blieb offen. Zumindest an einer Stelle hat man schon Abstand vom problematischen Namensgeber genommen: Ein feierlicher Beitrag zum 130. Geburtstag Paul Winters aus dem Januar ist von der Schulhomepage verschwunden.

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