KOMMENTAR: KOAN JULIAN! JETZT HAT DER FC BAYERN EIN PROBLEM

Von Chris Lugert

Diese Entscheidung ist mehr als bloß ein Bekenntnis. Es ist ein Erdbeben, ein Knall, ein Schock, der sich durch ganz Fußball-Deutschland ausbreitet. Und sie hinterlässt einen strahlenden Sieger - und einen düpierten Verlierer.

Julian Nagelsmann bleibt bis 2026 Bundestrainer und bekennt sich damit nicht nur zum Projekt Nationalmannschaft, sondern zeigt seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem FC Bayern München, eine lange Nase.

Zumindest dürfte die Entscheidung des 36-Jährigen in den Büros an der Säbener Straße exakt so aufgefasst werden. Sportvorstand Max Eberl hatte sich laut ran-Informationen mehr oder weniger im Alleingang auf Nagelsmann als Wunschlösung festgelegt, auch gegen kritische Stimmen im Klub.

Nach nicht einmal zwei Monaten im Amt muss Eberl seine erste schwere Niederlage als Sportvorstand hinnehmen. Es dürfte auch seine Position schwächen, hat er es doch nicht geschafft, Nagelsmann von einem weiteren Engagement in München zu überzeugen. Seine erste Patrone ist geplatzt, ehe sie abgefeuert werden konnte. Es ist eine schallende Ohrfeige für Eberl.

Nagelsmann sprach von einer "Entscheidung des Herzens", die er getroffen habe. Am FC Bayern hängt sein Herz nach der teils schmutzigen Trennung im vergangenen Jahr offenbar nicht mehr, zumindest nicht mehr genug. Und schon gar nicht zu diesem Zeitpunkt.

Prestigesieg für den DFB

Die DFB-Bosse um Präsident Bernd Neuendorf, Sportdirektor Rudi Völler und Geschäftsführer Andreas Rettig hingegen dürfen einen triumphalen Sieg feiern. Sie haben nicht nur den FC Bayern ausgestochen, sondern die wichtigste Position im deutschen Fußball zumindest für die nächsten zwei Jahre mit dem absoluten Wunschkandidaten besetzt.

Die Euphorie vor der Heim-EM im Sommer, die durch die beiden überzeugenden Testspiele in Frankreich und gegen die Niederlande im März bereits angeheizt wurde, dürfte noch einen zusätzlichen Schub bekommen.

Nagelsmann sendet allerdings noch eine weitere Botschaft, und die könnte den FC Bayern kaum heftiger ins Mark treffen. Der Posten des Bundestrainers, das stellt er mit seiner Entscheidung klar, ist inzwischen attraktiver als der Trainerstuhl des FC Bayern. Es ist ein schwerer, aber hausgemachter Schlag für das bajuwarische Selbstverständnis.

Neuer Bayern-Trainer: Liste wird kleiner

Aber wer soll jetzt neuer Bayern-Trainer werden? Nach Jahren der fehlenden Kontinuität soll eigentlich etwas Langfristiges aufgebaut werden. Doch plötzlich scheint die Antwort unklarer denn je.

Wenngleich Eberl ein klares Bekenntnis zu Nagelsmann öffentlich geschickt vermied und sich offiziell alle Türen offenließ, so ist ab sofort jeder Trainerkandidat nur noch eine B-Lösung. Und welcher gestandene Trainer hat Lust, mit solch einem Stempel zu arbeiten?

Zumal es an logischen Optionen mehr denn je mangelt. Nagelsmann hätte Zweifel mitgebracht, aber das Anforderungsprofil wohl so gut wie niemand anderes erfüllt: deutschsprachig, international und auf Topniveau erfahren, als Trainer und/oder Spieler erfolgreich gewesen.

Plötzlich scheint vieles und nichts denkbar. Zinedine Zidane? Wäre ein Statement und der größte Name auf dem Markt, spricht aber kein Deutsch und wohl nur schwaches Englisch. Ähnliches gilt für Antonio Conte, der zudem ein aufbrausender Charakter ist.

Ralf Rangnick wiederum bringt fachlich alles mit, ist aber dafür bekannt, so viel Macht wie nur möglich auf sich vereinen zu wollen. In einem Klub wie dem FC Bayern, der traditionell eine starke Führungsetage besitzt und den Trainer eher als Angestellten statt wirklich als gleichwertigen Entscheider betrachtet, wären Konflikte vorprogrammiert.

Auch soll er nicht davon angetan sein, eine B-Lösung zu sein.

Eberl unter Druck - Tuchel als lachender Dritter?

Für Max Eberl stehen harte und schwierige Gespräche an. In Zusammenarbeit mit Christoph Freund muss er wieder die Liste aus der Schublade holen, die er eigentlich schon als erledigt betrachtet hatte. Der Druck ist von einem auf den anderen Moment exponentiell gestiegen. Die präsentierte Lösung und ihr Erfolg könnte früher als gedacht auch über Eberls Zukunft entscheiden.

Auch wenn er es niemals zugeben würde, so dürfte der aktuelle Bayern-Trainer Thomas Tuchel, der für nach der Saison bereits den Laufpass bekommen hat, das ganze Schauspiel mit einer gehörigen Portion Genugtuung verfolgen. Vielleicht zieht er sogar noch eine Extramotivation daraus, jetzt erst recht den Champions-League-Titel zu holen.

Denn dann stünden die Bosse erst recht dumm da. Und befänden sich in einer Situation, in der die optimale Lösung für die Trainersuche jene ist, die schon da ist. Eine Lösung, die man - vielleicht doch zu vorschnell - vor die Tür gesetzt hat. Und zu der man tatsächlich doch noch einmal angekrochen kommen muss?

Es wäre der Gipfel der Demütigung, die Nagelsmann begonnen hat.

2024-04-19T10:48:21Z dg43tfdfdgfd