RECHTSDRALL BEI JUGENDLICHEN – SO WILL DIE CDU TERRAIN GEWINNEN

Keine Partei bekommt bei Jugendlichen laut einer Studie so viel Zuspruch wie die AfD. Die Junge Union will nun auf dem CDU-Parteitag ein Paket für die Jugend durchsetzen: für die Schuldenbremse, für mehr Rentengerechtigkeit – und überraschend: eine Rückkehr zur Wehrpflicht.

Selten hat CDU-Chef Friedrich Merz so entspannt gewirkt wie in den Tagen vor dem Bundesparteitag in Berlin. Für schlechte Umfragewerte und Kritik sorgt die Ampel-Koalition ganz allein. Die Union liegt in Wahlumfragen konstant bei 30 Prozent oder leicht darüber, und damit weit vor allen anderen Parteien. Niemand in der Union wagt es derzeit, den CDU-Vorsitzenden offen anzugehen und damit unmittelbar herauszufordern. Nicht mal aus den Reihen der durchaus machtbewussten Unions-Ministerpräsidenten. Das war vor einigen Monaten noch anders. Es läuft also für Merz. Fast.

Das unerwartet aufgetauchte Problem ist die Studie „Jugend in Deutschland 2024“. Für die wurde auch das Wahlverhalten junger Menschen im Land abgefragt. Das Ergebnis ist für die Ampel-Parteien ein Schlag ins Gesicht, aber auch für die Unionsparteien alarmierend. Aus zwei Gründen: Erstens liegen CDU und CSU in der Gunst junger Wähler, anders als bei Umfragen der gesamten Bevölkerung, nur auf Platz zwei in der Wählergunst. Der eigentliche Dämpfer aber ist: Ganz vorn rangiert die AfD.

Die Analysten stellen nach Befragungen von 14- bis 29-Jährigen einen deutlichen Rechtsruck fest. Laut der Studie würden 22 Prozent der Befragten, die überhaupt eine Parteipräferenz haben und die bei der Bundestagswahl wählen gehen wollen, die AfD wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den vorangegangenen Erhebungen. Auch die CDU steigt im Ansehen der Jungen, 20 Prozent würden für sie stimmen. Das sind vier Punkte mehr als im Jahr 2022.

Die Ampel-Parteien verlieren hingegen an Zuspruch: besonders massiv die Grünen, die FDP deutlich, die SPD ein wenig. Das Grundgefühl, das junge Menschen derzeit beherrscht, ist laut der Befragung ein Pessimismus, wie es ihn in der Bundesrepublik in diesem Ausmaß noch nicht gegeben habe. Die junge Generation fürchte um den Wohlstand im Land. Ergebnis ist eine verbreitete politische Unzufriedenheit.

„Der Inhalt der Studie hat mich nicht überrascht, denn die Entwicklung war bereits in den vergangenen Landtagswahlen abzusehen“, sagt der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Johannes Winkel, WELT. „Die Hauptbotschaften sind: Junge Menschen wählen nicht automatisch links, dieser Trend ist vorbei. Und: Die AfD legt besorgniserregend zu.“ Auf Letzteres will die CDU nun auf ihrem Parteitag reagieren.

„Wir müssen nicht nur über eine Politik für junge Menschen reden, wir müssen sie machen“, so Winkel. „Dazu gehören die Schuldenbremse, endlich Ehrlichkeit beim Thema Rente, eine Kehrtwende bei der Zuwanderung sowie eine Stärkung der Wirtschaft.“ Wer ungebremst weiter neue Schulden mache, wälze die Tilgung auf die jungen und kommende Generationen ab. Die Regelaltersgrenze für den Renteneintritt will die CDU an die Lebenserwartung koppeln, nur so könne es gestemmt werden, dass immer weniger junge Menschen für immer mehr Rentner aufkommen müssten.

„Auf dem Parteitag werden wir entsprechende Anträge einbringen“, kündigte der JU-Chef an. So soll schon in der Präambel des neuen Grundsatzprogramms unter der Überschrift „Zukunftsversprechen für die nächste Generation“ die Schuldenbremse verankert werden. Im Antrag zur Sicherung der Renten heißt es zusätzlich zur Regelaltersgrenze: „Wir wollen den Steuerzuschuss in das Rentensystem auf maximal ein Viertel des Bundeshaushalts begrenzen, um den kommenden Generationen die Möglichkeit zu erhalten, ihre eigene Zukunft zu gestalten.“

Zur Stärkung der Wirtschaft will die CDU die Unternehmen steuerlich entlasten, die Junge Union schlägt darüber hinaus eine Digitalisierungsoffensive vor, um den Standort Deutschland und Arbeitsplätze für die junge Generation zu sichern. „Neue Technologien werden nicht nur Arbeitsprozesse optimieren, sondern auch neue Märkte erschließen und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze schaffen. Eine kontinuierliche Investition in die Digitalisierung und Forschung ist unerlässlich, um die Zukunft unseres Gemeinwesens langfristig zu sichern“, heißt es in dem Antrag.

Entsprechende Initiativen waren erwartbar, das Bekenntnis zur Wehrpflicht dagegen nicht – schließlich würde die tief in die Lebensplanung junger Menschen eingreifen. Dennoch schlägt die Junge Union vor: „Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen und eine Wehrpflicht für alle einführen.“ Die Begründung: „Für den Fall des Ausbruchs eines Krieges gegen Deutschland oder seine Verbündeten hat der Staat umfassend vorzusorgen.“ Eine Demokratie, die ihrer Jugend eine Perspektive bieten wolle, müsse wehrhaft sein, so Winkel – im Innern wie nach außen.

Teenager im Schlepptau der Eltern bei AfD-Wahlkampfauftakt

Der JU-Chef kann davon ausgehen, auf dem Parteitag einige Unterstützung zu bekommen. Merz reagierte sichtbar irritiert und besorgt auf die Studienergebnisse. Man kann das Ergebnis der Jugendstudie aus Sicht der Unionsparteien so sehen: Immerhin liegen CDU und CSU in der Gunst junger Menschen auf Platz zwei. Das klingt gut, schließlich galten die beiden Parteien in der Vergangenheit nicht gerade als politische Favoriten Jugendlicher. Die Wählerschaft der Unionsparteien ist, wie die Parteien selbst, überdurchschnittlich alt.

Und wir erinnern uns: Bei der Bundestagswahl 2021, die bekanntermaßen insgesamt zum Debakel für die Union wurde, hatten nur elf Prozent der 18- bis 29-Jährigen für CDU oder CSU gestimmt. Schlechter schnitten damals nur die AfD und die Linkspartei ab, mit jeweils acht Prozent. Angesagt bei Erst- und Jungwählern waren dagegen die Grünen und die FDP. 22 Prozent beziehungsweise 19 Prozent hatten in dieser Altersgruppe für die beiden Parteien gestimmt. Seit der Bundestagswahl bröckelt die Begeisterung Jugendlicher für Grüne und FDP aber, wie die jüngsten Landtagswahlen in Bayern und Hessen zeigten. Die AfD legt dagegen zu, auch bei Erstwählern.

Wer verstehen will, warum Jugendliche plötzlich die AfD interessant finden, kann sich in Donaueschingen im Schwarzwald ein Bild machen. Zum Europawahlkampf-Auftakt der AfD kamen Ende April nicht nur ältere Männer und Frauen, sondern auch ein paar Teenager – zum Teil im Schlepptau ihrer Eltern. Während draußen ein Bündnis aus CDU, SPD, Grünen und FDP „für Demokratie und Vielfalt“ demonstrierte, standen in der Halle die Familien zusammen, um die Reden der AfD-Chefs zu hören. Ihn beschäftige die Migrationspolitik, erklärte ein junger Mann, der mit einem Bekannten an einem Tisch lehnte.

An seiner Berufsschule seien inzwischen viele Schüler, die kaum oder gar kein Deutsch sprächen. Sie würden aber nicht getrennt von den anderen unterrichtet, sondern alle zusammen. Dies verlangsame das Vorankommen aller, was er nicht gut finde. Wie die meisten hier wollte er seinen Namen nicht öffentlich machen. Er wägte seine Worte ab, sprach vorsichtig.

Etwas weiter entfernt stand ein Endfünfziger, der mit seinem 17-jährigen Sohn hergekommen war. Der Jugendliche selbst wollte nicht sprechen, blieb aber in der Nähe des Vaters. „Ich habe das Gefühl, die Alt-Parteien rennen uns alle in einen Krieg“, sagte der Mann mit Blick auf den Ukraine-Krieg. „Ich habe keinen Bock, dass mein Sohn da mit reingezogen wird.“ Er sei sich noch nicht sicher, ob die AfD wirklich die richtige Wahl für ihn sei. Es ärgere ihn aber, dass die anderen Parteien alle „gleichgeschaltet“ seien.

Sein Sohn neben ihm widersprach nicht. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine und die Sorge, darin verwickelt zu werden, beschäftigte die jungen Leute. Außerdem die vielfach unbefriedigenden Zustände im Bildungswesen, die starke Zuwanderung und die damit verbundenen Probleme bei der Integration. Die Jugendlichen sorgten die zuletzt hohe Inflation und der damit einhergehende Wohlstandsverlust, die steigenden Mieten, die wachsende Gefahr von Altersarmut.

Für JU-Chef Winkel gibt es gegen das Anwachsen der AfD vor allem ein Rezept: „Wir als CDU und Junge Union müssen erkennen, dass wir unseren Kernüberzeugungen treu bleiben müssen. Das heißt: Kein Mensch braucht eine Art Grüne 2.0, niemand will eine JU, die wie ein Klon von Fridays for Future auftritt. Dann geht es bei der Akzeptanz in der jungen Generation weiter bergauf.“

2024-05-06T04:28:13Z dg43tfdfdgfd