SICHERHEIT IN DEN BERLINER BäDERN: MUSS JETZT DER STACHELDRAHT HER?

Das große Baden beginnt: Im Sommerbad Wilmersdorf stehen die Gäste um 10 Uhr Schlange. Das Bad ist seit vergangenem Sonnabend geöffnet. An diesem Montag stellten die Innensenatorin Iris Spranger und der Vorstandsvorsitzende der Berliner Bäderbetriebe Johannes Kleinsorg das neue Sicherheitskonzept für die Sommersaison vor. Neben der bestehenden Ausweispflicht und Videoüberwachung sollen unter anderem eine Hilferuf-App und höhere Zäune in ausgewählten Bädern für mehr Sicherheit sorgen. 

Die finanziellen Mittel stehen bereit: 2023 wurden 2,5 Millionen Euro im Bereich Sicherheit investiert. Der gleiche Betrag soll in diesem Jahr für Wachleute und das Sicherheitspersonal insbesondere an den heißen und vollen Sommertagen ausgegeben werden, wie Bäder-Chef Johannes Kleinsorg und Innensenatorin Iris Spranger ankündigten.

Die Wachleute hätten ein Deeskalationstraining durchlaufen und seien intensiv geschult worden, sagt Kleinsorg. Außerdem betont er eine intensive Zusammenarbeit mit der Polizei, es gibt regelmäßige Besprechungen und einen „heißen Draht“ zwischen den Behörden.

Im Neuköllner Columbiabad, im Sommerbad Pankow und am Insulaner in Schöneberg kam es in der Vergangenheit zu Massenschlägereien und Krawallen. Das Columbiabad musste 2023 kurzzeitig geschlossen und geräumt werden, nachdem Jugendliche auf Angestellte und Sicherheitspersonal losgegangen waren.

Im Sommerbad Pankow und im Sommerbad Neukölln wird eine Hilferuf-App mit Notruf-Funktion getestet. Bei drohender Gefahr können Nutzer die Helfer aus dem unmittelbaren Umfeld per Knopfdruck mit dem Handy alarmieren.

Da in den vergangenen Jahren vermehrt über Zäune geklettert wurde, sollen diese in einigen Bädern höher werden. Bei manchen Bädern, wo es notwendig sei, werde auch Stacheldraht eingesetzt, sagt Kleinsorg.

Alle Eintrittskarten können künftig im Onlineshop gekauft werden. Die Badegäste haben durch die digitale Buchung einen Vorteil: Sie bekommen die personalisierten Karten zehn Prozent günstiger, sagt der Bäder-Chef. „Es kann mit den gängigen Methoden gezahlt werden: Debit- und Kreditkarte, PayPal oder Ähnliches.“ 

In fünf digitalen Pilotbädern, darunter die Sommerbäder Humboldthain und Neukölln, setzen die Bäderbetriebe nahezu vollständig auf Online-Tickets. Von Juni bis August soll es nach 10 Uhr in diesen Bädern keine Kassen, sondern nur Einlass mit Online-Ticket geben. Die Kunden können direkt zum Drehkreuz gehen. Das Ziel: Die langen Warteschlangen am Eingang sollen vermieden werden. Mithilfe einer Ampel auf der Website der Bäderbetriebe können die Besucher zudem die Auslastung in Echtzeit erkennen.

Wenn die Besucherobergrenze erreicht ist, wird der Einlass auch mit bereits erworbenem Ticket verwehrt. Die Tickets verfallen jedoch nicht sofort: Sie bleiben sieben Tage lang gültig.

„Viele Berliner fahren nicht in den Urlaub. Die Berliner Bäder sind ein Ort, an dem Berliner sowie Gäste der Stadt ihre Freizeit verbringen, Erholung suchen und sich gesund bewegen können“, sagt die Innensenatorin. Wie finden die Besucher die neuen Maßnahmen?

Eine vierköpfige Gruppe führt vor dem Eingang eine hitzige Diskussion, es geht um die Ausweispflicht. Die Frauen wollen anonym bleiben, eine stellt sich als „Renate“ vor. Sie und ihre Schwimmfreundinnen sind über 80, sie besuchen schon seit 40 Jahren das Sommerbad Wilmersdorf. Sie gehen im Sommer jeden Morgen in das Bad. 

Die neuen Regeln sehen sie kritisch: „Kontrolle muss sein, aber das ist mir persönlich zu viel“, sagt eine der Frauen. Sie nimmt ihren Ausweis oft gar nicht mit ins Bad. Man erkenne sie am Eingang. „Wir sehen auch nicht nach Messern aus. Aber wir sind auch nicht die Zielgruppe“, sagt Renate. Die umstrittene Ausweispflicht in Berliner Freibädern wurde im vergangenen Jahr wegen Tumulten eingeführt. Laut Kleinsorg sollen die Berliner Bäder mithilfe der Ausweispflicht in der Lage sein, ein dokumentiertes Hausverbot auszusprechen. In der vergangenen Saison wurden 150 Hausverbote verhängt.

Wer ist denn die Zielgruppe? „Jeder muss einen Ausweis dabeihaben. Auch ein Online-Ticket gilt nur in Kombination mit einem Lichtbildausweis.“ Der Vorstandsvorsitzende sagt weiter, dass die Ausweispflicht für alle Gäste ab 14 Jahre gelte. 

Ein anderer Besucher, der seinen Namen aus Sicherheitsgründen geheim halten möchte, ruft aus der Warteschlange: „Ich schwimme auch schon seit den 70ern in diesem Bad!“ Als ehemaliger Richter sei er damals mit Polizeipräsenz geschwommen. Das hatte nichts mit Krawallen zu tun, sagt er, „sondern mit der RAF“. Die neuen Maßnahmen stören ihn nicht. „Ich fände nur schön, wenn das Bad früher öffnet.“

Das Bad öffnet um 10 Uhr. Das liege daran, dass noch Rettungsschwimmer gesucht werden, sagt Claudia Blankennagel von den Berliner Bäderbetrieben. Bis dahin muss im Einschichtbetrieb gearbeitet werden. „Wenn wir genügend Leute haben, kann das Bad um 7 Uhr öffnen.“

Ein sogenanntes Vorschwimmen für eine saisonale Anstellung als Rettungsschwimmer ist an fünf Terminen im Mai und Juni möglich. Interessierte müssen volljährig sein, gutes Deutsch sprechen und ein schwimmerisches Talent besitzen. Die Verträge sind bis zum Ende der Sommersaison im September befristet. 

2024-05-06T13:01:42Z dg43tfdfdgfd