VOM STAR BEI „FRIDAYS FOR FUTURE“ ZUM UMSTRITTENEN PROBLEMFALL

Die 23-jährige Klima-Aktivistin und Politikerin Lena Schilling ist ein Star in Österreich. Auf einen Platz im EU-Parlament hatte sie beste Chancen. Doch nun werfen Recherchen einer renommierten Zeitung Fragen an ihrem Umgang mit der Wahrheit auf. Die Kandidatin spricht von einer Kampagne.

Die entscheidende Phase im EU-Wahlkampf hat begonnen in Österreich. Wien ist voller Wahl-Plakate. Auch Fotos von Lena Schilling sind oft zu sehen. „Herz statt Hetze“ steht auf ihnen. Oder: „Klima braucht Herz“. Bei Fotoshootings deutet die 23-jährige Politikerin der Grünen und ehemalige Aktivistin der Klimabewegung „Fridays for Future“ mit ihren Händen gerne ein Herz an und lächelt.

Freundlich soll sie also sein, die Kampagnen der Grünen, derzeit als Juniorpartner der ÖVP in der Regierung. Nun aber sieht sich ihre Spitzenkandidatin mit Vorwürfen konfrontiert, die einen ganz anderen Eindruck erwecken.

Ausgangspunkt ist eine gerichtliche Verpflichtungserklärung, die die Tageszeitung „Der Standard“ am Dienstag veröffentlichte. Demnach muss Schilling künftig eine Reihe an Äußerungen unterlassen. Darunter die, eine frühere sehr gute Freundin Schillings sei von deren Ehemann geschlagen worden und habe deshalb eine Fehlgeburt erlitten. Der Unterlassungs-Vergleich war auf Betreiben eben dieser ehemaligen Freundin und ihres Ehemanns zustande gekommen, so der Bericht.

Der eigentliche Skandal um die Kandidatin ist dabei aber weniger der Inhalt dieses Schreibens, als der Umstand, dass sich der Vorwurf laut den Recherchen offenbar in ein problematisches Verhaltensmuster Schillings einreiht.

Wie der „Standard“ berichtet, habe Schilling in der österreichischen Klimabewegung verbrannte Erde hinterlassen, wo auch immer sie tätig gewesen sei. Sie habe innerhalb der Bewegung Leute gegeneinander ausgespielt, Vertrauensverhältnisse ausgenutzt und Intrigen gesponnen.

Von ehemaligen Mitstreitern wird ihr ein sehr problematisches Verhältnis zur Wahrheit bescheinigt. Die Zeitung beruft sich darauf, mit vielen Personen aus Schillings Umfeld gesprochen zu haben, die allerdings anonym bleiben.

Über Jahre war Schilling so etwas wie das Gesicht der österreichischen Klimaschutz-Bewegung. Sie trat als Rednerin der Fridays for Future auf, war koordinierend für einen lang angelegten Protest gegen ein großes Autobahn-Projekt bei Wien aktiv, trat in TV-Sendungen auf. In Medien war von ihr als der „wohl politisch aktivsten jungen Frau Österreichs“ die Rede. Und schließlich schrieb sie sogar eine Kolumne in der reichweitenstarken Boulevardzeitung „Kronen“. Kurz: Sie ist ein Star in der Politik.

Der „Standard“ beschreibt nun eine Reihe an Fällen, in denen Schillings Verhalten mehr als fragwürdig erscheint. So soll sie einem Journalisten, mit dem sie regelmäßig in beruflichem Kontakt war, sexuelle Belästigungen vorgeworfen haben. Die Vorwürfe machten die Runde in der Medienbranche und mündeten letztlich in einer internen Untersuchung des Medienunternehmens, für das der Beschuldigte tätig ist.

Aber private Chat-Nachrichten, die dem „Standard“ vorliegen, deuten darauf hin, dass die Natur der Beziehung zwischen den beiden rein professionell war. In einem anderen Fall soll Schilling ihrerseits eine Affäre mit einem anderen Journalisten erfunden haben – und diesem zahlreiche weitere Affären angedichtet haben, was laut „Standard“ ebenfalls widerlegt ist.

„Lassen uns von anonymem Gemurkse nicht aufhalten“

Die Grünen reagierten auf die Vorwürfe am Mittwoch mit einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Die Partei ist offenkundig darum bemüht, die Vorwürfe als gezielt von politischen Gegnern gestreut abzutun. Parteichef Werner Kogler sprach von „Schmutzkübeln“, die befüllt worden seien: „Wir sind nicht hierhergekommen, um uns von einem anonymen Gemurkse und Gefurze aufhalten zu lassen.“

Schilling selbst sagte am Mittwoch, die Vorwürfe hätten sie sehr getroffen, weigerte sich aber zu den Einzelheiten Stellung zu beziehen. Nichts von dem ihr Vorgeworfenen habe mit Politik zu tun. „Hier wird mit höchstpersönlichen Dingen, mit Gerüchten und Behauptungen, anstelle von politischen Argumenten gegen mich kampagnisiert.“. Während bei anderen Kandidaten politische Konzepte diskutiert würden, werde bei ihr „anhand von Behauptungen und Gerüchten diskutiert, ob ich der richtige Mensch mit dem richtigen Charakter bin.“

Tatsächlich war Schillings junges Alter und ihre geringe politische Erfahrung mehrfach Thema politischer Angriffe der Mitbewerber. Dass sie laut Umfragen als 23-Jährige beste Chancen hat direkt ins EU-Parlament einzuziehen, dürfte ihr im politischen Betrieb nicht nur Freunde machen.

Die Parteispitze stellte sich geschlossen hinter Schilling. Die ausgegebene Losung: „Eine für alle, alle für Lena.“ Innerhalb der Partei ist der Unmut allerdings groß. Schilling war intern immer eine umstrittene Kandidatin. Nicht wenige Mitglieder zweifeln an ihrer Erfahrung und Expertise. Die Entscheidung, sie dennoch in eine so wichtige Wahl zu schicken, sorgte für Unverständnis.

Nun zieht vor allem die Tonalität, in der sich die Parteiführung hinter Schilling gestellt hat, Kritik auf sich. Als „befremdlich“ bezeichnete sie die Grünen-Politikerin Kati Schneeberger, die ebenfalls bei der EU-Wahl antritt, auf der sozialen Plattform X. Das „unmoralische“ Verhalten Schillings zu verteidigen, stehe für sie „im Gegensatz zu sauberer Politik“. Recherchen von Medien als „Gerüchte“ zu diskreditieren, schade dem Ansehen des Qualitätsjournalismus und spiele „jenen in die Hände, die unsere Demokratie angreifen und zerstören wollen.“

Eine Grünen-Politikerin, die nicht namentlich genannt werden will, sagte zu WELT: Man habe „sehr wohl gewusst“ auf was man sich da einlässt und dass Schilling zumindest schwierig im Umgang sei. Aber das sei einfach ignoriert worden. Stattdessen habe man auf ganz auf „jung, hübsch, Aktivistin“ gesetzt, die ganze Kampagne auf sie ausgerichtet und geschaut, „dass es halt nicht medial aufpoppt“. Die jetzt aufgetauchten Vorwürfe nennt die Politikerin jedenfalls „absolut glaubwürdig“. Da komme wohl auch noch mehr.

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