DIE NEUSTEN ENTWICKLUNGEN - EUROVISION SONG CONTEST 2024: NEMO LANDET IN DER SCHWEIZ UND SAGT: «ICH LEG MICH IN DEN GARTEN»

Die neusten Entwicklungen

    Nemos Sieg in Malmö hat der Debatte um die Anerkennung eines dritten Geschlechts durch die Schweizer Gesetzgebung neuen Aufwind gegeben. Bundesrat Beat Jans sagte am Sonntag, er werde Nemo zum Kaffee treffen. Zum Bericht/Zum Kommentar

    Da Nemo gewonnen hat, wird der Eurovision Song Contest nächstes Jahr in der Schweiz stattfinden. Als mögliche Austragungsorte haben sich schon Genf und Basel gemeldet. Das Kongresszentrum Palexpo in Genf mit Platz für 15 000 Zuschauer hat nach eigenen Angaben bereits eine Bewerbungsmappe eingereicht. Als Austragungsorte werden ausserdem Zürich und St. Gallen genannt. Nemo wünscht sich Biel, Nemos Heimatstadt, als Austragungsort. Die Stadt prüft eine Zusammenarbeit mit Bern. Zum Bericht

    Nemo hat für die Schweiz den Eurovision Song Contest gewonnen. Bei der ersten Medienkonferenz in der Schweiz in der Nacht auf Sonntag zeigte sich Nemo überwältigt. «Es ist noch nicht ist alles 100 Prozent bei mir angekommen. Die letzten zwei, drei Wochen waren die intensivsten und ereignisreichsten in meinem Leben», sagte Nemo kurz vor Mitternacht (12. 5.) auf einer Pressekonferenz. Zum Bericht

    Das Ergebnis des 68. Eurovision Song Contest in Punkten:

    1. Schweiz: 591 Punkte – Nemo («The Code»), 2. Kroatien: 547 Punkte – Baby Lasagna («Rim Tim Tagi Dim»), 3. Ukraine: 453 Punkte –Alyona Alyona & Jerry Heil («Teresa & Maria», 4. Frankreich: 445 Punkte – Slimane («Mon Amour»), 5. Israel: 375 Punkte – Eden Golan («Hurricane»), 6. Irland: 278 Punkte – Bambie Thug («Doomsday Blue»), 7. Italien: 268 Punkte – Angelina Mango («La noia»), 8. Armenien: 183 Punkte – Ladaniva («Jako»), 9. Schweden: 174 Punkte – Marcus & Martinus («Unforgettable»), 10. Portugal: 152 Punkte – Iolanda («Grito»). Auf den Plätzen 11 bis 25 folgen Griechenland, Deutschland, Luxemburg, Litauen, Zypern, Lettland, Serbien, Grossbritannien, Finnland, Estland, Georgien, Spanien, Slowenien, Österreich, und Schlusslicht Norwegen.

Wer ist Nemo?

Nemo kommt gebürtig aus Biel, lebt aber seit mehreren Jahren in Berlin. Anders als viele frühere Schweizer ESC-Teilnehmer ist Nemo in der Musikszene so etwas wie ein alter Hase, und das mit 24 Jahren. 2016 machte Nemo, damals ein drahtiger Jugendlicher mit Zahnspange im Stimmbruch, mit seinem Auftritt am Live-Rap-Event «Bounce Cypher» auf sich aufmerksam. In den Jahren darauf gewann Nemo etliche Preise, unter anderem einen Prix Walo, einen Energy Music Award und mehrere Swiss Music Awards. Auf dem Höhepunkt der ersten Erfolgswelle nahm sich Nemo eine mehrjährige Auszeit.

Nach der Rückkehr outete sich Nemo 2023 öffentlich als nonbinär. Nemo identifiziert sich also weder als weiblich noch als männlich. Nemos ESC-Song «The Code», in dem von Pop über Falsett bis Rap alles zu hören ist, thematisiert die persönliche Entdeckungsreise Nemos bis zum Comingout.

Zum Porträt von Nemo

Wer hat am ESC 2024 teilgenommen?

37 Länder, von Armenien bis Zypern, haben dieses Jahr um den Titel gekämpft. Doch nur 25 von ihnen durften im Final antreten. In den beiden Halbfinals qualifizierten sich je 10 Länder für den Final.

Das sind die Länder, die am Final vom Samstag teilgenommen haben: Kroatien, Irland, Serbien, Portugal, Slowenien, die Ukraine, Litauen, Finnland, Zypern, Luxemburg, Niederlande, Lettland, Österreich, Norwegen, Israel, Griechenland, Estland, Georgien, Armenien und die Schweiz. Die Niederlande wurde nachträglich disqualifiziert wegen eines mutmasslichen Übergriffs des niederländischen Künstlers.

Deutschland, Italien, Spanien, Grossbritannien und Frankreich gehören fix zu den Finalisten. Als grösste Geldgeber des Wettbewerbs, die sogenannten Big Five, sind sie jedes Jahr automatisch im Final dabei. Schweden, Gewinner der letztjährigen Ausgabe, musste sich ebenfalls nicht im Halbfinal beweisen.

Wer ist zum ESC zugelassen – und wer nicht?

Grundsätzlich dürfen nur Länder teilnehmen, die von der Uno als eigenständiger Staat anerkannt und Mitglied der Europäischen Rundfunkunion (EBU) sind. Beim EBU handelt sich um einen Zusammenschluss von derzeit 72 Rundfunkanstalten in 56 Ländern Europas, Nordafrikas und Vorderasiens.

Die EBU hat einige Länder aus dem Wettbewerb ausgeschlossen. Weissrussland ist seit 2021 nicht mehr dabei, weil das Land die Medien- und Meinungsfreiheit unterdrückt. Russland ist seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine im Jahr 2022 ebenfalls vom Wettbewerb verbannt.

Vor dem diesjährigen ESC war ein Ausschluss Israels gefordert worden. Die EBU liess Israel jedoch zum Wettbewerb zu, mit der Begründung, dass nicht Regierungen, sondern öffentlichrechtliche Rundfunksender am ESC gegeneinander anträten. Allerdings wies sie mehrere israelische Songs zurück oder forderte die Entfernung politischer Botschaften aus den Liedtexten. So wurde Israel vorgeworfen, der Song «October Rain» beziehe sich auf das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023. Das Land nimmt darum mit einer überarbeiteten Version des Stücks teil. Es heisst neu «Hurricane».

Vom ESC 2024 ausgeschlossen hat die EBU nach dem Halbfinal den niederländischen Künstler Joost Klein. Grund sind polizeiliche Ermittlungen, wie die Rundfunkunion am Tag des Finals mitteilte. Hintergrund ist die Beschwerde einer Mitarbeiterin, die genauen Umstände sind jedoch unklar. Das niederländische TV hat Beschwerde eingereicht.

Wie wird der Sieger bestimmt?

In den Halbfinals entscheiden allein die Stimmen der Zuschauer, welche Länder in die Endrunde vorrücken. Wenn im Final der Sieger gekürt wird, entscheiden Jurys mit. Sie werden von allen Ländern gestellt, die in den Halbfinals standen, sowie von den «Big Five». Sie bestehen aus jeweils fünf Mitgliedern. Die Punkte, die ein Land erhält, setzen sich zur Hälfte aus den Stimmen vom Zuschauer-Voting und aus den Punkten der Fachjurys zusammen.

Jedes Land kann pro Teilnehmer maximal 24 Punkte vergeben, 12 von der Jury, 12 vom Publikum. Man kann nur für andere Länder stimmen, nicht für den Teilnehmer des eigenen Landes. Das Land mit den meisten Punkten gewinnt. Haben zwei Länder genau gleich viele Punkte, wird das Zuschauer-Voting höher gewichtet. Erhält ein Land sowohl von der Jury als auch von den Zuschauern keine Punkte, dann heisst es: «zero points».

Wer darf abstimmen? Und wann?

Am Final sind alle Einwohner der teilnehmenden Länder zur Abstimmung zugelassen. Die Stimme kann telefonisch, per SMS, per App oder über die Website abgegeben werden. Die Abstimmung läuft im Final bereits ab dem ersten Song.

In der Vorausscheidung können die Einwohner der Länder, die selbst am ESC teilnehmen, an jenem Halbfinal abstimmen, an dem ihr Land antritt. Die Stimmen können nur in einem Zeitfenster von 15 bis 25 Minuten nach dem letzten Song abgegeben werden.

Seit 2023 dürfen auch Fans aus der ganzen Welt abstimmen, deren Länder nicht am Wettbewerb teilnehmen. Sie dürfen am längsten abstimmen, das Voting ist jedoch kostenpflichtig. Sie können ihre Stimmen an beiden Halbfinals und am Final abgeben und haben dafür insgesamt rund 24 Stunden Zeit, auf mehrere Fenster verteilt, die sich jeweils um Mitternacht vor den drei Shows öffnen. Die Stimmen dieser Fans haben jedoch weniger Gewicht, sie zählen summiert so viel wie die Stimme eines Teilnehmerlandes.

Welches Land hat am häufigsten gewonnen?

Der ESC findet seit 1956 statt. Die Schweizer Schlagersängerin Lys Assia gewann damals mit ihrem Lied «Refrain» den allerersten Eurovision Song Contest. Seither blieben die Schweizer Siege rar. Nach Assia haben Céline Dion (1988) und Nemo (2024) den ESC für die Schweiz entschieden. Deutschland hat zweimal den ersten Platz geholt, 1982 mit Nicole und 2010 mit Lena.

Am meisten Erstplatzierungen zählen Irland und Schweden mit jeweils sieben Siegen. Grossbritannien, Frankreich, die Niederlande und Luxemburg haben je fünf Mal gewonnen.

Wie politisch ist der ESC?

Der ESC versteht sich auf dem Papier als unpolitischer Wettbewerb. Dennoch wurden in den vergangenen Jahren immer wieder politische Botschaften auf der ESC-Bühne platziert.

2016 gewann die ukrainische Sängerin Jamala mit dem Lied «1944» den ESC. Der Song bezieht sich auf die Deportation der Volksgruppe der Krimtataren durch die Sowjetunion, bei der Zehntausende starben. Die EBU beurteilte damals weder Titel noch Inhalt des Liedes als politisch.

2019 hielten die Bandmitglieder der isländischen Band Hatari bei der Punktvergabe Schals mit palästinensischen Fahnen in die Kamera. Damals fand der Wettbewerb in Tel Aviv statt. Die EBU bestrafte das isländische Fernsehen später mit einer Busse. Interessant ist, dass Hatari bereits vor dem ESC angekündigt hatte, die Veranstaltung für eine Stellungnahme zu nutzen.

Angesichts der angespannten Lage im Nahen Osten ging die EBU 2024 harscher gegen politische Botschaften vor. So musste der irische Act Bambie Thug laut eigenen Angaben seine Körperbemalung anpassen. Eigentlich hatte Bambie Thug («Doomsday Blue») in der Ogham-Schrift, die in Irland im frühen Mittelalter genutzt wurde, die Wörter «Waffenstillstand» und «Freiheit» auf den Körper schreiben wollen – als Hinweis auf die Lage im Gazastreifen. Dies wurde Bambie Thug jedoch vom Organisator untersagt. Aufgrund der aufgeheizten Lage setzte der Gastgeber Schweden auf eine hohe Polizeipräsenz in Malmö. Tausende protestierten vor der Arena gegen eine Teilnahme Israels. Am Abend des Finals kam es zu Festnahmen, unter anderem wurde die Klimaaktivistin Greta Thunberg abgeführt.

Wer finanziert den ESC?

Den grössten Teil der Kosten muss das Gastgeberland stemmen, nächstes Jahr also die Schweiz. Laut EBU beläuft sich der finanzielle Aufwand auf 10 bis 20 Millionen Euro, abhängig von den örtlichen Gegebenheiten und den verfügbaren Mitteln. Die aserbaidschanische Hauptstadt Baku liess sich den ESC 2012 fast 70 Millionen Franken kosten. In Kopenhagen waren es 2014 fast 50 Millionen Franken, Malmö wendete bei der Austragung 2013 rund 14 Millionen Franken auf.

Der Veranstalter EBU stellt dem Gastgeberland 6,2 Millionen Euro zur Verfügung. Dieser Betrag setzt sich aus den Beiträgen der teilnehmenden Rundfunkanstalten zusammen. Die Höhe der Teilnahmegebühr ist von der Grösse des Landes abhängig. Der Beitrag der Schweiz belief sich laut SRG 2019 auf einen sehr tiefen sechsstelligen Betrag. Den genauen Betrag nannte die SRG letztmals 2016, damals zahlte sie noch um die 65 000 Franken. Im Vergleich: Deutschland hat 2015 360 000 Euro bezahlt, 2023 waren es bereits 500 000 Euro.

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