OMID NOURIPOUR KRITISIERT JAHRELANGEN »BESONDEREN KUSCHELKURS« MIT IRAN – SPIEGEL-SPITZENGESPRäCH

Er selbst musste als Kind in Iran antisemitische Parolen in der Schule aufsagen, nun beklagt Grünen-Co-Chef Omid Nouripour im SPIEGEL-Talk Deutschlands jahrelange Milde mit Iran. Er hofft auf einen Sturz des Mullah-Regimes.

Der Co-Bundesvorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, sieht historisch schwere außenpolitische Versäumnisse in Deutschlands Umgang mit Iran. »Es ist richtig, dass es Jahre und jahrzehntelang einen Kuschelkurs gegeben hat«, sagte Nouripour im SPIEGEL-Spitzengespräch mit Moderator Markus Feldenkirchen, der Politologin und Nahost-Expertin Bente Scheller und Autor Richard C. Schneider.

Deutschland habe sich dabei durch einen »besonderen Kuschelkurs« mit dem iranischen Regime noch von anderen Staaten abgehoben, sagte Nouripour. So sei etwa kurz nach einem tödlichen Anschlag auf iranische Oppositionelle in Berlin im Jahr 1992 eine deutsche Delegation nach Iran gereist. Grund seien wirtschaftliche Interessen oder die Illusion einer historischen Verbundenheit zwischen Deutschland und Iran gewesen. »Ich glaube, da gab es ganz viel Romantik in den Beziehungen, die wegmusste.«

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An einem Treffen des damaligen Außenministers und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier mit dem früheren iranischen Staatspräsidenten Hassan Rohani im Jahr 2016 wollte Nouripour indes keine Kritik üben. »Dass ein Außenminister auch mal dreckige und blutige Hände schüttelt, gehört zu seinem Job dazu.«

Es gebe inzwischen jedoch »gute Gründe, warum Annalena Baerbock nicht hingefahren ist, die letzten zweieinhalb Jahre«, sagte Nouripour mit Blick die amtierende grüne Außenministerin. Inzwischen habe sich die deutsche Linie gegenüber dem Regime verändert. »Ich glaube, dass wir diesen Kuschelkurs spätestens im Oktober 2022, mit den letzten Protesten in Iran, beendet haben.«

Nouripour hofft auf Regimewechsel in Iran

Die Massenproteste, die die Mullahs damals herausforderten, machen Nouripour auch heute noch Hoffnung auf einen Systemwechsel in seiner einstigen Heimat. »Ich bin tief davon überzeugt, wir werden noch erleben, dass diese Frauen aufhören werden, sich unterdrücken zu lassen und die Übermacht dieses Regimes brechen werden«.

Die Macht der Frauen zeige sich dabei umso stärker, je repressiver die Staatsführung reagiere, sagte der Grünenpolitiker. »Nach dem Anziehen der Regeln für die Zwangsverschleierung sieht man mal wieder viele, viele Stimmen von unglaublich starken Frauen«, so Nouripour. Frauen seien zwar »nicht die einzigen, die die Proteste tragen, aber ihre Rechte werden am meisten geschnitten«.

»Es ist Teil der Staatsdoktrin des Iran, dass man Israel zerstören muss«

Im SPIEGEL-Spitzengespräch sprach Nouripour, der in Teheran geboren wurde und bis zum 13. Lebensjahr in Iran aufwuchs, auch über seine Erfahrungen mit dem Hass, den das Regime gegen Israel schürt. »Es ist Teil der Staatsdoktrin des Iran, dass man Israel zerstören muss«, so Nouripour.

»Wir sind morgens in die Schule, haben uns erstmal aufgestellt in Reihen zum Morgenappell und haben gerufen: ›Tod Israel‹, bevor wir in den Unterricht gehen durften«, schilderte der Grünenchef seine Kindheitserlebnisse. »Da gibt es einen Grundsatz an Hass«, sagte Nouripour.

Das SPIEGEL-Spitzengespräch mit Omid Nouripour, Bente Scheller und Richard C. Schneider ist am Mittwochabend ab 20 Uhr auf SPIEGEL.de verfügbar.

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