"DAS BAYER BRENNT LICHTERLOH": INVESTOREN REIBEN BAYER-CHEF KONZERNMISERE UNTER DIE NASE

Ein Jahr ist Bayer-Chef Anderson im Amt und ein Ende des Krisenmodus ist nicht in Sicht. Der Konzern schloss 2023 mit einem Milliardenverlust ab. Der Aktienkurs hat sich halbiert. Auf der Hauptversammlung lassen einige Investoren ihrem Unmut freien Lauf.

Bayer-Chef Bill Anderson muss bei seiner ersten Hauptversammlung Kritik von Investoren einstecken. Die leidgeplagten Anteilseigner zeigten sich knapp ein Jahr nach seinem Amtsantritt überwiegend enttäuscht, noch immer sei keine Lösung für die Probleme des krisengeschüttelten Pharma- und Agrarkonzerns in Sicht. "Herr Anderson, Sie haben im ersten Jahr am Kapitalmarkt kein Vertrauen aufbauen können", bemängelte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance, bei der Fondsgesellschaft Deka, beim virtuellen Aktionärstreff des Unternehmens. Anderson warb um Geduld: Es gebe keine schnelle Lösung, aber er wolle die Wende bei Bayer schaffen.

Zu seinem Amtsantritt hatte der ehemalige Roche-Pharmachef Vorschusslorbeeren erhalten. Die Erwartungen waren hoch. Der Amerikaner ist angetreten, um den Leverkusener Konzern, der vor einem hohen Schuldenberg und einem Verlust von fast drei Milliarden Euro im vergangenen Jahr steht, aus einer tiefen Krise zu führen. Sein Vorgänger Werner Baumann hatte Bayer mit der milliardenschweren Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto einen schier nicht enden wollenden Rechtsstreit wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Unkrautvernichters ins Haus geholt und viel Vertrauen verspielt.

Unternehmenswert in einem Jahr halbiert

Auch Janne Werning von Union Investment äußerte seinen Unmut: "Während der DAX in den letzten 12 Monaten um 12 Prozent zulegte, mussten die Bayer-Aktionäre einen Wertverlust von 55 Prozent verkraften." Vor der 2018 abgeschlossenen Monsanto-Übernahme sei Bayer zeitweise mehr als 100 Milliarden Euro wert gewesen. "Heute sind es rund 26 Milliarden Euro - das ist weniger als halb so viel wie der Kaufpreis, den Bayer für Monsanto bezahlt hat."

Deka-Experte Speich kündigte an, den Vorstand von Bayer nicht entlasten zu wollen. Der mit Spannung erwartete Kapitalmarkttag im März, an dem Anderson seine Strategie vorstellte, brachte laut Speich keine substanziellen neuen Erkenntnisse. Die größten Herausforderungen blieben weiter ungelöst. "Das Haus Bayer brennt lichterloh und Sie als Hausherr fangen zuerst einmal an aufzuräumen, anstatt die Brände zu löschen", sagte Speich. "Wir erwarten eine viel stärkere Konzentration auf die Reduzierung der Rechtsrisiken, Verbesserung der Pharmapipeline und ein schlagkräftigeres Agrargeschäft."

Die Fondsgesellschaft DWS kam dagegen zu dem Schluss, dass Anderson bereits wichtige Impulse gesetzt habe. "Uns ist bewusst, dass die Effekte dieser Maßnahmen teilweise erst mit Verzögerung eintreten werden", sagte ihr Vertreter Hendrik Schmidt. Die DWS will Vorstand und Aufsichtsrat entlasten, ebenso wie die Fondsgesellschaft Union Investment. Auch die beiden einflussreichen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis empfahlen, für eine Entlastung zu stimmen.

"Bitte legen Sie los"

Der Bayer-Chef will sich zunächst auf die Einführung eines neuen Organisationsmodells konzentrieren, das Bürokratie verringern soll und mit einem erheblichen Personalabbau zulasten vieler Führungskräfte verbunden ist. Die Dividende wird zum Abbau der Schulden für die nächsten drei Jahre auf ein Minimum zusammengestrichen. Statt der 2,40 Euro pro Anteilsschein zahlt der DAX-Konzern nun nur 0,11 Euro.

Einer Aufspaltung des Konzerns, die manche Investoren gefordert hatten, hatte Anderson auf dem Kapitalmarkttag fürs erste eine Absage erteilt. Der Vorstand bleibe aber für alles offen. In den nächsten zwei bis drei Jahren werde sich das Unternehmen allerdings darauf konzentrieren, eine starke Pharma-Pipeline aufzubauen, die rechtlichen Risiken zu reduzieren, die Verschuldung von zuletzt 34,5 Milliarden Euro zu senken und das neue Organisationsmodell weiter einzuführen. Anderson bekräftigte, dass Bayer alle Möglichkeiten in Betracht ziehe, um die Rechtsstreitigkeiten zu beenden - konkret wurde er aber nicht.

"Die Reise, die vor uns liegt, wird Herausforderungen mit sich bringen", sagte Anderson. "Aber ich bin überzeugt, dass es einen Weg gibt, die Wende bei Bayer zu schaffen." Die Aktionäre seien ungeduldig, sie hätten schon viel Zeit mit Problemen verbracht, entgegnete Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Wir dürsten förmlich danach, dass sie etwas anders machen, bitte legen Sie los."

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