BESUCH BEI KONKURRENTEN UND BEI FREUNDEN: CHINAS STAATSCHEF XI JINPING IN EUROPA

Reise nach Frankreich, Ungarn, Serbien

Besuch bei Konkurrenten und bei Freunden: Chinas Staatschef Xi Jinping in Europa

Für seinen Staatsbesuch in Europa wählt Chinas Staatschef Xi Jinping die Ziele sorgfältig aus: Auf ein eher schwieriges Treffen in Frankreich folgen Visiten bei Freunden.

Chinas Staatschef Xi Jinping reist ab Sonntag durch Europa – „zum ersten Mal seit fünf Jahren“, wie das Außenamt in Peking mitteilte. Was so freilich nicht ganz stimmt, schließlich war Xi vor gut einem Jahr von Russlands Präsident Putin in Moskau empfangen worden. Xis Nähe zum Kreml dürfte vor allem bei seinem ersten Stopp, einem zweitägigen Treffen mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, Thema werden. Zumal auch die äußerst China-kritische EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen dazustoßen wird. Anschließend geht es für Xi weiter nach Serbien und Ungarn. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán geben sich stets ausgesprochen Peking-freundlich – und pflegen zugleich gute Beziehungen zu Russland, ebenso wie China selbst.

Xis Reise werde „der friedlichen Entwicklung in der Welt neuen Schwung verleihen“, proklamierte das Pekinger Außenministerium. Kritischere Beobachter sehen eher eine Teile- und Herrsche-Strategie gegenüber der EU am Werk. Zwar betont Peking stets, mit der EU kooperieren zu wollen, man wünsche sich eine „strategische Unabhängigkeit Europas“ – soll heißen, eine weniger enge Partnerschaft mit den USA. Doch China sieht die EU aufgrund ihrer Vielstimmigkeit nicht wirklich als bedeutenden Akteur und spricht lieber mit den einzelnen Mitgliedsstaaten. Diese haben allein weniger Verhandlungsmacht als Brüssel – und sind dazu noch oftmals uneins. Das ist gut für Peking.

Xi Jinping in Frankreich: E-Autos und Ukraine-Krieg auf der Tagesordnung

In Frankreich will Xi mit Macron die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 60 Jahren feiern. Frankreich war das erste große Land des Westens, das die Volksrepublik China anerkannte. Das war damals, im Jahr 1964, keine Selbstverständlichkeit. Deutschland etwa nahm erst acht Jahre später Beziehungen mit China auf, die USA sogar erst 1979. Dass Charles de Gaulle damals einen eigenen Weg gegangen sei, habe China nicht vergessen, glaubt der französische Journalist Claude Leblanc, Asien-Redakteur bei der Tageszeitung L’Opinion. „Und noch heute sehen die Chinesen Frankreich als ein Land, das seine eigenen Entscheidungen trifft, unabhängig von den USA“, sagt er im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.

Trotzdem wird der Frankreich-Besuch für Xi keine leichte Übung – vor allem dann nicht, wenn von der Leyen dabei ist. Ihr ist vor allem das wachsende Handelsdefizit der EU mit China ein Dorn im Auge. Von der Leyens Kommission untersucht etwa derzeit, ob China seine Elektroautos unzulässig subventioniert, und drohte bereits mit Strafzöllen. Die Zahl der Einfuhren chinesischer E-Autos steigt, und mancher in Europa fürchtet eine Importflut. Anders als die deutsche Bundesregierung steht Emmanuel Macron hinter dem EU-Vorstoß. „Ich glaube aber nicht, dass Xi bei dem Thema Zugeständnisse machen wird“, sagt Leblanc.

Chinas Staatschef Xi in Serbien und Ungarn: Besuch bei Freunden

Das dürfte beim Ukraine-Krieg kaum anders sein. Der blutige Konflikt mitten in Europa habe für Macron oberste Priorität beim Treffen mit Xi, hieß es im Vorfeld aus dem Élysée-Palast. Doch Xi dürfte kaum auf Wunsch Europas von Russland abrücken. So reagierte Xi 2023 bei Macrons Besuch nicht auf dessen Wunsch, „Russland zur Vernunft zu bringen“. Und erst im April holte sich Bundeskanzler Olaf Scholz eine Abfuhr bei dem Thema.

Trotzdem zeigte sich Macron in einem am Donnerstag publizierten Interview mit dem britischen Magazin Economist überzeugt, dass ein destabilisierendes Russland ebenso wenig in Pekings Interesse sei wie ein Flächenbrand im Mittleren Osten. Es muss daher mit China gearbeitet werden, um Frieden zu schaffen“, so Macron.

Xi in Osteuropa: Besuch bei Freunden

Die Besuche bei den osteuropäischen Freunden dürften für Xi harmonisch ablaufen. Chinas Beziehungen zu Ungarn und Serbien sind eng. Beide, das EU-Mitglied Ungarn und der EU-Kandidat Serbien, sind ein Pfand Pekings im Umgang mit Brüssel – und nützlich für die eigene Positionierung in der Welt. Peking biete den Entwicklungsländern das Modell einer nicht-westlichen Modernisierung an, da brauche es Freunde, die diese Vision unterstützen, sagt Una Aleksandra Bērziņa-Čerenkova, Direktorin des China Studies Centre an der Stradins-Universität im lettischen Riga.

„Daher werden Unterstützungsbekundungen, fotogene Kooperationsprojekte sowie Berichte einer privaten Freundschaft mit Viktor Orbán und Aleksandar Vučić allesamt Zeichen eines erfolgreichen Besuchs sein“, so Bērziņa-Čerenkova zu IPPEN.MEDIA. „Diese können innerhalb und außerhalb Chinas weiter vermarktet werden.“

Serbien und Ungarn unterstützen Chinas Seidenstraßen-Projekt

Serbien und Ungarn verimpften während der Corona-Pandemie im großen Stil die chinesischen Vakzine – ein Erfolg der damaligen chinesischen Impfdiplomatie. Belgrad und Budapest begründeten das damals mit schleppenden Lieferungen aus der EU. Beide Länder sind zudem Mitglieder des Infrastrukturprogramms Neue Seidenstraße und offen für chinesische Projekte. Am Mittwoch erst nahm Serbiens Präsident Vučić am Spatenstich des neuen Fußball-Nationalstadions in Belgrad teil, das von einem chinesischen Staatskonzern gebaut wird. China errichtete bereits Straßen und Bahnlinien im Land. In Ungarn zieht Chinas Batteriegigant CATL derzeit eine Fabrik für Elektroautobatterien hoch; auch E-Auto-Marktführer BYD wird dort eine Produktion aufbauen.

Auch in sicherheitspolitischen Fragen kooperieren die beiden Staaten mit China. Serbien soll 2022 Mittelstreckenraketen aus der Volksrepublik bezogen haben, auch wenn eine offizielle Bestätigung damals ausblieb. Im Kosovo-Konflikt vor einem Jahr stützte Peking die serbische Seite. In Ungarn wiederum unterschrieb Chinas Minister für öffentliche Sicherheit im Februar nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua Abkommen zu Sicherheitskooperation und Rechtsdurchsetzung.

Xis Besuch in Serbien wird – wohl nicht zufällig – mit dem 25. Jahrestag der Bombardierung der chinesischen Botschaft in der Hauptstadt Belgrad durch die Nato am 7. Mai 1999 zusammenfallen. Damals kamen drei chinesische Journalisten ums Leben. Das Timing des Besuchs wird ein Ereignis ins Rampenlicht rücken, das in China damals viele zum Protest gegen die USA auf die Straße trieb – und maßgeblich dazu beigetragen hat, Pekings bis heute bestehendes Misstrauen gegenüber der Nato zu schüren. Obwohl Allianz damals beteuerte, der Angriff sei ein Versehen gewesen, witterte Peking Absicht. Die Allianz dürfte daher den Termin in Belgrad genau beobachten.

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