TRAINERSUCHE: MUSS DER FCB ZU KREUZE KRIECHEN?

Von Justin Kraft

Die Trainersuche des FC Bayern München gerät immer mehr zur Farce. Mit Xabi Alonso hat sich die ausgemachte A-Lösung früh gegen den FCB entschieden. Julian Nagelsmann folgte ihm als B-Lösung und verlängerte beim DFB. Nun hat auch Ralf Rangnick, also die C-Lösung, dem Rekordmeister abgesagt.

Ende April, so hatten es sich Max Eberl und Christoph Freund vorgenommen, sollte der Trainer feststehen. Man gab sich zuletzt sehr optimistisch. Und jetzt?

Der Trainermarkt war von Beginn an kompliziert, doch spätestens nach der dritten Absage ist er nochmal komplizierter. Eine Kompromisslösung scheint unausweichlich.

Eigentlich ist es so, dass die Bayern mittlerweile eigene Grundüberzeugungen über Bord werfen müssen, wenn sie möglichst bald einen Trainer finden wollen, der Lust auf sie hat.

Drei grundsätzliche Wege sind den Münchnern geblieben.

VfB Stuttgart vs. FC Bayern am Samstag um 15:00 Uhr live in SAT.1.

Trainersuche des FC Bayern München: FC International statt FC Deutschland

Der erste Weg für den FC Bayern ist es, die zuvor sehr eng gehaltene Shortlist an Trainern auszuweiten. Von Beginn an hatten Übungsleiter wie Roberto De Zerbi, Zinedine Zidane oder auch Jose Mourinho schlechte Karten auf den Job beim FCB. Für jeden dieser Kandidaten gibt es sicher auch sportliche Gründe, warum Vorbehalte berechtigt sind.

Und doch zeigt allein die Wahl auf Ralf Rangnick als C-Lösung, wie verzweifelt die Bayern aktuell sind. Ein Trainer, der unter normalen Umständen niemals eine Rolle in München gespielt hätte, wurde nun als absolute Top-Lösung präsentiert. Das ist ein bisschen so, als würde man in einem Onlineshop nach einem neuen Fahrrad suchen, die Filter aber so einstellen, dass einem nur drei angezeigt werden.

Das kann funktionieren und es kann dazu führen, dass man glücklicherweise die beste Option bestellt. Die Wahrscheinlichkeit, dass man mit dieser Methode aber sehr viel Gutes verpasst, ist groß. Beim FC Bayern gibt es zahlreiche Filter über deren Bedeutung man diskutieren kann: Sprache und Erfahrung sind zwei davon.

Natürlich ist es wichtig, dass ein Trainer mit der Zeit in der Lage ist, innerhalb des Klubs mit der Landessprache zu arbeiten. Aber der FC Bayern ist derart internationalisiert, dass es kein größeres Problem darstellen sollte, wenn jemand erst noch Deutsch lernen muss. Verständigung funktioniert auf vielen Wegen.

Auch Erfahrung ist ein Faktor, den der FC Bayern insbesondere nach der Erfahrung mit Nagelsmann berücksichtigen möchte. Doch wenn man fachlich von einem Trainer überzeugt ist, warum dann nicht ins Risiko gehen? Schließlich wäre es doch auch ein Risiko, wenn ein erfahrener Trainer wie Rangnick einen stark veränderten Spielstil etablieren würde.

Spätestens nach der dritten Absage müssen die Münchner ihre Suchfilter lockern. Ein Blick über den Weißwurstäquator hinaus wäre angebracht - neben den genannten Kandidaten. FC International statt FC Deutschland.

Trainersuche des FC Bayern München: Graugänse statt Flug in die Zukunft

Wenn die Bayern viele Absagen erhalten, neigen sie allerdings zu einem bekannten Muster: Wer aus der eigenen Familie kann übernehmen? Als Hermann Gerland einst eine wichtige Position innerhalb des Klubs zugewiesen bekam, soll die Diskussion über die Besetzung dieser recht simpel verlaufen sein. Früh fiel die Frage: "Hermann, warum machst du das eigentlich nicht?"

Das beschreibt einerseits das mittelständische Flair, das den FC Bayern umgibt und auch zu einer besonderen Atmosphäre innerhalb des Klubs führt. Es trifft aber auch den Kern vieler Probleme: Stallgeruch statt Perspektivenvielfalt. Und vielleicht bald auch Graugänse statt Flug in die Zukunft.

Eigentlich sind Eberl und Freund angetreten, um den FCB weiterzuentwickeln, um ihn zukunftsfähig zu machen. Es würde aber kaum überraschen, wenn Hansi Flick jetzt als ernsthafte Option auftaucht. Während seiner Zeit in München sammelte er mit einer einzigartigen Titelflut viele Argumente.

Nur war die Zeit ebenso einzigartig wie der Erfolg. Flick profitierte mit seinem Powerfußball unter anderem von den unterschiedlichen Fitnesszuständen der europäischen Top-Klubs während des ersten Corona-Sommers. Dass sein Stil aber kaum nachhaltig war, zeigte sich in der Saison darauf. Viele Gegentore, deutlich mehr Krisenmomente und fehlende Balance aus Offensivpower und Stabilität. Erst stagnierten die Bayern, dann wurden sie schleichend schwächer.

Es ist durchaus fraglich, ob Flick in der Lage wäre, den Erfolg zumindest kurzfristig zu wiederholen. Alles hat seine Zeit und die des ehemaligen Bundestrainers scheint vorbei zu sein. Es scheint, als gäbe es derzeit also auch keine attraktive Stallgeruchlösung. Mit Sebastian Hoeneß hat jüngst ein weiterer Kandidat bekräftigt, dass er in Stuttgart bleiben möchte.

Trainersuche des FC Bayern München: Tuchel 2.0 statt Tuchel

Und so müssen Eberl und Freund vielleicht doch zum Tegernsee fahren, Uli Hoeneß in ein Boot setzen und anfangen, kräftig rückwärts zu rudern. Für die Entlassung von Thomas Tuchel gab es gute Gründe. Beide Seiten schienen nie so richtig warm miteinander zu werden. Es wäre unsinnig, die Zusammenarbeit wegen des Erfolgs in der Champions League zu glorifizieren.

Trotzdem gibt es auch gute Argumente dafür, dass die Bayern mit der Entlassung mal wieder zu schnell geschossen haben. In der Bundesliga kann der FCB noch bei 78 Punkten landen. Gerade weil es sportlich um nicht mehr viel geht und Tuchel rotieren wird, könnte es sein, dass das Maximum nicht erreicht wird. Doch rein theoretisch ist man damit in derselben Position wie in den Spielzeiten davor. Im Vorjahr waren es sogar nur 71 Punkte, davor 77 und 78.

Tuchels FCB spielt keine besonders gute, aber auch keine besonders schlechte Saison. Geprägt wird der negative Eindruck vor allem durch ein außergewöhnlich starkes Leverkusen. Man könnte eher die Frage stellen, warum so viele verschiedene Trainer gescheitert sind. Das liegt nämlich unter anderem an Kaderzusammenstellung und einem Hin und Her in der Führungsetage.

Mit Eberl und Freund scheint Tuchel gut auszukommen. Jüngst sagte Matthias Sammer bei "Prime Video", dass er das Gefühl habe, dass Eberl für Tuchel zu spät kam. Der Sportvorstand antwortete nicht darauf, grinste aber vielsagend.

Schaut man auf die verbliebenen Alternativen, wäre der aktuelle Trainer aber die bestmögliche Option. Er vereint auf dem Papier alles, was man in München aktuell sucht. Weder hat der 50-Jährige die Kabine verloren, noch scheint er sich mit operativ tätigem Personal überworfen zu haben.

Gerade weil Eberl und Freund immer noch recht frisch beim FCB sind, wäre ab Sommer ein Neustart mit Tuchel durchaus denkbar. Beide Seiten haben voneinander gelernt, was möglich ist und was nicht, was erfolgreich sein kann und was nicht. Beide sind in der Lage, über Fehler zu reflektieren.

Zumal die Bayern ihren Blick ganz bewusst auf das Champions-League-Finale 2025 richten, das in der Allianz Arena stattfindet. Eine Übergangslösung ist deshalb wohl ausgeschlossen. Tuchel performt in der Champions League so gut wie lange kein Bayern-Trainer mehr im normalen Spielbetrieb.

Ein gewaltiges Problem gäbe es aber: Für Tuchel 2.0 bräuchte es wohl jemanden, der Hoeneß nach dem Zurückrudern auf dem Tegernsee genau dort lässt. Die Brücken, die er und der FC Bayern zu Tuchel eingerissen haben, sind nur schwer wieder aufzubauen. Vielleicht hätte der Trainer deshalb auch selbst gar keine Lust auf eine Weiterbeschäftigung. Zumal ihm international fast alle Türen offenstehen.

Auch das prägt den Eindruck, dass die Trainersuche zur Farce verkommen ist: Die womöglich beste Variante sitzt nicht nur auf der Bank des FC Bayern, sie ist womöglich auch gar nicht zu haben.

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