REGIERUNG UND UNION WOLLEN GRUNDGESETZ-ÄNDERUNG ZU BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

Ampel-Parteien und Union wollen das Bundesverfassungsgericht vor „extremen politischen Parteien“ schützen. Dafür muss das Grundgesetz umgeschrieben werden. Union und FDP dementierten eine Einigung, die CDU ist verärgert über die Vorab-Information.

Die Ampel-Parteien und die Union haben sich offenbar auf einen Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes geeinigt, um das Bundesverfassungsgericht vor extremen politischen Parteien zu schützen. Festgeschrieben werden solle die Unabhängigkeit des Gerichts, die Zahl von zwei Senaten, die Wahl von jeweils acht Richtern durch Bundestag und Bundesrat, ihre Amtszeit von zwölf Jahren und die Altersgrenze von 68 Jahren, berichtete die „Rheinischen Post“, der der Entwurf vorliegt. Ein Passus soll zudem beinhalten, dass alle Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden binden.

„Eine Einigung zu diesem Entwurf gibt es nicht“, sagte jedoch die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andrea Lindholz (CSU). „Die Unionsfraktion wird den Entwurf nun sorgfältig prüfen und bewerten, bevor weitere Gespräche stattfinden.“ Weitere Gespräche seien nach Ostern geplant, hieß es aus der Fraktion. „Es trifft nicht zu, dass es bereits eine Einigung gibt“, betonte auch eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums am Donnerstag. Mit der Einladung zu einer weiteren Gesprächsrunde sei ein Arbeitsentwurf verschickt worden, über den vertraulich beraten werden solle.

Seit Wochen wird über einen besseren Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor einer möglichen AfD-Regierungsbeteiligung diskutiert. Justizminister Marco Buschmann (FDP) hatte Anfang Februar für eine parteiübergreifende Initiative geworben. Die Unionsfraktion hatte den Plänen der Ampel-Koalition zunächst eine Absage erteilt. Zuletzt hatte sich der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe offen für eine Verankerung der Strukturen des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz gezeigt. Zugleich hatte er betont, „keine akute Gefahr für das Bundesverfassungsgericht“ zu sehen.

„All diese Regelungen sind damit künftig einer Änderung mit einfacher Mehrheit entzogen“, heiße es in dem zwölfseitigen Entwurf des Bundesjustizministeriums, aus dem die „Rheinische Post“ zitiert. Es erscheine mittlerweile angemessen, „die den Status des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan prägenden Elemente im Grundgesetz selbst deutlicher sichtbar werden zu lassen – wie dies bei Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident und Bundesregierung bereits der Fall ist“.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, das Verfassungsgericht habe sich „als Schutzschild der Grundrechte und tragende Säule unserer liberalen Demokratie“ erwiesen. Er hoffe auf die nötigen Mehrheiten, um die Unabhängigkeit des Gerichts stärker im Grundgesetz zu verankern. Es gelte, aus den Erfahrungen anderer Staaten zu lernen, um für potenzielle Gefahren gut gerüstet zu sein. „Die traurige Erfahrung in Polen, in Ungarn und teilweise auch in Israel ist, dass Verfassungsgerichte schnell politische Angriffsziele sein können.“

Über die Verhandlungsbereitschaft der Union zeigte sich Buschmann erfreut. „Es geht um unsere gemeinsame gesamtpolitische Verantwortung als seriöse Demokraten. Diese Verantwortung steht über parteipolitischen Auseinandersetzungen.“

Lindholz betonte, ihre Fraktion sehe zwar „keine akute Gefahr für einen Angriff auf das Bundesverfassungsgericht durch verfassungsfeindliche Parteien“. Man nehme die Bedenken und Diskussionen der vergangenen Wochen aber ernst und sei offen für Gespräche über die Reform.

Union verärgert über Veröffentlichung

Ärger gab es in der Unionsfraktion darüber, dass der Entwurf Buschmanns öffentlich wurde. Man erwarte, dass die Ampel-Parteien endlich zu einer seriösen Zusammenarbeit zurückkehrten, hieß es. Es herrsche in der Union Unmut über die wiederholte einseitige „Durchstecherei“ aus als vertraulich vereinbarten Gesprächen. Gerade bei bedeutenden Anliegen wie einer Grundgesetzänderung zur Stärkung der Stellung des Bundesverfassungsgerichts sei Vertrauen nötig.

Zustimmung für die Reform kam vom Deutschen Anwaltverein (DAV). „Das Vorhaben wird den Rechtsstaat deutlich krisenfester machen“, sagte Vizepräsident Ulrich Karpenstein. Die Vorschläge dürften nun aber nicht parteipolitisch zerrieben werden. Der Deutsche Richterbund (DRB) lobte, die Überlegungen gingen in die richtige Richtung. Die Absicherung des Bundesverfassungsgerichts könne aber nur ein erster Schritt sein, betonte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. „Es braucht jetzt auch in den Ländern politische Initiativen, um die Justiz besser vor parteipolitischen Durchgriffen zu schützen und sie als Bollwerk der Demokratie zu stärken.“

Insbesondere das Verfahren zur Besetzung von Richterstellen müsse gesetzlich überall in Deutschland so ausgestaltet sein, dass es nicht parteipolitisch missbraucht werden könne. „Finden die demokratischen Parteien jetzt nicht die Kraft für gemeinsame Lösungen, wäre es eine kalte Dusche für die Millionen Menschen, die in Deutschland seit vielen Wochen engagiert gegen Rechtsextremismus und für Rechtsstaatlichkeit auf die Straße gehen.“

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz bezeichnete einen Schutz des Gerichts vor antidemokratischer Einflussnahme als dringend notwendig und begrüßte den Vorschlag Buschmanns sowie die Rückkehr der Union an den Verhandlungstisch. „Wir freuen uns auf zügige und konstruktive Gespräche zu diesem wichtigen Thema.“

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