FLUTEN IN OSTAFRIKA TREFFEN DIE ÄRMSTEN – DIE TOURISTEN WERDEN MIT HELIKOPTERN AUSGEFLOGEN

(dpa) Es regnet, wo es sonst oft viel zu trocken ist. Kenya hat mit schweren Überschwemmungen zu kämpfen. Landesweit kamen bisher fast 200 Menschen bei den Unwettern ums Leben, Zehntausende Familien sind obdachlos. Das Wetter hatte zudem Auswirkungen auf die Reisepläne deutscher Touristen. Doch für viele Einheimische könnte es noch schlimmer kommen: Das Innenministerium des ostafrikanischen Landes hat nun alle Menschen aufgerufen, innerhalb von 24 Stunden die Regionen der insgesamt 178 vollgelaufenen Staudämmen und Wasserreservoirs zu verlassen.

Wer nicht freiwillig gehe, werde zwangsevakuiert, hiess es. Die Behörden des ostafrikanischen Landes wollen eine weitere Tragödie wie vor wenigen Tagen nach einem Dammbruch im Rift Valley mit 50 Toten vermeiden. Auch in den Nachbarstaaten toben schwere Unwetter. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Flucht aus dem Safari-Paradies

Seit dem Wochenende bekommen auch Touristen in den Safari-Regionen Kenyas die Auswirkungen der anhaltenden Regenfälle und Gewitterstürme zu spüren. Unter ihnen war die Deutsche Heike Schönfeld und ihr Mann, deren Unterkunft in der Maasai Mara plötzlich unter Wasser stand. Am Donnerstag konnten sie einen Flug nach Nairobi buchen. «Hauptsache weg. Auf der Strasse wäre es die nächsten Tage unmöglich», sagte Schönfeld der Deutschen Presseagentur.

An diesem Freitag geht es weiter an die Küste – vorher war in Nairobi noch Notfall-Shopping angesagt. Denn während die Reisenden Geld und Pässe bei sich hatten, war das Feriengepäck weg. Und all das, was in einem aus der Flut geborgenen Koffer lag, war verschlammt.

Der Talek-Fluss sei schon bei der Ankunft am Samstag ein reissender Fluss gewesen, so Schönfeld. «Aber es war wohl nicht absehbar, dass es sich innerhalb kürzester Zeit so schlimm entwickelt.» Mitarbeiter des Camps und nahe gelegener Unterkünfte hätten regelmässig den Wasserstand kontrolliert, im Dunkeln leuchteten Taschenlampen am Fluss.

In der Nacht zu Sonntag musste es schnell gehen, Angestellte hätten sie durch knöchelhoch stehendes Wasser an einen höher gelegenen Punkt gebracht. Nur die Handgepäck-Rucksäcke konnten die beiden Deutschen in der Eile mitnehmen.

Viele der Touristen-Camps liegen direkt am Fluss. Das hat sich angesichts der schweren Regenfälle als fatal erwiesen. Immerhin: In den 14 Camps, die es in der Maasai Mara gibt, gab es keine Todesopfer zu beklagen. Der Tourismus spielt eine wichtige Rolle für die Wirtschaft Kenyas. Die örtlichen Behörden stellten deswegen schnell zwei Helikopter bereit, um Touristen und Camp-Mitarbeiter in Sicherheit zu bringen.

Am härtesten trifft es die Ärmsten

In anderen Landesteilen liefen die Menschen an Flüssen und Staudämmen um ihr Leben. Allein bei einem Dammbruch um Rift Valley starben 50 Menschen, in den städtischen Slums von Nairobi kamen zahlreiche Menschen ums Leben. Die Folgen der Unwetter trafen in besonderem Masse die Ärmsten in den Slums. Viele Gebäude dort sind ohne Plan gebaut, es gibt keine vernünftige Infrastruktur, viele Menschen leben auf sehr engem Raum.

Nicht nur dort wird Stadtplanung zu oft von Korruption beeinträchtigt, kritisierte der Hydrologe Sean Avery in einem am Donnerstag veröffentlichten Kommentar. Schneller Profit werde über Sicherheitsbedenken gestellt, Abflussgräben für Starkregen würden nicht instand gehalten oder von Müll verstopft.

Dutzende Strassen sind unterbrochen, auch Bahnlinien sind beeinträchtigt. Laut Medienberichten haben zahlreiche Firmen ihre Mitarbeiter aufgefordert, möglichst von zu Hause aus zu arbeiten oder sie lassen sie früher in den Feierabend gehen, damit sie nicht in die Starkregenfälle geraten, die häufig am späten Nachmittag und frühen Abend einsetzen. Denn wenn Strassen urplötzlich unter Wasser stehen, können auch Busse und Matatus, die von vielen Pendlern benutzten Minibusse, von den Fluten mitgerissen werden. Gerade für viele Kleinverdiener ist das Leben teurer geworden: Denn bei schlechtem Wetter erhöhen die Betreiber der Matatus die Preise.

El Niño und seine Folgen

Starker Regen während der im März beginnenden «langen Regenzeit» ist in Ostafrika nicht ungewöhnlich. In diesem Jahr wird der Regen jedoch von dem Wetterphänomen El Niño verstärkt, das bereits seit dem vergangenen Oktober immer wieder untypische Regenfälle brachte und Zerstörungen anrichtete. Der Klimawandel, so vermuten Experten, hat auch das regelmässig wiederkehrende Wetterphänomen verschärft.

Schon vor mehr als einem Jahr hatten Meteorologen auch in Ostafrika vor den Folgen von El Niño gewarnt und zu Vorbereitungen aufgerufen. Zwischen Oktober und Februar kamen laut Angaben der Internationalen Föderation des Roten Kreuzes allein in Kenya fast 1800 Menschen infolge von Überflutungen, Erdrutschen und andere Auswirkungen ums Leben. Zum Vergleich: In den vergangenen beiden Wochen gab es laut einem Sprecher der Regierung etwa 200 Hochwassertote in Kenya. In ganz Ostafrika sind es schon bald 400, wenn man offizielle Angaben addiert.

NGO kritisiert fehlende Prävention

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisierte am Mittwoch mangelnde Vorsorge der Regierung Kenias auf das absehbare Desaster. Ostafrika und das Horn von Afrika gehören zu den Regionen, die stark von den Auswirkungen betroffen sind, mehrere Jahre hintereinander litt die Region unter schwerer Dürre. Trotz aller Warnungen der Experten und der Erfahrungen mit den Fluten im Jahr 2023 seien die Vorbereitungen auf die neuen angekündigten Fluten unzureichend und zu langsam gewesen, so HRW. Erst am 24. April – einen Monat nach Einsetzen der Regenzeit – habe die Regierung Kenyas einen Krisenstab ins Leben gerufen. Oppositionspolitiker und Kirchenführer hatten zu diesem Zeitpunkt bereits vergeblich gefordert, den Katastrophenfall auszurufen.

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