SPIONAGE FüR CHINA: AFD-MITARBEITER SOLL CHINESISCHE OPPOSITIONELLE AUSGESPäHT HABEN

Jian G. hat angeblich auch Informationen über kritische Infrastruktur nach Peking geliefert. Er war bislang als "akkreditierter Assistent" für den AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, tätig.

AfD-Mitarbeiter soll chinesische Oppositionelle ausgespäht haben

Die Nachrichten in eigener Sache waren für den AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl schon in den vergangenen Wochen nicht gerade politischer Rückenwind. Weil er verdächtigt wurde, Zahlungen von einem prorussischen Aktivisten erhalten zu haben und er bei einer US-Reise viel Bargeld dabeihatte, hatte das FBI Maximilian Krah im vergangenen Dezember befragt. Seit Dienstagmorgen aber ist die Karriere des umstrittenen AfD-Politikers um eine weitere Wendung reicher. Schon wieder geht es um dubiose Kontakte Krahs. Diesmal allerdings nicht um solche nach Russland. Am Montag ließ die Bundesanwaltschaft den Deutschen Jian G. in Dresden festnehmen und seine Wohnung durchsuchen. Er soll für einen chinesischen Geheimdienst gearbeitet haben. Und er hat für Maximilian Krah gearbeitet.

Damit nimmt ein Fall seinen Lauf, der politische Sprengkraft auf höchster Ebene entfaltet. Denn G. war in den vergangenen Jahren mutmaßlich nicht nur bei der Anbahnung von Geschäften zwischen China und Deutschland aktiv. Die Website des AfD-Europa-Abgeordneten Maximilian Krah listet ihn auch als "akkreditierten Assistenten" seines Brüsseler Büros auf. Die Ermittler gehen davon aus, dass G. aus seiner Arbeit im Parlamentsbetrieb Informationen an das chinesische Ministerium für Staatssicherheit (MSS) übermittelt hat. G. arbeitet seit 2019 für Krah.

Offenbar waren ihm die Ermittler schon länger auf den Fersen. Schon mindestens seit Anfang 2023 hatten sie ihn im Verdacht. Im Januar 2024 soll der Beschuldigte dann "wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europäischen Parlament" an seinen nachrichtendienstlichen Auftraggeber weitergegeben haben. Für den Geheimdienst Chinas soll er auch noch chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben. Konkret ging es dabei um Informationen über die Falun-Gong-Bewegung und verteidigungspolitische Informationen zu kritischen Infrastrukturen in Europa.

Die Bundesanwaltschaft sprach am Dienstag von einer "Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall". Die Ermittler hatten G. schon länger auf dem Schirm, sahen sich nun aber zum Handeln gezwungen. Möglicherweise fürchteten die Fahnder, dass sich der Verdächtige absetzen könnte.

Faeser nennt die Vorwürfe "äußerst schwerwiegend"

Die Bundesregierung verschärfte am Dienstag den Ton gegenüber Peking, nachdem bereits am Montag drei Deutsche festgenommen wurden, denen Spionage für China vorgeworfen wurde. "Die Vorwürfe der Spionage für China sind äußerst schwerwiegend", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. "Wenn sich bestätigt, dass aus dem Europäischen Parlament heraus für chinesische Nachrichtendienste spioniert wurde, dann ist das ein Angriff von innen auf die europäische Demokratie." Ebenso schwer wiege der Vorwurf der Ausspähung der chinesischen Opposition. Faeser forderte Konsequenzen für Krah aber auch die AfD: "Wer einen solchen Mitarbeiter beschäftigt, trägt dafür auch Verantwortung. Dieser Fall muss genauestens aufgeklärt werden. Alle Verbindungen und Hintergründe müssen ausgeleuchtet werden."

Maximilan Krah erklärte, er habe von der Festnahme seines Mitarbeiters am Vormittag aus der Presse erfahren. Weitere Informationen lägen ihm nicht vor. Die Spionagetätigkeit sei eine schwerwiegende Anschuldigung. "Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen." Weitergehende Fragen der Süddeutschen Zeitung beantwortete Krah zunächst nicht.

Die Festnahme hat laut Ermittlern eine lange Vorgeschichte. Schon vor Jahren soll sich G. deutschen Behörden als Informant angedient haben. Man lehnte offenbar dankend ab. G. ist zudem seit Jahren an diversen Stellen in Deutschland aktiv, um Geschäfte zwischen der Volksrepublik und Deutschland voranzutreiben. Bekannte beschreiben ihn als Mann mit Wurzeln in China, der damals eine Import-Export-Firma für Solar- und LED-Technik führte. Beides Geschäftsfelder, in die die chinesische Regierung große Hoffnungen setzt. G. stellte für ostdeutsche Gemeinden Kontakte nach China her, war in Reisen involviert.

Auch die Beziehungen zum AfD-Abgeordneten Krah haben eine lange Vorgeschichte. Kontakte gibt es seit mehreren Jahren. Nach Angaben aus Ermittlungskreisen sollen Krah und Jian G. beide in Gründungsgespräche für einen Verein "Neue Seidenstraße" eingebunden waren. Der Verein soll sich um wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zwischen Deutschland und China gekümmert haben und 2019 gegründet worden sein. Im selben Jahr beginnt G. in Krahs Büro in Brüssel als neuer Mitarbeiter.

Die AfD wirft dem Verfassungsschutz vor, ihr schaden zu wollen

Die Führung der AfD-Bundestagsfraktion zeigt sich skeptisch gegenüber den Vorwürfen. "Hat uns auch überrascht", sagte Bernd Baumann, der Parlamentarische Geschäftsführer, am Dienstagmorgen. Er sprach von einem "angeblichen Hinweis" auf Spionage, dieser Hinweis sei vom Verfassungsschutz gekommen. "Da haben wir einschlägige Erfahrungen." Die AfD-Führung wirft dem Verfassungsschutz vor, der Partei durch Vorwürfe gezielt im Wahlkampf schaden zu wollen. "Wir sind mittlerweile hart gesotten, was Vorwürfe angeht", sagte Baumann. "Aber natürlich prüfen wir das."

Martin Sichert, der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, versuchte ebenfalls, den Verdacht gegen die Sicherheitsbehörden zu wenden. Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaften würden gegen die AfD "instrumentalisiert", sagte er. Solange keine Belege gegen den Mitarbeiter Krahs vorlägen, so lange würden die Reihen in der AfD geschlossen bleiben.

Allerdings zeigen sich bereits jetzt Lücken in diesen Reihen. "Entsetzen, aber keine Überraschung", so beschreibt ein ranghoher Mitarbeiter in der AfD die Stimmung in der Fraktion zusammen. Man beobachte seit Langem mit Skepsis die vielfältigen Verbindungen Krahs nach Russland und nach China. Vergangene Woche hatte er der SZ zu seinen internationalen Verbindungen gesagt, er habe "weltweite Kontakte, eine Frucht des MBA-Programms", an dem er teilgenommen habe. Laut seinem Lebenslauf hatte Krah von 2010 bis 2012 an der Columbia Business School und der London Business School studiert.

Zu den Kuriositäten des Falls gehört, dass Krah seinen Mitarbeiter Jian G. erst kürzlich bei einem Auftritt vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) in Münster als Beleg für seine Weltoffenheit angeführt hatte. Er beschäftige einen chinesischstämmigen Mitarbeiter in seinem Abgeordnetenbüro, das widerspreche dem Vorwurf, die AfD habe ein völkisches Staatsverständnis, sagte er vorvergangene Woche vor Gericht. In Münster wird derzeit die Klage der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz verhandelt, die Partei wendet sich unter anderem gegen die Beobachtung als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Um den Vorwurf zu entkräften, man erkenne nur Deutsche mit urdeutschen Wurzeln als vollwertige Staatsbürger an, hatte die Partei zudem mehrere AfD-Mitglieder aus Zuwandererfamilien auftreten lassen.

2024-04-23T11:50:01Z dg43tfdfdgfd