SCHNELLE EINBüRGERUNG VON FLüCHTLINGEN – WIE SICH DIE UNION GEGEN DEN AMPEL-PLAN STEMMT

Die Ampel-Reform des Einbürgerungsrechts ermöglicht, dass auch Flüchtlinge nach drei Jahren den deutschen Pass beantragen können – wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Die Union findet das „absurd“ und betont den vorübergehenden Charakter des Asyl-Aufenthaltsrechts.

„Verramschen des deutschen Passes“ – so betitelte Alexander Dobrindt die neuen Regelungen für die erleichterte Einbürgerung, die im Juni in Kraft treten werden. Der Landesgruppenvorsitzende der CSU im Bundestag und der Rest der Unionsfraktion kritisieren die Gesetzesreform der Ampel-Koalition zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts seit ihrer Vorstellung. Vor allem ließ die Union kein gutes Wort daran, dass es für Ausländer nun möglich sein soll, im schnellsten Fall nach drei Jahren Aufenthalt die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen.

Und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion pocht weiter auf Änderungen, obwohl die Novelle längst verabschiedet wurde. In einem Antragsentwurf, der bald von den Unionsabgeordneten beschlossen werden soll und WELT vorliegt, kritisiert die Union, dass das reformierte Einbürgerungsrecht im Widerspruch zum bestehenden Aufenthaltsgesetz stehe. Die Union fordert eine Entkopplung der auf drei Jahre ausgelegten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, die Schutzsuchende erhalten, von der neuen Regelung der Einbürgerung nach drei Jahren.

Die Union befürchtet, Schutzsuchende – aktuell 3,1 Millionen in Deutschland inklusive Ukrainer – könnten sich nach drei Jahren unter dem humanitären Aufenthaltsrecht direkt einbürgern lassen. Das humanitäre Aufenthaltsrecht diene aber einem „vorübergehenden Aufenthaltszweck“ und gelte „nur für einen begrenzten Zeitraum“. Deswegen entstehe mit dem neuen Einbürgerungsrecht ein gesetzlicher Widerspruch.

Der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Alexander Throm (CDU), bezeichnet diesen Umstand als „absurd“. „Das deutsche und das internationale Asylrecht gehen von einem vorübergehenden Schutz aus, nicht von einer Einbürgerung nach kurzer Zeit“, sagt er WELT. „Die Ampel schafft mit der Turbo-Einbürgerung von hunderttausenden Flüchtlingen unabsehbare Folgen für unser Land.“

Die Union schlägt folglich vor, dass der Aufenthalt mit einem vorübergehenden humanitären Schutz nicht auf die Mindestdauer von drei beziehungsweise fünf Jahren angerechnet wird, die zur Einbürgerung nötig ist. Die Minimal-Frist von drei Jahren solle nach Ansicht der Union erst ab dem Zeitpunkt gerechnet werden, nachdem die Person mit berechtigtem Schutzanspruch ein unbefristetes Aufenthaltsrecht erworben hat.

Ganz so einfach ist es jedoch nach dem neuen Einbürgerungsrecht nicht, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Die Regelzeit wurde zwar grundsätzlich von acht auf fünf Jahre gesenkt. Nach drei Jahren ist es aber nur mit nachgewiesenen Zusatzleistungen möglich. Darunter fallen zum Beispiel ein hohes Niveau der deutschen Sprache (C1), bürgerschaftliches Engagement oder besonders gute berufliche Leistungen. Bestehen bleiben weitere Voraussetzungen wie etwa die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes, das Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung mit einem Zusatz zum Schutz jüdischen Lebens und ein leeres Vorstrafenregister.

In Zukunft sollen auch bestimmte Bagatelldelikten genauer nach dem Motiv der Tat untersucht werden. Eine weitere Änderung gibt es bei jeglicher Art von Sozialleistungsbezug: Der darf nach neuem Recht beim Antragsteller nur in wenigen Ausnahmen vorliegen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stephan Thomae, betont die Verschärfungen der Kriterien: „Diese Voraussetzungen sind die eigentliche Neuerung im neuen Staatsangehörigkeitsrecht, und sie erschweren die missbräuchliche Ausnutzung erheblich.“ Umgekehrt machten sie es aber, genauso wie bisher, sehr gut integrierten anerkannten Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten nicht unmöglich, Staatsangehörige zu werden.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese weist gegenüber WELT ebenfalls darauf hin, dass die Voraussetzungen für eine schnellere Einbürgerung sehr hoch seien, „insbesondere was Integrationsleistungen und Lebensunterhaltssicherung betrifft.“ Er betont zudem: „Wenn jemand – gerade auch trotz belastendem Fluchthintergrund – bereits nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland so gut integriert ist, dass er diese Voraussetzungen erfüllt, hat das Anerkennung und Wertschätzung verdient.“ Genau das habe man im Gesetz geregelt.

Streit um den dauerhaften Aufenthalt

Eine weitere Voraussetzung ist, dass der bisherige Aufenthalt in Deutschland rechtmäßig und „gewöhnlich“, also dauerhaft, sein muss. Es gibt zwar Aufenthaltszwecke, die nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz keinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ begründen, also mit denen man nicht eingebürgert werden kann. Darunter fällt jedoch nicht der Aufenthaltszweck von anerkannten Asylbewerbern oder Personen, die einen subsidiären Schutz oder eine Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen haben. Das kritisiert die Union und möchte im Staatsangehörigkeitsgesetz festschreiben, dass „vorübergehende humanitäre Aufenthaltsrechte nicht als ‚gewöhnlicher Aufenthalt im Inland‘ gelten“.

Dem stimmt auch Gottfried Curio zu, innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion. Er sieht in der Reform der Ampel eine „schwerwiegende Spannung zu den Regelungen des humanitären Aufenthaltsrechts“. Der humanitäre Aufenthalt sei „mithin keine ausreichende Basis für eine direkt nachfolgende etwaige Einbürgerung“.

Der Staatsrechtler Tarik Tabbara von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin stellt diese Haltung jedoch infrage. „Auch wenn der Flüchtlingsstatus theoretisch ein vorübergehender ist – bis sich die Umstände im Land der Verfolgung geändert haben – so stellt der Aufenthalt von anerkannten Flüchtlingen faktisch einen gewöhnlichen Aufenthalt dar“, sagt Tabbara WELT. Der Grund dafür sei, dass „anerkannte Flüchtlinge kein anderes Land haben, in dem sie einen gewöhnlichen Aufenthalt realisieren könnten“.

Aus der gesetzlich vorgesehenen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis für anerkannte Flüchtlinge von drei Jahren dürfe nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber davon ausgehe, dass am Ende dieser Frist die Gründe für den gewährten Aufenthalt entfielen. „Vielmehr ist die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, wenn die Gründe für ihre Erteilung – die drohende Verfolgung – fortbestehen. Die Verlängerung ist die Regel“, so Tabbara.

Filiz Polat, Migrationsexpertin der Grünen-Fraktion im Bundestag, weist darauf hin, dass auch aktuell anerkannte Asylsuchende und Menschen mit subsidiärem Schutz eingebürgert werden können, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Nach noch geltendem Recht geht der Weg dann meist über eine Niederlassungserlaubnis, die anerkannte Asylbewerber nach Ablauf der drei Jahre erlangen können; dann dauert es nochmal mindestens drei Jahre, um eine verkürzte Einbürgerung nach insgesamt sechs Jahren erreichen zu können. Abgesehen von der Zeitdauer gebe es, so Polat, keine Erleichterungen für die Einbürgerung nach der Reform. „Die Voraussetzungen für die deutsche Staatsangehörigkeit werden durch das neue Staatsangehörigkeitsrecht nicht gesenkt – in bestimmten Fällen gibt es sogar höhere Anforderungen“, sagt sie WELT. Es gebe keinen Grund, Menschen, die die Voraussetzungen erfüllen, länger warten zu lassen.

Schützenhilfe kommt von den Linken, deren migrationspolitische Sprecherin im Bundestag Gökay Akbulut die mögliche Einbürgerung nach drei Jahren begrüßt. „Damit erfüllt Deutschland seine bestehenden internationalen Verpflichtungen, denn gemäß den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention ist Deutschland angehalten, Einbürgerungen von Geflüchteten zu erleichtern und zu beschleunigen.“

Der Unionsantrag ist derzeit auf Arbeitsebene geeint, muss aber noch durch den Vorstand und die Fraktion. Wann er in den Bundestag eingebracht wird, stehe noch nicht fest, ist aus der Unionsfraktion zu hören. Vor der Europawahl am 9. Juni dürfte es aber zeitlich knapp sein.

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